Vor drei Jahren im Londoner Wembley-Stadion: Im Finale der Fußball-EM stehen sich England und Italien gegenüber. Bereits Stunden vor dem Anpfiff drängen sich die Fans an den überfüllten Zugängen. Und immer mehr Menschen strömen nach. Viele kommen sogar, obwohl sie kein Ticket mehr bekommen haben. Einigen gelingt es, die Absperrungen zu durchbrechen und in das Stadion zu stürmen. Es kommt zu einem Tumult. Rund 50 Personen nimmt die Polizei schließlich fest.
Solche Szenen sollen sich im Sommer bei der UEFA Euro 2024 in Deutschland nicht wiederholen. Fünf Partien finden in der Düsseldorfer Arena statt. Dort ist Hauke Schmidt als Executive Director Safety Management des Stadionbetreibers D.Live für die Besuchersicherheit zuständig. Er blickt auf eine jahrelange Berufserfahrung zurück. Daher weiß er: Die EM-Spiele sind nicht mit den üblichen Begegnungen der Fußball-Bundesliga zu vergleichen.
So muss etwa bei der EM rund ums Stadion ein zusätzlicher äußerer Sicherheitsbereich eingerichtet werden. Er soll verhindern, dass sich Personen unkontrolliert Zugang zum Stadion verschaffen. In Düsseldorf entsteht dadurch ein Problem: „Der U-Bahnhof direkt neben unserem Stadion liegt in diesem Sicherheitsring und darf deshalb nicht für die Anreise genutzt werden, sondern nur für die Abreise“, erläutert der Sicherheitsexperte.
Um Zuschauerinnen und Zuschauer zum Stadion zu bringen, fährt die Rheinbahn deshalb eine Haltestelle auf der gegenüberliegenden Seite der Arena an. Dies verändert, wie sich die anreisenden Fans auf die verschiedenen Wege zum Stadion verteilen. Für Schmidt stellt sich die Frage, wie und wann sich die Besucherströme unter diesen ungewohnten Bedingungen rund ums Stadion verteilen – insbesondere auf die verschiedenen Eingänge. „Dafür gibt es keine Blaupause, und wir können auch keinen Testlauf machen. Trotzdem muss schon beim ersten Spiel alles reibungslos funktionieren“, so der Sicherheitsexperte.
Eine weitere Herausforderung sind die Fanwalks. „Das ist ein organisierter gemeinsamer Marsch der Anhänger eines Teams von einem vereinbarten Ort bis zum Stadion“, erklärt Hauke Schmidt. „Und das können halt auch sehr, sehr viele Menschen werden – durchaus eine fünfstellige Zahl von Personen.“ Diese Masse kann die Anreise anderer Fans beeinträchtigen – wenn der Tross aus Tausenden Fußballbegeisterten zum Beispiel eine Kreuzung überquert und dabei den Autoverkehr zum Erliegen bringt. Auch Bahnübergänge, die auf der Route der Fanwalks liegen, zählen zu den neuralgischen Punkten.
Um die Besucherströme abschätzen und Gefahrenstellen identifizieren zu können, erhält Schmidt Unterstützung durch komplexe Computersimulationen. Die liefert das interdisziplinäre Forschungsprojekt CroMa-PRO. „Unsere Simulationen liefern verschiedene Szenarien für die zeitliche und räumliche Entwicklung von Besucherströmen. Diese erleichtern die Planung vor Ort“, erklärt Jette Schumann vom Jülicher Institute for Advanced Simulation (IAS-7), eine der Projektverantwortlichen.