Start Hintergrund Dankesrede von Dr. Peter Nieveler

Dankesrede von Dr. Peter Nieveler

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Dr. Peter Nieveler bei seiner Dankesrede. Foto: Dorothée Schenk
Dr. Peter Nieveler bei seiner Dankesrede. Foto: Dorothée Schenk
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Was soll ich denn jetzt sagen? Ehrlich… Ich freu mich. Ich bin sogar stolz auf den Ring und ich bin auch gerührt.

Herr Bürgermeister, was ist Ihnen denn durch den Kopf gegangen, als Sie diese Laudatio vorbereitet haben? Kann es sein, dass Sie gedacht haben: Das gibt es doch gar nicht! Und schon gar nicht in Jülich. Wenn das so war, dann lagen und liegen Sie richtig.

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Ich habe mich nämlich auch gefragt: Womit hast Du denn diesen Ring verdient? (…)
Der Rat der Stadt hat ja die Verleihung mit der nötigen Mehrheit beschlossen. Und der Rat ist das klügste Gremium einer Stadt.

Dennoch, meine Damen und Herren, fällt mir spontan ein eigener Fehltritt ein, den auch der Rat eigentlich nicht übersehen konnte, weil er mehr als 20 Jahre immer wieder auch im Druck in Erinnerung gerufen wird. Und ich gebe es ja auch zu, einmal gesagt zu haben: Mit mir als Bürgermeister wird es keine Landesgartenschau geben. Meine Damen und Herren, das war nicht nur Populismus – es war auch ein Irrtum. Den Antrag über die Landesgartenschau hat die Mehrheit doch beschlossen.

Und noch etwas zu meinen Verdiensten: Als ich vor einigen Wochen meinen jüngsten Enkelsohn, er ist 19 und studiert Mathematik und ähnliche Sachen, mit aller gebührenden Vorsicht auf die Verleihung dieses Ehrenringes vorbereiten wollte, fragte er mit einem hörbaren Seufzer: „Was ist das denn?“ Da ich ja mal Lehrer war, sagte ich nicht sogleich, was da alles mit zu tun hat, sondern ich lasse ja die Schüler selbst arbeiten. Also bedeutete ich ihm: „Es gibt eine Satzung der Stadt Jülich.“

Handy auf und ein paarmal getippt und gewischt, und dann stand sie da, die Satzung der Stadt aus dem Jahre 1963. Seine erschütterte Feststellung: „1963?“ Meine Antwort: „Da wurde die Satzung erlassen.“ Und er: „Ja, trotzdem!“ Meine Denkweise auf den Wert an sich, den eine mehr als 50-jährige Tradition bewirken kann, half nichts. Eher schon der Hinweis, dass der Ring vom Rat auch wieder abgenommen werden kann. Aber dann kam eine Kaskade von Fragen: „Ist der aus Gold? Was kostet der denn?“ Nach meinem Hinweis, der Stadtrat habe für den Akt der Verleihung einschließlich Ring mehr als 2000 Euro bereit gestellt – da war ihm deutlich anzusehen, dass er diesem Beschluss des Rates wohl eher nicht zugestimmt hätte.

Aber jetzt habe ich den Ring ja nun einmal. Und da gilt es zu danken all denen, die mich auf meinem Karriereweg zum Ehrenring begleitet haben. Die also freundlich oder weniger freundlich mit mir umgegangen sind und so daran mitgewirkt haben, dass dieser Abend heute hier gefeiert werden kann. Dabei möchte ich aber doch zu bedenken geben, dass jeder nostalgische Blick in die Vergangenheit auch etwas von einer Vision für die Zukunft haben sollte. Ich möchte nicht Vorbild sein, aber warum sollte nicht in dem einen oder anderen der Jüngeren unter Ihnen heute Abend der heiße Wunsch geweckt werden, auch einmal einen solchen Ring zu bekommen? Wer weiß, was der oder die dann noch alles auf die Beine stellt? Und wie er oder sie dadurch das zukünftige Marketing der Stadt Jülich beleben wird? Dann könnten sich am Ende ja sogar die 2000 Euro amortisieren.

Im Sinne einer Zukunftsvision habe ich auch immer mein Arbeiten in den historischen Vereinen der Stadt gesehen. Dabei schließe ich jetzt einfach einmal den Kunstverein und die historische Gesellschaft Lazarus Strohmanus, deren Orden ich mit Freude trage, gerne mit ein.

Beschäftigung mit der Geschichte darf kein melancholischer Blick auf die gute alte Zeit sein, in der alles viel besser gewesen sein soll. Ich befürchte, nichts war besser. Kaum etwas war christlicher und schon gar nichts war abendländischer oder gar deutscher. Der Blick in die Vergangenheit soll vielmehr auf die festen und oft auch wackeligen Fundamente sein, auf denen eine feste und bessere Zukunft aufgebaut werden sollte. Das habe ich von den Geschichtsvereinen unserer Stadt gelernt, dass Heimat kein hohler Begriff aus vergangenen Zeiten, sondern die zu gestaltende Wirklichkeit unserer heutigen Stadt Jülich ist. Ich bedanke mich bei den Vereinen ausdrücklich dafür.

Mein Dank muss aber noch einmal dem Rat der Stadt gelten, in dem ich schöne Jahre des Kampfes, der Auseinandersetzung, des Wagnisses, der Niederlage und auch manches Erfolges erleben durfte. Ich erinnere mich mit einem Zittern im Herzen an die Jamaika-Koalition im Rat von 1994. Sie hat nur vier Wochen gehalten. Aber wir haben damals wenigstens eine Koalition zustande gebracht. Soweit sind die in Berlin nie gekommen.

Ein Flüchtlingsproblem hatten wir 1992 auch. Damals kamen die Menschen aus dem zerfallenden Jugoslawien. Gegen Widerstände aus verschiedenen Richtungen haben wir es damals geschafft, das Problem in Jülich über die Parteigrenzen hinweg in den Griff zu bekommen – mit Unterkünften in Bourheim, Güsten, Selgersdorf und Mersch. Dafür gilt mein ganz ernsthafter Dank bis heute vor allem den damaligen Mitgliedern des Sozialauschusses.

Meine Damen und Herren, heute ist der Kulturbahnhof ein Glanzstück der Stadt. Damals hatten viele Leute Angst davor, die Musik könnte zu laut sein und mögliche Ausschreitungen könnten gefährlich werden. Mitglieder des Kulturausschusses haben hart gekämpft, um diese Örtlichkeit progressiver Kultur in Jülich durchzusetzen – im Rat und außerhalb des Rates. Ich durfte in einer Menschenkette dabei sein. Herzlichen Dank dafür.

Und dann die Landesgartenschau 1998 in Jülich… Rund drei Millionen Besucher – eher mehr – haben den Brückenkopf-Park bis heute besucht. Jeden einzelnen der Besucher hat die Stadt aus der eigenen Tasche einen schönen Batzen Geld als Zuschuss gezahlt. Aber wieviel Freude und Glück hat der Park den Menschen und ihren Kindern gebracht? Und es kommt jetzt schon die zweite Generation der Besucher mit ihren Kindern in die Einrichtung des Parkes. In Heller und Pfennig wird man nicht ausrechnen können, was der Park der Stadt in Folge der Landesgartenschau eingebracht hat. Aber ihr Ansehen ist gewaltig gestiegen. Und Jahr um Jahr kommen die Besucher aus der weiten Region. Und da gilt mein besonderer Dank Herrn Stommel. Ohne seinen hartnäckigen Einsatz wäre vieles nicht gelungen. Ich verzeihe ihm deshalb auch, dass er die Bürgermeisterwahl gegen mich 1999 gewonnen hat.

Meine lieben Freunde, neben all meinen politischen, kulturellen und sozialen Umtriebigkeiten hatte ich auch noch einen Beruf. Ich war Lehrer am Jülicher Mädchengymnasium, das haben Sie ja gehört. Und wenn die vielen jungen Damen mich nicht gelassen hätten, wenn es schon die sozialen Medien gegeben hätte, und wenn dort über Twitter vielleicht mein wahres Profil ausgebreitet worden wäre, möglicherweise wäre es dann mit dem Ehrenring nichts geworden.

Zudem war und bin ich verheiratet – auch das hat der Bürgermeister gesagt – seit 55 Jahren sogar, habe drei Töchter und sieben Enkel. Folgendes dazu: Mein besonderer Dank gilt selbstverständlich meiner Frau. Sie hat das alles ertragen – keineswegs immer mit freudiger Zustimmung. Nicht selten eher widerstrebend. Aber sie ist und war immer dabei, ist immer mitgegangen. Gedacht hat sie wohl nicht selten, was die ganze Familie gedacht hat: Was soll das alles? Ist das denn zu irgendwas gut? Sollten wir nicht lieber im Garten in der Sonne sitzen? Wozu das viele Bier beim Schützenfest und an Karneval? Das kostet ja alles nur Geld. Heute, an diesem Donnerstag, weiß die ganze Familie, wozu das alles geführt hat, was dabei herausgekommen ist: Der Ehrenring der Stadt Jülich.

Noch ein Letztes: Wir wohnen seit mehr als einem halben Jahrhundert in Selgersdorf. Es ist ein Dorf im Süden der Stadt. Dort durfte ich König der Schützenbruderschaft sein und ihr Schatzmeister. In Selgersdorf durfte ich Prinz im Karneval sein. Ich war und bin Senator in zwei Karnevalsgesellschaften in diesem Dorf. Und doch, obwohl ich das war, haben sie mich immer einen Muttkrat geschimpft. Einen von denen, die dem Dorf vor nunmehr 101 Jahren die Selbständigkeit geraubt und es eingemeindet haben. Das kann man nicht vergessen – und vor allem nie verzeihen.

Als ich 1994 Bürgermeister der Stadt Jülich wurde, da nannten sie mich einen Selgersdorfer. (…) Ich danke den Vereinen des Dorfes von Herzen. Sie haben mich nicht nur standhaft an der Theke gemacht, sondern auch hart im Kampf in mancher politischen Schwierigkeit. Einer meiner Selgersdorfer Nachbarn von Anfang an wettete 1972 an der Theke: Es könne nicht sein, dass ich als Mitglied in die CDU eingetreten bin. Er hatte meine politische Position wohl etwas weiter links von der Mitte verortet. Da kann er ja auch Recht gehabt haben, aber die Wette hat er verloren.
Mit ihm gilt mein Dank auch allen anderen Nachbarn, die jahrzehntelang nachbarschaftlich Frieden hielten. So konnte ich mich ohne Ärger immer von neuem ins gesellschaftliche Gewühle stürzen.

Mein allerletztes Dankeswort gilt den Bürgern dieser Stadt, von denen die meisten gern und freundlich zuhören, von denen mich die meisten gerne und freundlich grüßen, wenn ich sie auf den Straßen und Wegen und in den Geschäften der Stadt treffe. Ohne all diese vielen Freunde, die sich heute mit mir freuen, hätte ich diesen Ring nie bekommen. Herzlichen Dank Ihnen allen, dass Sie mir zugehört haben.

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Laudatio von Bürgermeister Axel Fuchs

Liste der Ehrenring-Träger der Stadt Jülich


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