Unauffällig. Das ist ein Adjektiv, das einem bei Soleil Ndongala grundsätzlich nicht einfallen würde. Dabei wäre er es nach eigenem Bekunden so gerne. „Ich mag es nicht, auffällig zu sein. Aber aufgrund meines Aussehens habe ich da keine Chance“, sagt der 37-Jährige grinsend, der als Vierjähriger aus dem Kongo nach Jülich kam. „Ich bin halt ein großer schwarzer Mann mit Dreadlocks.“ Mit einem Maß von über 1,83 Metern lichter Höhe – inklusive aufgetürmtem Dutt an Dreadlocks vermutlich eher 2 Meter – und satten 100 Kilo Lebendgewicht kommt man an ihm nicht so leicht vorbei. Dabei ist der Name Programm: Soleil ist französisch und bedeutet die Sonne. Die geht eindeutig auf, wenn der Namensträger sein mitreißendes Lachen zum Einsatz bringt. Wenn man ihn nicht übersehen kann, soll man ihn sehen – so ist es vielleicht zu verstehen. Denn wer sich auf Bühnen stellt, bleibt nicht unauffällig oder unentdeckt. Und das tut Soleil Ndongala wieder am 17. Mai im Schulzentrum, wenn er in Jülich zum zweiten Mal Comedians in der Veranstaltung „Stadtgesichter“ präsentiert.
Von Hause aus ist der Jülicher Veranstaltungskaufmann. Gerne wäre Soleil – der im Buchenweg zum Kindergarten ging, an der Promenade zur Grundschule gegangen ist und sein Abitur auf der Gesamtschule Niederzier-Merzenich absolvierte – in seiner Heimatstadt geblieben. „Ich hatte eine mega schöne Kindheit“, schwärmt der 37-Jährige rückblickend von „seinem“ Selgersdorf. „ Wir sind von der Schule gekommen, Tornister in die Ecke, vielleicht noch was gegessen, und dann waren wir draußen zum Spielen verabredet. Irgendwann haben wir auch vergessen, Hausaufgaben zu machen. Wir hatten Abenteuer! Wir haben wirklich das Dorf noch erkundet, uns zum Fußball verabredet und einfach Spaß gehabt.“ Aber im Jülicher Land gab es eben nach dem Abschluss der Höheren Handelsschule am Berufskolleg keine Ausbildungsmöglichkeit.
Also: auf nach Köln, der Medienstadt. „Das war wie ein Kulturschock“, beschreibt er es. Zum einen weil er plötzlich kein „Exot“ mehr war, wie er sagt, aber auch weil die Bahn auch noch nach 22 Uhr fuhr, die Geschäfte lange aufblieben und gefühlt in der Stadt immer was los war. „Für mich war es so: Wow! Wo bin ich hier gelandet?“ In einer WG in Ehrenfeld fand er seine erste Bleibe als Mitbewohner eines Schauspielers und Dortmund-Fans. Eine Herausforderung für den eingefleischten Bayern-Anhänger. Aber auch hier bestätigte sich die Erkenntnis aus Kindertagen: Fußball verbindet.
Wichtig war für Soleil, auf eigenen Füßen zu stehen. Zwar hätten die Eltern ihm die Kaution für die Wohnung bezahlt, aber er war eisern: „Ich bin aus meinem Elternhaus ausgezogen. Ich will das alleine schaffen.“ Und auch dann, wenn das hieß, neben der Ausbildung noch in einem Modeladen zu jobben. „Learning“ nennt er das. Samstags auf der Schildergasse „da war die Hölle los!“ So habe er gelernt, zu kommunizieren und auf verschiedene Menschen und Bedürfnisse einzugehen.
Unter der Woche stand ganz anderes auf dem Tagesplan. Bei der Agentur Area Entertainment galt es, Musiker oder Bands zu „signen“, also unter Vertrag zu nehmen, sie aufzubauen, um sie dann großen „Major Labels schmackhaft zu machen“, erklärt Soleil. „Da war ich der Ansprechpartner.“ In Köln, Berlin, Hamburg, München wurden dazu „Rock Battles“ veranstaltet und drei Gewinner schließlich zum Finale nach München eingeladen. Lachend erzählt er, dass ihn seine Mitbewohnerin nach der Ausbildung als Casting-Redakteur empfohlen hätte. Er sei aber in Unkenntnis, was das bedeutet, in jugendlichem Leichtsinn sehr „lässig“ zum Vorstellungsgespräch erschienen: „Mit kurzer Hose, Flipflops und meinem Hut – so bin ich zum Vorstellungsgespräch gegangen. Was ich heute nie machen würde!“ Aber offenbar war er überzeugend. Am gleichen Tag bekam er die Zusage und war von da an in der TV-Welt zu Hause. „Ich habe sehr viele Leute gecastet für verschiedene TV-Shows“, erzählt er. Sein Highlight: Drei Monate auf Ibiza und Rimini, wo er Leute überzeugen sollte, an einer Show bei RTL2 teilzunehmen – und Erfolg hatte. Irgendwann entwuchs er aber dem „Partyleben“, und als aus München das Angebot von Constantin Entertainment kam, war das der „Jackpot“. Soleil strahlt noch immer. „München war mein Game Changer – als Mensch, aber auch beruflich. Ich wusste, ich will kulturelle Veranstaltungen machen.“
Der Liebe wegen kam er schließlich wieder ins Jülicher Land. Beruflich lebte er sich in Köln aus, wollte aber gerne „in der Heimat“ etwas machen. „Wenn ich erfolgreiche Veranstaltungen in München machen kann, einer Großstadt, in der Du es als Dunkelhäutiger schwer hast, dann mache ich das in Jülich doch mit Links. Die kennen mich ja.“ So einfach war es dann doch nicht, wie er feststellen musste. Es war ein hartes Brot und steiniger Weg, aber inzwischen ist er in Jülich angekommen. Als Mensch sowieso, aber auch als Veranstaltungskaufmann.