Vor circa 2000 Jahren, als man einen Herrn Jesus daran nagelte? Eine Auszeichnung! Denn die meisten wurden „nur“ daran gebunden, was ihr Leiden zum Tode ohne Blutverlust verlängerte: langsame Austrocknung verbunden mit schmerzhaftester Muskelverkrampfung. Was das Quälen des Mitmenschen angeht, war man schon immer äußerst kreativ. Und die Begeisterung daran scheint nicht nachzulassen. Was an „Filmchen“ diesbezüglich im Internet verfügbar ist und ausgetauscht wird – mir reicht das Minimum, das mir von spätestens danach widerwärtigen Kollegen stolz („Kuckma, sowas haste noch nich gesehn!“) gelegentlich präsentiert wird… Bah, das war jetzt ein äußerst heftiger und unschöner Einstieg ins Thema. Immerhin wurde wahrscheinlich zunächst auch wegen dieses „Golgatha-Events“ eine im Kern und prinzipiell friedliche Weltanschauung verbreitet, deren Erkennungszeichen untereinander allerdings zunächst nicht das Kreuz, sondern der Fisch war. Aus diesem Glauben wurde erst später eine Religion gemacht, als die „Herren“ das Potential erkannten, und nicht nur Saulus zum Paulus mutierte. Zügig wurden die Frauen, Bekennerinnen der ersten Stunde, wieder in die hinterste Reihe gedrückt, und fest in Männerhand dauerte es (historisch gesehen) nicht mehr allzu lange, bis das Kreuz nicht nur zum Vorwand der Mission genommen wurde, sondern zum konkreten Anlass, es den „Ungläubigen“ in den Schädel zu hauen. „Gott will es!“, behaupteten seine selbsternannten Vertreter: „Bringt sie ruhig alle um – der Herr wird die Seinen schon erkennen!“ Und alle Chancenlosen, Zu-kurz-Gekommenen, Verblendeten zogen angeführt von ebensolchen in den Heiligen Krieg, all inclusive: Vergebung der Sünden – insbesondere der auf dieser Abkürzung ins Himmelreich begangenen. So war das. Unglaublich, dass dergleichen heute noch möglich IS! Tja, Gott ist groß – aber leider nicht in den Menschen. Jedenfalls nicht in denen, die seiner Gnade nicht wenigstens vernunftbedingt teilhaftig sind. Die sind so erbärmlich, dass selbst dem wirklich an Nächstenliebe Gläubigen das Erbarmen schwerfällt. Glaube(n) muss und darf erst da anfangen, wo man nicht wissen kann. Mein Credo / Scio, mindestens so alt wie Sokrates.
Früher Kreuzzüge – heute Kreuzfahrten… Welch gewaltsamer thematischer Übergang ! Das hat doch rein gar nichts miteinander zu tun! Doch, mit ein bisschen schlechtem Willen und pseudosatirischem Vorwand formuliere ich es einfach mal so: Da fallen Horden aus fremden Ländern in die Welt der Eingeborenen ein und hinterlassen in kürzester Zeit außer ein bisschen Geld nur Probleme: Müll, verstopfte Straßen, Ent- und Versorgungsengpässe – vom Dreck, den ihre Luxusdampfer in die Luft nicht nur der heimgesuchten Örtlichkeiten ablassen, ganz zu schweigen. Das ist natürlich nicht so direkt und unmittelbar tödlich wie die damalige Eroberung Jerusalems… Doch selbst Einwohner einer von derartigem Tourismus lebenden Stadt sind mittlerweile so erkenntnisfähig, nicht mehr nur das Einkommen zu bejubeln, sondern auch die Kosten zu bemerken. Der dank Corona eingetretene touristische Re-Import konfrontiert jetzt auch einheimische Örtlichkeiten mit den Schattenseiten hemmungsloser Urlaubsbedürftigkeit. Und da Urlaub Frei-Zeit ist, glauben etliche, auch frei zu sein von den derzeit notwendigen Regeln, an die sie sich ansonsten immerhin einigermaßen halten. Und frei von Vernunft und Rücksicht. Covid-19 ist bedauerlicherweise auch nicht intelligent, sondern „nur“ ein Virus, dem jeder recht ist, sonst würde es sich ja vielleicht auf die konzentrieren, die ihm in ihrer unverständigen Unbedarftheit freien Eintritt gewähren.
Leider lässt sich nicht alles Übel als auf Dummheit oder Unwissenheit begründet erklären. Nie hatten wir mehr Möglichkeiten, nicht dumm / unwissend zu sein – oder wenigstens nicht bleiben zu müssen. Und da kommt das zeitgemäße Kreuz: Man macht sich schnell per Internet schlau und ist drei Tage später so doof wie vorher. Wie war das noch mit dem Schrankaufbauen? Egal, nochmal ins Internet, kostet ja nix. Und wenn man das Gegoogelte dann unkenntnisreich umsetzt, funktioniert es nicht. Ein Video ist nur der verkürzte Idealfall, die Erfahrung zeigt anderes. Rosamunde Pilcher für Heimwerker: schöne Bilder, nette Texte und alles findet sich… Outsourcing mit höchster Erwartungshaltung. Warum kann das Kind immer noch nicht klettern, obwohl es die diesbezüglichen juutjuub-Anweisungen schneller findet als seine Eltern? A: weil es keinen Baum hat. B: weil der Baum sowieso unter ihm zusammenbrechen würde. C: weil seine Eltern es lieber „gefahrlos“ vor dem PC wissen. Multiple Choice. Bitte kreuzen Sie an, bei drei richtigen Kreuzen entscheidet das Los. Kletterfähige, kinderlose, normalgewichtige Baumbesitzer sind von der Teilnahme ausgeschlossen.
Ich hoffe, Sie können sich ob meines Sarkasmusses ein unbeteiligtes Grinsen abringen – denn es kommt noch schlimmer… Die nächsten Kreuze stehen an: Das Wahlrecht nimmt Sie in seine unverbindliche Pflicht. Schon wieder Multiple Choice, aber leider ohne die richtige Antwort, mit langwierigem Gesuche und viel sich als Information tarnendem Geschwätz verbunden. Nur – wissen Sie was Besseres, was wir nicht schon hatten, ohne dass es zu Besserem geführt hätte? Da verdampft auch mein Sarkasmus von wegen: Ich habe meine Stimme abgegeben – nu isse weg, und das in der Urne… Neenee, ich werde mein Kreuz machen, allein schon wegen denen und gegen die, die mich kreuzweise können.