Der knapp über 50 Jahre alte Mann hat in seinem Leben schon so manchen Job gemacht. Bäcker, Kernsanierer und Einzelhandelskaufmann sei er schon gewesen. Dann wurde er arbeitslos. Für ihn keine Option, denn: „Ich habe eine Frau und einen Sohn. Ich wollte meinem Kind auch zeigen, dass das Leben weitergeht.“ Deswegen bewarb Lindner sich quasi auf jede Stelle, die ihm vor die Nase kam. Bei der Stadt klappte es schließlich.
Rund 10.000 Mal strecke er die Zange am Tag nach Müll am Boden aus, schätzt er. 30 Kilometer laufe er an einem Arbeitstag. So gut wie alles fände er dabei. Rollerkennzeichen und einen Computer habe er schon gefunden. Auch Dinge wie Geldbörsen oder auch Stichwaffen gibt er dann beim Fundbüro ab. Bei einer kleinen Sache streicht Linder die Segel. Die Zigarettenstummel, die überall fallen gelassen werden, sind einfach zu viele. „Ich habe einmal gezählt. Allein an der Straße am Schlossplatz entlang und nur auf der Seite, wo die Bäume stehen und auch nur bis zu dem Kreisverkehr, habe ich 480 Zigaretten eingesammelt. Das ist endlos.“ Dann wird Lindner philosophisch. Die Menschheit habe ein Problem: die Wegwerfgesellschaft. „Früher habe ich gar nicht so darüber nachgedacht, aber wenn man sieht, wie viel das ist, und vieles in den Meeren landet, oder die Vögel ihre Nester damit bauen, kommt man schon ans Nachdenken.“
Auch interessant: In den zwei Jahren hat Lindner nur vier Spritzen gefunden. Im Vergleich zu den umliegenden Städten sind das extrem wenig Drogenutensilien, die gefunden worden sind. Häufiger fände man Tütchen, die typischerweise für die Aufbewahrung von Marihuana genutzt werden.
Lindner ist mit der Zeit mit der Innenstadt zusammengewachsen. Besonders die Menschen, die auf der Straße sitzen, sind ihm ans Herz gewachsen – eben weil er selber schon in der Krise gehangen habe. Außerdem habe er dann während seinen Touren jemanden, mit dem man ein paar Worte wechseln kann. Dabei ist es gegenseitige Fürsorge zwischen den Menschen, die auf den Decken in der Fußgängerzone sitzen, und dem Kehrmännchen. Lindner hatte letzte Woche Urlaub. „Wenn er diese Woche nicht aufgetaucht wäre, hätte ich angerufen“, sagte eine junge Frau. Sie hatte sich schon Sorgen gemacht. Gleichzeitig ist das Kehrmännchen manchmal der Kummerkasten und lauscht den Lebensgeschichten. Manchmal, so Linder, sei er allerdings auch ein Störfaktor. „Wenn Leute alles dreckig machen, und ich sie darauf aufmerksam mache, bin ich nicht erwünscht.“ Gerade wenn der Gesprächspartner alkoholisiert ist, wird das gefährlich. Aber Lindner ist nicht allein. „Die Polizei hat schon gesagt, dass ich nur anzurufen brauche, und sie kämen sofort. Außerdem habe ich auch noch meine Kollegen von der Stadt.“
Auch mit der Frau von der Pommesbude oder mit dem Ladenbesitzer tauscht man ein lautes „Hallo“ quer über die Straße aus. Man kennt sich, man grüßt sich und fragt kurz nach, wie es geht. Der Großteil der Menschen lässt Lindner entweder in Ruhe oder spricht ihm teilweise sogar ihre Freude über die sauberen Straßen aus. Es gibt aber auch immer wieder Passanten, die fies zu dem Kehrmännchen sind. Einmal habe ein Mann Lindner Müll vor die Füße geschmissen und ihn aufgefordert, sauber zu machen. „Weil er ja Steuern zahle und deswegen auch dafür bezahlen würde, dass jemand seinen Dreck wegmacht. Ich zahle auch Steuern“, sagt Linder. „Ich habe ihm dann die Zange in die Hand gedrückt und ihm gesagt, dass er jetzt entweder den Müll selber wieder aufhebt oder ein Problem hat. Er hat den Müll aufgehoben.“