Von jetzt auf gleich war Schluss mit lustig. Viele Jahre hat Sergio Nascimento in der Medienbranche gearbeitet. Bis in der Kölner Werbeagentur plötzlich das Licht ausging und der 27-Jährige zum ersten Mal in seinem Leben ohne Arbeit dastand. „Um dein Kind zu ernähren, musst du etwas machen“, dachte sich der junge Vater, als er eine Bewerbung an ein Bestattungsinstitut auf eine Annonce schickte, die er in der Zeitung gesehen hatte. Vorübergehend als Basis für die weitere Jobsuche. Gestorben wird schließlich immer, dachte er sich im Jahr 2004. Es kam im Leben – wie so oft – anders als gedacht. Zum Glück, sagt der Bestatter heute.
Aus der Gelegenheit und vermeintlichen Zwischenstation erwuchs schnell eine Leidenschaft zum Beruf. Sergio Nascimento ist heute 48 Jahre alt, verheiratet, hat zwei Kinder und arbeitet mittlerweile als Regionalmanager bei der ASV-Deutschland-Gruppe, zu der auch der Jülicher Bestatter Chorus-Classen gehört. Er hat sich nie mehr nach einer Alternative umgeschaut. „Ich habe den Beruf des Bestatters lieben gelernt“, sagt Nascimento, der als Quereinsteiger zunächst Fort- und Weiterbildungen belegte und sich dann zum Bürokommunikationsfachwirt für das Bestatterhandwerk ausbilden ließ und mittlerweile im Management tätig ist. Nach wie vor stehe der Beruf auch Quereinsteigern offen, die vom Umgang mit Verstorbenen über Hygiene und Einbalsamierung bis zur Gestaltung einer Trauerfeier alles erlernen können und im Idealfall Schritt für Schritt von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen begleitet werden.
Es mag vielleicht auf den ersten Blick schräg klingen, sich in einen Beruf zu verlieben, der für die meisten Menschen vor allem mit Verlust, Tod und Trauer verbunden ist. „Es kann sehr belastend sein, Bestatter zu sein. Vor allem, wenn Kinder betroffen sind, fühlt man auch als Fremder stark mit und ist emotional angefasst“, räumt der Familienmensch ein. Und dennoch: Sergio Nascimento möchte vor allem Angehörige dabei unterstützen, würdevoll Abschied von einem verlorenen Menschen zu nehmen. Daraus schöpfe er Kraft. Das sei sein Antrieb, sein eigener Anspruch an die Arbeit. „Ein Bestatter ist kein Verkäufer. Wer den Beruf ernst nimmt, bringt viel Empathie mit, nimmt sich Zeit für die Menschen und kann sich in sie hineinversetzen“, sagt er.
Bestatter, sagt der 48-Jährige, sind Dienstleister. Wobei für viele Kunden die eigentliche Dienstleistung eher sekundär ist. „Entscheidend ist das Gefühl, das Kunden haben. Wenn wir unsere Arbeit gut gemacht haben, stimmt für die Kunden das Drumherum, fühlen sie sich gut aufgehoben und mit ihren Wünschen respektiert“, erklärt Nascimento. Bestatter verkaufen nicht nur einen Sarg oder eine Urne, kümmern sich um Überführungen und Beurkundungen, erledigen Abmeldungen bei Behörden und Versicherungen, betont er. Vielmehr seien sie je nach Bedarf und Situation auch ein wenig Trauerbegleiter, Psychologen, Friedhofsmitarbeiter, Floristen und Drucker, die sich um Traueranzeigen und Karten kümmern. Nur eines könne und dürfe ein Bestatter niemals sein: Rechtsberater.
Dass auch zwischenmenschliches Fingerspitzengefühl hilfreich sein kann, zeige sich bei manchen Gesprächen mit Hinterbliebenen. Meist dann, wenn sich zu Lebzeiten nie darüber unterhalten wurde, wie der oder die Verstorbene eigentlich gerne bestattet werden möchte. „In Deutschland ist das Thema Tod nach wie vor ein Tabuthema. Wenn zu Lebzeiten darüber geredet wird, kann eine Familie freier entscheiden“, weiß der Bestatter. „Ich kann Menschen die Möglichkeiten aufzeigen und sie angesichts ihrer Wünsche und Vorstellungen beraten, aber niemals die Entscheidung abnehmen“, sagt er. Sein Rat: Schon zu Lebzeiten vorsorgen, viele Details klären, seinen Willen erklären – und somit auch die Familie, die ohnehin im Ernstfall in einer Ausnahmesituation ist, emotional zu entlasten. Die Zahl der Menschen, die zu Lebzeiten selbst die Rahmenbedingungen der Bestattung regeln und diese auch finanziell absichern, steige zwar, sei aber nach wie vor eher die Minderheit.
Seinem Beruf verdankt Sergio Nascimento auch eine ganz andere, bewusstere Sicht auf das eigene Leben, bilanziert er. „Genieße jeden Tag. Es könnte immer der letzte Tag sein. Wir alle planen immer viele schöne Unternehmungen, doch leider ist das Leben oft schneller zu Ende. Der Tod nimmt keine Rücksicht auf die Planungen“, sagt er. Während er auf der Arbeit auch nachts und am Wochenende erreichbar ist, versucht er, in einer Freizeit möglichst viel Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen: Urlaube, Kurztrips, viele Unternehmungen und der FC Köln. „Das sind alles sehr lebensbejahende Dinge“, sagt der Bestatter. Und wenn trotzdem mal wieder Schluss mit lustig sein sollte und dunkle Wolken in den Gedanken aufziehen? Dann setzt sich Sergio Nascimento ins Auto, dreht die Musik auf und schaltet die Gedanken beim Cruisen einfach ab. Carpe diem.