Nach dem bei den Ausschachtungsarbeiten zu jetzigen Brückenneubau durch Straßen.NRW bereits Ende des Jahres 2022 zahlreiche Holzfunde am westlichen Ufer geborgen wurden, kamen Anfang 2023 am stadtseitigen Ufer massive Mauerstrukturen zum Vorschein. Sie stammten von der 1806 errichteten Schleusenbrücke aus der napoleonischen Epoche Jülichs (1794-1814)
Beim Gros der während der Grabungskampagne zwischen Dezember 2022 und Februar 2023 dokumentierte Funde handelte es sich allerdings um teilweise sehr massive Holzreste in Form von Pfählen, Balkenteilen und anderen Resten von bearbeiteten und unbearbeiteten Hölzern, vorwiegend aus imprägniertem Eichenholz, nur einige wenige stammten von Fichten und Buchen. Die Länge der Hölzer reicht von wenigen Zentimetern bis zu 4 m, wobei der Durchmesser bis zu maximal 0,30 m beträgt.
Baulichen Hinterlassenschaften von Holzbrücken und Uferrandbefestigungen der Rur kamen bereits bei früheren Baumaßnahmen zutage. So konnten bereits zwischen 1988 und 1996 etwa 40-50 Meter flussaufwärts Eichenpfähle mit eisernen Pfahlschuhen von beiden Uferseiten des heutigen Rurübergangs, geborgen werden, wobei die ältesten ins späte 16. Jahrhundert datierten.
Die Fachfirma Archäologie Team Troll konnte insgesamt 293 Holzfunde zählen, die beim Bau der neuen Rurbrücke durch die Baufirma auf beiden Flussseiten gefunden wurden. Deren archäologischer Kontext blieb leider unklar, da die Archäologen erst spät hinzugezogen wurden. Die große Anzahl der Holzpfähle bedingte eine Zwischenlagerung auf dem Gelände von Straßen.NRW in Aldenhoven (Abb.1).
Dort unternahmen die Archäologen eine detaillierte Untersuchung der Funde. Alle Holzelemente wurden zunächst einzeln nummeriert und photographisch dokumentiert sowie beschrieben und typologisch eingeordnet. Die Einordnung der Holzfunde beruhte primär auf dem Formkriterium. Demnach lassen sich Vierkantholzrammpfähle, runde bis rundliche Ganzholzrammpfähle mit bzw. ohne eisernen Pfahlschuhbeschlag mit schraubenverbundener Aufständerungsvorrichtung voneinander unterscheiden. Letztgenannte könnten zu einer bislang unbekannten Pfahljochbrücke gehört haben. Weiterhin erkennbar waren einseitig angespitzte Bohlen mit aufgenagelten Pfahlschuhen, Nut- bzw. Federbohlen, Halbholzbalken, Kantholzbalken und Schnittholzbohlen sowie -dielen. Zu den sekundären typenunterscheidenden Kriterien zählten neben Größenverhältnissen (v.a. Länge, Breite/Höhe oder Durchmesser), Querschnitt, Schnittart, Holzart, Oberflächenbehandlung, Art und Größenverhältnisse des Pfahlschuhs, Anzahl und Lage der Durchbohrungen. Insgesamt konnten 21 verschiedene Typen von Holzfunden erkannt werden. Darunter befanden sich auch Tiefgründungsrammpfähle aus imprägniertem Eichenholz. Weitere imprägnierte Eichenbohlen waren einseitig angespitzt und mit handgeschmiedeten Pfahlschuhen beschlagen (Abb.2).
Da die Fundlage vor Ort nicht mehr rekonstruiert werden konnte, ordnete das Amt für Bodendenkmalpflege eine Beprobung der Hölzer für eine dendrochronologische Bestimmung durch das Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Köln an, um zumindest einige weitere Informationen zu erhalten. Zu diesem Zwecke wurden 5 cm dicke Scheiben von ausgewählten Hölzern abgetrennt und in Köln untersucht. Durch die Untersuchung der Wachstumsringe der Bäume können Holzart, Alter und Fälldatum bestimmt werden, um eventuell eine Zuordnung zu bestimmten Bauphasen zu ermöglichen.
Mittlerweile liegen die Ergebnisse der 83 Dendro-Beprobungen vor. 56 konnten datiert werden, wobei die Zeitspanne der Fälldaten von 1727 bis 1943 reicht. Der älteste Baum wurde 1664 gepflanzt. Das höchste Alter wies ein Eichenpfahl aus einem Baum auf, der im Jahr des Fällens 188 Jahre alt war.
Neun der beprobten Funde wurden im 18. Jahrhundert gefällt, 38 im 19. Jahrhundert. Nur zwei stammten aus dem 20. Jahrhundert.
Auf Grund der Fundumstände lassen sich die beprobten Hölzer keiner der bekannten Brückenbauphasen sicher zuordnen. Bei einer Vielzahl der Rammpfähle handelt es sich offenbar um Befestigungen der beiden Rurufer aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Eine genaue Zuordnung bleibt ohne Kenntnis des genauen Fundorts natürlich spekulativ, zumal es sich bei den Proben nur um etwa 20 Prozent des gesamten Fundkomplexes handelte. Darüber hinaus muss auch mit der Herkunft aus anderen Kontexten gerechnet werden, wie Schwemmgut oder Bauschutt.
Von den untersuchten Proben lassen sich immerhin neun, auch der Form nach, einer älteren, von historischen Darstellungen des frühen 18. Jahrhunderts bekannten Brücke zuordnen, da deren Fälldatum in einen Zeitraum von 1727 bis 1763 reichen. Es dürfte sich um Reste der Holzbrücke handeln, die 1792 auf Befehl des österreichischen Marschalls de Clerfait zur Verteidigung der Stadt gegen die französischen Revolutionstruppen in Brand gesteckt und nach der Übernahme des Rheinlandes durch die Franzosen wieder instandgesetzt wurde. Als 1798 zur Sicherung des Rurübergangs mit dem Bau des Brückenkopfes begonnen wurde, war es Teil des Verteidigungsplanes, die Rur im Kriegsfall aufzustauen. Diese Rolle übernahm eine Schleusenbrücke, deren Grundstein – wie erwähnt – 1806 gelegt wurde. Sie hatte steinerne Pfeiler und 15 Durchlässe, die geschlossen werden konnten. Zu dieser Brücke könnten sechs Hölzer gehören, die mit einem Fälldatum zwischen 1796 und 1804 dendrodatiert wurden. Einige der Hölzer könnten hier auch als Fundamentierung oder Prallhölzer gegen Eisgang gedient haben, wie ein historischer Plan zeigt (Abb.3).
Trotz eines Konstruktionsfehlers wurde die Brücke auch in preußischer Zeit ab 1814 weiter genutzt und erst 1902 ersetzte man sie durch eine modernere Dreibogenbrücke. Auffällig viele Hölzer stammen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, können also kaum mit ihr in Verbindung gebracht werden.
In die Zeit des Zweiten Weltkriegs konnten nur vier der untersuchten Hölzer datiert werden. Diese Fichtenhölzer gehörten wahrscheinlich zu einer Notbrücke von 1945, die nach der Zerstörung der Dreibogenbrücke entstand.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im Bereich des heutigen Rurübergangs zahlreiche Bauteile aus dem 18. und 19. Jahrhundert zu Tage traten. Auch wenn sich Holzart, Alter und ihre vermutliche Funktion bestimmen lassen, bleibt ihre Zuordnung zu bestimmten Brückenbauwerken – außer zur Schleusenbrücke – doch in weiten Bereichen Spekulation. Beeindruckend ist hier die Anzahl der Funde, vor allem angesichts der sonst üblichen Weiterverwendung – zumindest als Brennmaterial.
Einige der imposanten Hölzer werden in Kürze im Brückenkopfpark und im Museum Zitadelle als Beispiele der komplexe Jülicher Brückengeschichte zu sehen sein.