An apple a day… Der reicht Andreas Pingel Keuth, Wissenschaftlicher Angestellter am Fachbereich Chemie und Biotechnologie, nicht. Gemeinsam mit seiner Frau Barbara Priesmann – einer Biologin – und mittlerweile in einem Verein organisiert setzt sich der Chemieingenieur neben der Arbeit an der FH für den Erhalt bestehender und das Anlegen neuer Streuobstwiesen ein.
Die Faszination für Äpfel steht in langer Tradition: Der senkrechte Fall eines Apfels brachte schon Isaac Newton auf die Idee des allgemeinen Gravitationsgesetzes, und Friedrich Schiller bewahrte faulige Äpfel in seiner Schreibtischschublade auf, weil er den Geruch als inspirierend empfand (man denke an Wilhelm Tell, der seinem Sohn Walter mit einer Armbrust einen Apfel vom Kopf schoss). Und natürlich bleibt es nicht aus, an vergiftete Äpfel bei Schneewittchen zu denken, an den Big Apple New York, an die Computerfirma Apple oder an Apple Records, das Musiklabel der Beatles.
Der Derichsweiler Annaapfel
Die Begeisterung Pingel Keuths begann im eigenen Garten. Dort steht ein Sämling: ein Apfelbaum, gewachsen aus einem Samen. Was recht natürlich klingt, ist tatsächlich eine Seltenheit. Der Apfel fällt zwar nicht weit vom Stamm, eine neue Pflanze entsteht dadurch jedoch nicht zwingend. Nur etwa jeder tausendste Samen wird zu einem Baum, der lebensfähig ist und gute Früchte trägt. „Durch die Domestizierung der Wild- zur Kulturpflanze ist die natürliche Fortpflanzung kaum noch möglich“, erklärt Pingel Keuth. „Obstbäume werden daher künstlich durch die sogenannte Veredelung vermehrt.“ Dabei wird ein Zweig der Pflanze, die vermehrt werden soll, auf eine Unterlage (einen abgesägten Stamm mit Wurzelwerk) transplantiert. Jeder Apfelbaum, der durch einen Samen entsteht, gilt als neue Art. So kam es in Pingel Keuths Garten zum Derichsweiler Annaapfelbaum.
Selbst noch einmal Anfänger sein
Andreas Pingel Keuth hat selbst am Campus Jülich Chemieingenieurwesen und Biotechnologie studiert, arbeitete anschließend über 20 Jahre als Chemieingenieur in der Industrie und kam an die FH zurück, um zu forschen und zu lehren. Er betreut für den Fachbereich die Praktika für „Organische Chemie“. Für seine Lehrmethoden hält er sich an die Philosophie: In seinem Labor hängt ein Poster mit dem Motto der Aufklärung „Sapere aude“ – Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen, die Antwort von Immanuel Kant auf die Frage „Was ist Aufklärung?“. „Das Studium an der FH ist für die Studierenden wie ein Werkzeugkasten, der zur Verfügung gestellt wird – davon Gebrauch machen müssen die Studierenden jedoch selbst“, erklärt er. Die eigene Schulbank-Perspektive dürfe man aber auch nicht aus den Augen verlieren: Für die Vermehrung von Apfelbäumen belegte Pingel Keuth einen Lehrgang, „obwohl ich sehr interessiert war, habe ich mich nicht besonders geschickt angestellt. Jedem Lehrenden kann ich nur empfehlen, immer wieder einmal selbst Anfängerin oder Anfänger zu sein.“
Apfelarche
Eine wissenschaftliche Errungenschaft kann je nach Anwendungsbereich zu etwas Gutem oder etwas Schlechtem führen (und allem dazwischen). Daher ist das „Sapere aude“ für Pingel Keuth immer Teil der Lehre. „Verantwortungsvoller Umgang beginnt schon im Labor zum Beispiel beim sparsamen Gebrauch von Ressourcen wie Wasser, Strom und Chemikalien“, erklärt Pingel Keuth. „Eine chemische Verbindung ist erst einmal völlig neutral. Erst durch den Gebrauch kommt es zu einem Nutzen oder einem Schaden, zum Beispiel beim Missbrauch von Betäubungsmitteln, deren ursprünglicher Zweck darin lag, Schmerzen zu lindern.“
Die Erkenntnisse aus fast vierzig Jahren Berufserfahrung als Chemiker spiegeln sich auch bei der Faszination für Apfelbäume wider. In und mit der Natur ist ein verantwortungsvoller Umgang wichtiger denn je. Streuobstwiesen sind wertvolle Biotope für Insekten, Vögel und andere Tiere und müssen daher erhalten und auch neu angelegt werden. Genau das hat sich der Verein Apfelarche um Pingel Keuth vorgenommen. Außerdem erhalten und vermehren sie alte und regionale Apfelsorten. Bisher konnte der Verein so schon rund 250 Apfelbäume in Zusammenarbeit mit einer Baumschule veredeln und verteilen. „Die genetische Vielfalt zu erhalten, ist essenziell, um gegen Umwelteinflüsse gewappnet zu sein. Jede Sorte und jeder neue Baum trägt einen Teil dazu bei“, erklärt Pingel Keuth.