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Jens Dummer

Er ist ein Freund der klaren Linie - ganz gleich, ob mit Pinsel, spitzer Feder, Hammer oder Kelle.

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Jens Dummer. Foto: la mechky plus
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„Für Schwarz-Weiß war ich noch nie“, sagt Jens Dummer im Brustton der Überzeugung. „Grau klingt langweilig, eintönig – aber die Grautöne machen es.“ Das kann sich sein Gegenüber gar nicht vorstellen: Der gebürtige Hamburger mit familiären Wurzeln in Selgersdorf ist nicht nur als Künstler bekannt für seine Zeichnungen, sondern als Schreibender mit spitzer Feder – niedergelegte Worte schwarz auf weiß – durchaus auch schon mal ein Polarisierer. Er ist ein Bekenner des klaren Wortes, der keine Scheu hat, sich angreifbar zu machen: „Ich treffe lieber mal eine heftige Falschaussage, als dass ich ,rum-eiere‘. Ich habe aber auch kein Problem damit, etwas zurückzunehmen, wenn klare und vernünftige Gegenargumente kommen.“ Die müssen fundiert sein.

Wer sich auf das Terrain eines Schlagabtausches begibt, sollte gut vorbereitet sein. Jens Dummer ist ausgesprochen belesen. Wer ihn auf seinem Hof besucht, wo er in Wohngemeinschaft mit Menschen, Hühnern und viel Natur lebt – dafür ohne soziale Medien und Handy mit minimalem Fernsehkonsum, – der sieht vor allem zweierlei: Kunst an den Wänden und Bücher in Regalen, auf Tischen, als „Unterlage“ für Kerzen und auch in den sanitären Räumen stapeln sich die Druckwerke vom „Mediziner-Witz“ bis zum Nachschlagewerk von Redewendungen. Zu vorgerückter Stunde beim knisterndem Kamin kommt man dann auch schon mal in den Genuss einer privaten Lesung aus Werken seiner Lieblingsautoren, die er in Griffweite aufhebt.

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Dabei waren dem Sohn eines Seemanns, der auf der legendären „Pamir “ angeheuert hatte und zu den sechs Überlebenden gehörte, als das Schiff in einem Hurrikan 1957 sank, Kunst und Literatur nicht eben in die Wiege gelegt. Es sollte ein langer Weg von der Geburtsstadt Hamburg über Konstanz und Mannheim bis nach Bonn führen, ehe sich Mut und Gelegenheit fanden, die Kultur als Lebensaufgabe anzunehmen. Jens Dummer ist kein Frühberufener. „Ich weiß nicht, ob ich der geborene oder gefundene Zeichner bin“, sagt er über sich selbst. Als Jugendlicher im katholischen Gymnasium nutze er zwar gerne das Angebot des außerschulischen Zeichenkurses, aber zu der Zeit hatte es ihm auch die Musik angetan: Er spielte in zwei Bands. Schlagzeug und Gitarre waren seine Instrumente, die er inzwischen vollständige aufgegeben hat. Lediglich zur Mundharmonika greift er bei Gelegenheit immer noch gern und spielt dann – wer hätte es gedacht…? Blues natürlich.

Aber so richtig wusste der frischgebackene Abiturient mit seinen Talenten nichts anzufangen und ging erst mal als „Zett Zwo“ – Zeitsoldat für zwei Jahre – zur Bundeswehr „weil es mehr Geld gab und eine Abfindung dazu“, meint Jens Dummer pragmatisch. Allerdings habe diese Zeit sein eh schon wenig positives Menschenbild nicht verbessert, räumt er ein.

Mit etwas Geld auf dem Konto und doch noch immer etwas auf Sicherheit gepolt, entschied er sich für das Kunstgeschichtsstudium in Bonn. Hier habe er wenig studiert, dafür aber die Bibliothek mit dem „großartigen Blick auf den Hofgarten“ intensiv genutzt und „alles aufgesogen wie ein Schwamm“. So gerüstet fiel die Entscheidung: Jetzt wird Kunst gemacht. Zweimal bewarb Jens Dummer sich an der Kunstakademie Düsseldorf – zweimal wurde er abgelehnt.

Als Jens Dummer zum zweiten Mal abgelehnt wurde, machte er sich höchstselbst auf den Weg in die Landeshauptstadt, um bei der Akademie vorzusprechen. Er wollte die schnöde Absage nicht ohne Grund akzeptieren. Wenig freundlich war die Aufnahme im Sekretariat, wo man ihm beschied, dass er abgelehnt sei und damit basta – also in der gekürzten Version. Das ließ der so Zurückgewiesene nicht gelten: Wen er denn sprechen müsste, der ihm das „Warum“ erklären könne. Naja… der Professor. Ja, dann wolle er ihn sprechen. Nein, das gehe nicht, er sei schließlich abgelehnt… Mit der Zusicherung, das Gebäude nicht eher zu verlassen, als er einen Grund für seine Ablehnung erfahren habe, reichte man Jens Dummer schließlich ein Schriftstück. Es war weniger ein Qualitätskatalog denn ein Beliebigkeitsbogen. Nicht einsichtig, sondern weitersichtig überzeugt als Lernenwollender, durchstöberte Jens Dummer das Vorlesungsverzeichnis, suchte Kurse heraus und besuchte sie fortan zwar auch ohne offiziellen Aufnahmestatus. Nach drei Monaten „outete“ sich der Kunststudent gegenüber einem Professor, dass er ja gar nicht eingeschrieben sei. „Sie waren bis jetzt immer in meinem Seminar“, soll jener gesagt haben und dann könne das auch so bleiben.

Und so kann man auch Meisterschüler von Anatol Herzfeld werden. Weil es die Haltung macht und die Hartnäckigkeit macht. Dicht an dicht, Ellbogen an Ellbogen, Zeichenbrett an Zeichenbrett hätten sich die Kunstbeflissenen in Anatols Kurs „Menschenzeichnen“ getummelt. „Er sagte ,Menschenzeichnen‘ und nicht Aktzeichnen“, erinnert sich ein breit grinsender Meisterschüler. Anschließend traf man sich in einer benachbarten Kneipe zum Austausch – und dort traf der Student das Aktmodell, wurde dem Ehegatten des Modells vorgestellt und schließlich – weil sie zu einem Freundeskreis gehörten – auch seinem Lehrmeister Anatol Herzfeld. So wundersame Wege kann Kunst gehen.

Und anders als beim Militär gab ihm diese Zeit das Vertrauen in die Menschen. „Wir hatten alle nicht viel“, erzählt der heute 64-Jährige, „aber wenn einer ein Bild verkauft hatte, haben wir gemeinsam den Gewinn auf den Kopf gehauen.“ Das klingt nach Studentenleben im besten Sinne.

Seine Eltern, und das hält Jens Dummer in Ehren, hätten ihn immer in seinem Weg unterstützt – aber auch wegen der Ernsthaftigkeit des Lernen-Wollens: „Wenn Du nur so ein bisschen pinselst“, habe sein Vater gesagt, dann wäre es nix mit der Unterstützung, wo bei es nicht nur um pekuniäre Hilfe ging. Dieses Credo hat Jens Dummer als Dozent an der an der Akademie für Bildende Kunst in NRW, Düren, weiter gelebt: „Ich halte mich nicht für den besten Didakten, aber es hat Spaß gemacht und sie haben was gelernt. Ernsthaftigkeit stand grundsätzlich im Vordergrund.“

Jens Dummer wird im kommenden Jahr 65 Jahre alt. Zeit, seinen künstlerischen Nachlass zu ordnen, findet er und hat sich mit dem Jülicher Museumsleiter ins Benehmen gesetzt. Marcell Perse, voll des Lobes für die Zeichenkunst, gibt nur so viel preis: Zum internationalen Museumstag 2023 wird nicht nur ein Dummer, sondern ganz viele Dummers an den Wänden im Süd-Ost-Turm der Zitadelle zu sehen sein.


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