Es dauerte keine viertel Stunde und das Festzelt am Sandweg war auf die närrische Festtemperatur hochgefahren. Die KG Schnapskännchen um seinen Präsidenten Tom Beys hatte nicht nur das jecke Volk schnell in Stimmung gebracht, sie hielten bis zum Finale das Niveau und zwar im Wortsinn. Hochkaräter hatte sich die KG eingeladen, die Güsten, Welldorf, Serrest und die umliegenden Höfe an diesem Abend eins ums andere Mal hochleben ließ. Und das vor ausverkauftem Haus: Rekordverdächtig sind die 600 Gäste, die sich zu dieser Jubiläumssitzung 8 x 11 eingefunden hatten. Eine Herausforderung für die Belegschaft, die diese „unauffällig“ brillant bewältigte.
Noch vor dem Elferrat waren die Akteure der Stadtgarde „Oecher Penn“ eindrucksvoll eingezogen und brachten mit ihren Tanzpaaren die Bühne zum Beben. So vorgeglüht konnte sich der Saal bei Redner Martin Schopps erstmal zurücklehnen – zumindest körperlich. Der hauptberufliche Berufsschullehrer feuerte so mache Salve in Richtung Bildungspolitik ab. Herausragend seine Schilderung der „Aufklärung 2.0“ im Computerjargon, die jede Schlüpfrigkeit zur Entstehung des Lebens technisierte von Benutzeroberfläche über Memory-Stick hin zum „Trojaner namens Justin“, der die Firewall durchbrochen hatte. Die „goldene Generation, die noch vor der Erfindung des Smartphones geboren ist“, wie Schopps sie nannte, feierte den Redner gebührend. Hier ein großes Lob an die – wie das so üblich ist im Laufe des Sitzungsabends – kölschselige Gemeinschaft, die bis zum Schluss der Aufforderung der KG Schnapskännchen folgte: „Bei uns gilt das Motto ,Ruhe im Saal“ Wertschätzung für Redner im Karneval‘.“
Und wenn sich dann doch jemand beim Redebeitrag aus dem Saal begeben wollte, lief er Gefahr „eingefangen“ zu werden. Herrlich, wenn Ernst seinen Partner Willi auf der Bühne stehen lässt und hinter Gästen herspurtet mit dem Ruf: „Wir verlieren die ersten. Bleiben Sie hier: Wir werden noch lustig!“ In Bestform präsentierte sich das Rentner-Duo. Abseits der bekannten „Wir sind Sahneschnitten, Singles und noch zu haben“ Pointen wagte sie sich diesmal auch auf politisches Parkett und das mit viel gekonntem Witz. Aber natürlich durfte die erwartete Anbahnung einer Beziehung ins Publikum hinein nicht fehlen: Christiane hieß diesmal die Auswählte, die Willi anschmachtete und in sein Poesie-Album schreiben ließ. Was ein Spaß, als beim Abschied von der Bühne Präsident Tom Beys die Herzdame als seine Schwiegermutter „outete“.
Die Redner haben es halt mit den Damen. „Carmen“ verwickelte Motombo ins Gespräch über die Liebe und das Leben. Bei aller Launigkeit trifft der gebürtige Kölsche mit familiären Wurzeln in Uganda die ernsten Töne mit einer spielerischen Leichtigkeit, die das Lachen nicht im Halse stecken bleiben lässt. Als „radikale Mitte“ mit einem Faible für „Verstand“ hatte er die „Brasilianer von Deutschland“, die Rheinländer, in Güsten begrüßt und dafür stand sein Bühnenprogramm. Vom einstigen „Klomann“ Motombo Umbokko ist er inzwischen kabarettische Lichtjahre entfernt. „Wir werden alle verrecken. Wenn Du weißt, dass das Leben endlich ist, hast du keine Zeit zu verlieren.“ formulierte es Dave Davis einigermaßen drastisch ohne den Aschermittwoch vorwegzunehmen. Vielmehr rief er die Narrenschar auf, sich „zu entspannen“, das Jammern mal zu lassen und Toleranz zu üben. Es selbst bekannte sich zu seinen Vorurteilen, aber letztlich sei es doch egal, welche Hautfarbe und sexuelle Neigung man habe. „Deine Seele sagt, wer Du bist.“ Zum Finale stimmte Motombo „Unser Stammbaum“ an und der ganze Saal machte mit.
Auch ein großartiges Phänomen: Sanges- und Textsicher sind die Jecken der KG Schnapskännchen. Und sie holen „ihre Bands“ ab. Natürlich kann man mit der Auswahl Kasalla, Hätzblatt, Cologne Unplugged und Lupo als ein Teil der Who-is-Who Karnevalsbands als KG eigentlich nix falsch machen. Aber es ist ein tolles Zeichen für die Musiker, wenn die Gäste nicht nur nichts auf den Stühlen, sondern auch nichts auf ihren Plätze hält. So schwofte die Festgemeinde Arm in Arm vor der Bühne und stimmte in Hit um Hit mit ein. Ein Riesenchor. Und wie familiär es dann zugehen kann, zeigten die Bands: Einen Herzenswunsch der Funky Tinys erfüllte sich, als sie mit Kasalla auf die Bühne durften und spürbar war, dass es den Tanzenden wie Musizierenden gleichermaßen Spaß machte. Das galt auch als Kinderpräsidentin Elisa gemeinsam mit Lupo die Bühne enterte. So bringt man karnevalistischen Nachwuchs in Wallung!
Wie gut der bei der KG Schnapskännchen gepflegt wird, zeigt sich stets auch in den tänzerisch hervorragenden Beiträgen – und schließlich sind die „Funkys“, die Rot-Weißen Funken Güsten, ja auch nicht nur in den Sitzungssälen unterwegs, sondern auch zu Wettkämpfen. An diesem Abend übernahm der Nachwuchs die eher traditionelle Vorstellung, während die Funky Vibes ihr Publikum mitnahmen in die „Matrix“. Den Kino-Klassiker aus dem Jahr vor der Jahrtausendwende stellten sie mit beeindruckender Choreografie auf die Bühne. Wie sich das gehört: frenetisch beklatscht von ihrer KG Schnapskännchen.
Nach einem fünf Stunden Feuerwerk an Programm hatten die Jecken immer noch nicht genug. Es wird gemunkelt, es sei noch bis tief in die Nacht gefeiert worden. Wie sich das für junggeblieben Jubilare gehört. Alaaf!