Es war ein Abend, wo mal wieder so richtig „die Hütte abgerissen“ wurde, wie Rock-City Jülich-Fan Sven Kleer in den sozialen Medien die Release Party zum zehnten Jülich Sampler begeistert kommentierte. Bei dem Festival auf zwei Bühnen im KuBa war von Glam-Rock über Metalcore und Punk bis hin zu Soul und Dark/Gothik für fast jeden Musikgeschmack etwas dabei und lud zum Tanzen, Pogen und Mitsingen ein. Der brandneue Sampler kann in digitaler Form auf der Internet-Seite des KuBa heruntergeladen werden kann.
Die teilnehmenden Bands und auch so mancher Songtext haben dabei einen Bezug zur Herzogstadt. Unter dem Label „Rockcity Jülich“ haben Veranstalter, Bands und Publikum gemeinsam also wieder ein Stück Jülicher Musikgeschichte geschrieben. Nicht nur mit der Komposition und Auswahl der Songs, sondern vor allem mit der dazu gehörigen Party. Sollte es – wie angekündigt – etwa die letzte dieser Art sein? In dem Fall war es ein echtes Sahnehäubchen.
Für die 34 jährige Eva war das Musik-Festival jedenfalls ein „Jugendrevival“. So feierte die jetzt in Bonn lebende Jülicherin den Abend, an dem zehn unterschiedliche Bands mit ihren Songs vor einem gut besetzten KuBa abwechselnd auf zwei Bühnen spielten. Unter den Bands seien einige, „die wir zwischen 16 und 19 Jahren hier in Jülich zum ersten Mal gehört haben“, sagte Eva begeistert. „Es ist einfach wie früher!“ In der kleinen Runde standen auch Gäste aus Aachen, Bonn und sogar dem Saarland – alle aufgewachsen und musikalisch geprägt in Jülich – das hat offenbar einen Comeback-Effekt.
Wie ihnen ging es vielen: Cornel Cremer, Geschäftsführer des KuBa, weiß um dieses Extra-Highlight und spricht von „Synergie-Effekten“ der Heimkommenden in der Vorweihnachtszeit. Cremer organisierte die Release-Party zusammen mit Markus Uhlenbruck seit Ende der 90er Jahre. Auch er selbst freue sich über die „alten Gesichter“, die er bei diesem Anlass treffe. Darunter viele aus der Gründerzeit des KuBa.
Zu diesen Gründerzeit-Jahrgängen gehört Konrad Schlüter, dessen Sohn an diesem Abend an der Technik saß. „Wir haben alle unsere Spuren hinterlassen“ sagte er lachend und erinnerte wehmütig an die damalige Punk-Rock Zeit in Jülich – die Zeit als das KuBa gegründet wurde. Damals sei musikalisch einfach noch mehr los gewesen. Es gebe sogar das Gerücht, dass es damals die zweithöchste Banddichte in Deutschland hier gab, weiß Sven Kleer, der ehrenamtlich die „Rock City Jülich“ mitbetreut. Ob das tatsächlich stimmt, konnte Cremer nicht hundertprozentig sagen, aber es müsse schon etwas dran sein, überlegte er.
Dass es nicht mehr so sei wie früher, darin waren sich gerade die älteren Jülicher Musik-Fans einig. Doch an diesem Abend schien das schlicht vergessen zu sein: Volle Säle und Kölsche Töne – egal ob an der Theke oder vor der Bühne, Jülichs Musikfans liefen zur Bestform auf – dichtgedrängtes, heiteres Gewühle überall. Auch die meisten Bands waren alte Bekannte fürs Publikum. Doch der musikalische Neuzugang des Abends, die „Dead Bees in Bourbon“ mit Frontsängerin Yen Aneztberger, lockte mit dunklen Sounds, die ein wenig an Siouxie and the Banshees erinnerten, an diesem Abend besonders viele Tanzwillige vor die Bühne. Der Jülicher Musik-Geschmack ist eben Avantgarde. Ebenfalls sehr tanzbare, aber eher populäre Sounds, stammten von der Jülicher Web-Liveband.
Tim Rosin, ebenfalls ein bekanntes Gesicht aus der ehemaligen Jülicher Punk-Szene und KuBa Gründerzeit, freute sich besonders auf die Band LD Stardust & the Ziggies from Mars. Er war damit sicherlich nicht alleine. Mit Bowie-Klängen, verschiedenen musikalischen Stilrichtungen und ausdrucksstarker Frontstimme von Lia Dolfus sowie einer starken Band-Besetzung waren sie scheinbar ein Highlight für viele Gäste der Party und Gitarrist Arne Schenk stieg extra von der Bühne, um das Publikum „mitzunehmen“.
Für kölsch-punkige Party-Stimmung sorgte –wie immer – die Band Les6Kölsch1Cola, rockig wurde es mit Forger und den punkigen Mokkafurchen, für metallische Härte sorgten Embrace the Silence – für Anhänger des Metalcore/ Death Metal ein echter Geheimtip und Sampler Neuzugang. Den Eisbrecher des Abends machten die Spellotones, gefolgt von Gl3is, der Webliveband und Dreammachine mit eingängigeren Sounds für den breiteren Musikgeschmack. Während im großen Saal viel Platz zum Tanzen war, ging es im Kneipenraum dagegen kuschelig und dicht gedrängt zu.
Das änderte sich, als am Ende der „Pogo“ aufs Parket einlud – da drängelte es sich auch vor der großen Bühne und die Mutigen stürzten sich ins Gewühl. Den musikalischen Abschluss bildeten Claudyo & Psycho Luna, wo man Lia Dolfus gleich nochmal – dieses Mal am Bass erleben konnte – hier mit düsteren, manchmal schrägen Sounds und einem Touch Melancholie in den Texten – feinster Underground aus Jülich.
Wie Dolfus hatten so einige Musiker an dem Abend gleich bei mehreren Bands ihren musikalischen Part – auch das ist typisch Jülich: Die lokale Musik-Szene scheint einer großen Familie zu gleichen.
Es war ein Abend mit sieben Stunden Musik auf wechselnden Bühnen, ein paar zur Life-Musik dazu gehörenden technischen Pannen, anschließender Aftershow Party und vielen strahlenden und glücklichen Gesichtern. Was bleibt sind ein paar Wünsche fürs nächste Mal: Eine kleine Treppe zur Bühne, damit Musiker Schenk noch besser ins Publikum und zurück gleiten kann, hier und da der Wunsch nach gemäßigterer Lautstärke und am Ende die bange Frage: Gibt es überhaupt ein nächstes Mal?
Hier gab sich Cornel Cremer, der das eigentlich schon ausgeschlossen hatte, ein wenig als Orakel: Die Veranstaltung solle auch bei den Jüngeren eine „Welle der Euphorie“ auslösen. Und dann sei da eben „nichts in Stein gemeißelt. Wir sind nicht aus der Welt und mit dem Herzen dabei.“ Darin schwingt etwas Hoffnung mit, dass es irgendwie doch weitergehen könnte.
Fotos: Volker Goebels
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