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Versetzen

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Illustration: Hacky Hackhausen
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So ein Mist! Da bin ich doch glatt wieder versetzt worden. Keine Zeit oder etwas anderes vorzuhaben, ist ja für mich kein Problem, also so was von überhaupt nicht, aber Bescheid sagen könnte man ja wenigstens. (Und frau natürlich auch.)
Aber da wird lieber WhatsApp, SMS oder die E-Mail mit völlig Unwichtigem vollgespamt, als eine wichtige Mitteilung zu hinterlassen. „Wer kann mir bei meinem Problem helfen?“ „Ich nicht! Keine Zeit!“ Am besten mit jeder Menge zusätzlicher Ausrufungszeichen.

Aber wer nicht helfen kann, war gar nicht die Frage. Wenn sich alle melden, die nicht können, dann ist das soziale Netzwerk bald völlig überschwemmt. Dabei bilden doch nur diejenigen eine Gemeinschaft – also das Soziale, die anwesend sind. Und bei der Hilfe eines Problems würde sogar eine einzige Person womöglich völlig reichen.

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Dabei musste ich einfach nur die alte Schaukel im Garten versetzen, so zwei Meter nach links. Keine große Sache, aber vieles geht halt nicht allein. Da hilft es, mindestens zu zweit zu sein.

Gemeinschaft ist eine tolle Sachen. Wenn man drauf angewiesen ist. Eigentlich auch sonst. Aber oft möchten Menschen gerne von etwas profitieren, ohne vorher etwas hineingesteckt zu haben. Diesen Trend erleben heutzutage auch die Kirchen. Kirche? Bah, pfui! Das sind doch die asozialen Einrichtungen, die den Menschen so viel Arges antun! Hinweg mit Dir, Du böser Spuk! Wie oft ändern sich doch Meinungen, wenn dieselben Menschen plötzlich auf soziale Leistungen angewiesen sind. Ach, Pflegeeinrichtungen sind auch oft kirchlich organisiert? Und der Staat? Wie, der kann auch nicht alles? Schuldenberatung wird auch von kirchlicher Seite angeboten? Das brauche ich alles nicht. Wenn es mir finanziell schlecht geht, dann gehe ich einfach zur Caritas! Auch kirchlich? Dann halt zur Diakonie. Nee, ne…

Wenn ich all’ das nicht will, hilft eigentlich nur noch, den Familienschmuck zu versilbern. Wird dann alles versetzt. Auch schon alles weg? Schade! Ach, wenn man sich doch selbst versetzen könnte… Wer weiß, wie das geht, wäre ein gemachter Mann. Oder eine gemachte Frau. Gerade jetzt. Also zu Ende der Schulzeit. Da gibt es bestimmt viele, die würden sich gerne selbst versetzen. Die wären schon völlig glücklich, wenn sie versetzt werden. Also völlig passiv. Also genau das, worüber ich mich anfangs so aufgeregt habe.

Ja, des einen Leid, des anderen Freud.

Also, ich bräuchte jetzt etwas von dem puren Zeug, dem reinen Stoff. Nicht irgendetwas Versetztes. Womöglich mit Koksi Kola.

Langsam muss ich Schluss mit den Nonsens machen. Hinterher versetzt mich noch die Chefin auf eine andere Stelle an einem anderen Ort. Dabei gefällt es mir hier beim HERZOG doch so gut. Oder mir versetzt jemand noch einen Stoß. Nur damit ich aufhöre. Ja, ich weiß, is’ gut getz. Ich möchte ja nur, dass jemand sich in meine Lage versetzt. Meine Lage? Das ist die, in der es um das Vers-setzen geht.

Apropos „versetzen“: Es ist doch immer wieder interessant, dass es einen völlig anderen Sinn ergibt, wenn ein einziger Buchstabe versetzt wird. Dies ist mir gerade beim Redigieren dieser Ausgabe aufgefallen.

Zwei Beispiele in Sachen Kino-Ankündigung: Da lese ich „Film Preview am Vorabend der Filmpremiere. Mit Gästen und Podiumstalk.“ Da habe ich mich gefragt, wer denn da auf dem oder von dem Podium her gestalkt wird. Die Moderierenden? Das Publikum? Der Film?

Oder „Ciao Bella heißt es für die vier Best-Ager-Freundinnen des Book Clubs, als der längst überfällige Mädelstrip sie quer durch Italien führt.“ Ist ja klar, dass die Mädchen viele Bekanntschaften knüpfen, wenn sie sich auf ihrer Tour durch den Süden dauernd vor anderen ausziehen. Unklar ist mir hingegen, warum der Strip längst überfällig ist…


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