Der Glaube an Hexen und Hexer war in der Bevölkerung der Frühen Neuzeit tief verwurzelt. Die theologischen und juristischen Grundlagen für eine Verfolgung durch die weltlichen Strafbehörden waren im Späten Mittelalter gelegt worden. Zu richtigen Verfolgungswellen kam es aber erst im Laufe des 16. Jahrhunderts mit einem Höhepunkt in den Jahrzehnten um 1600 als Folge größerer sozialer Spannungen, die wiederum durch die relative politische Instabilität und eine deutlich spürbare klimatische Verschlechterung in dieser Zeit hervorgerufen worden waren. Schwerpunkte der Hexenverfolgung im Rheinland bildeten die geistlichen Territorien Kurköln und Kurtrier, wobei es hier weniger die Vertreter der kirchlichen Obrigkeit als die lokalen Amtsträger waren, die auf Hexenjagd gingen. In den Herzogtümern Jülich-Kleve-Berg wirkte dagegen noch die kritische Haltung Herzog Wilhelms V. gegen den Hexenglauben nach, so dass es hier auch am Ende des Jahrhunderts nur zu einzelnen Hexenprozessen kam.
Eine wichtige Persönlichkeit in diesem Zusammenhang war Johann Weyer (1515–1588), der Leibarzt Herzog Wilhelms V. Er gilt als einer der Begründer der modernen Psychiatrie. Grundlage dieser Einschätzung bildet sein Buch »Über die Blendwerke der Dämonen«, das als eine erste bedeutende Schrift gegen die Hexenverfolgungen anzusehen ist. Er reagierte damit auf die Welle an Hexenverfolgungen von 1562 und 1563 in Südwestdeutschland. Eine erste, wenn auch bescheidenere Verfolgungswelle hatte es in Jülich-Berg und damit auch vor dem Haupt- und Kriminalgericht in Jülich um 1500 gegeben. In zahlreichen Fallbeispielen erläutert Weyer, dass die Buhlschaft mit dem Teufel nur eine Wahnvorstellung der Frauen und Männer sei, sie also keine wirklichen Hexen bzw. Hexer seien. Die Möglichkeit der Existenz von Hexen stellt er aber nicht grundsätzlich in Abrede. Weyer hatte, wie er selbst sagt, einen großen Einfluss auf den Herzog, der dafür sorgte, dass alle entsprechenden Verdachtsfälle gründlich untersucht wurden. Meist schalteten sich die herzoglichen Räte persönlich ein, und die Prozesse wurden in der Folge eingestellt.
Der Fall um die Jülicher Hausfrau Grete Bogen (um 1560–1606) ist in diesem Zusammenhang insoweit anders gelagert, als die durch das Haupt- und Kriminalgericht Jülich geführte Akte letztlich nicht zum Ziel hatte, eine Hexe (zeitgenössisch »Zaubersche«) zu enttarnen und zu verurteilen, sondern aufzuklären, warum diese für eine Hexe gehalten und in einem Akt der Selbstjustiz gelyncht worden war. Anhand der Zeugenaussagen lassen sich die Ereignisse grob rekonstruieren. Grete Bogen hatte am Abend des Pfingstsamstags 1606 das Haus des Schneidermeisters Adam Schneider in der heutigen Grünstraße betreten. Sie wollte ein Kleidungsstück abholen, um das es wenige Tage zuvor zum Streit zwischen ihr und dem Schneider gekommen war. Da der Schneidermeister nach dem Streit schwer erkrankt war, nahmen seine Familie und die Nachbarn an, er sei von Grete verzaubert worden. Inzwischen war schon das örtliche Gericht eingeschaltet worden, das eine Untersuchung angeordnet hatte. An diesem Samstagabend nun hatten sich in der Krankenstube Verwandte und Nachbarn versammelt, die Grete aufforderten, ihren Zauber von dem erkrankten Schneider zu nehmen. Als sich Grete weigerte, eskalierte die Situation: Ehefrau und Tochter schlugen auf sie ein, schließlich auch der Sohn des Schneiders.
Grete durchlitt nun eine längere Tortur, an deren Ende sie tot auf einen nahe gelegenen Misthaufen geworfen wurde. Als sie zwischendurch das Bewusstsein verloren hatte, meinte einer der Anwesenden: »Jetzt redet sie mit dem Teufel!«. Die Haupttäter, so sie denn für das Gericht greifbar waren, wurden mit relativ milden Strafen belegt. Interessant ist der Hinweis in den Zeugenaussagen auf einen Pastor von Neukirchen (wohl der heutige Ortsteil von Grevenbroich), der dazu geraten hatte, Grete Bogen, die er glaubte aus der Ferne und ohne Kenntnis ihrer Person als Hexe enttarnt zu haben, so lange mit einem Eichenstock zu verprügeln, bis sie den Zauber von dem Schneider wieder abnehme. Ein folgenschwerer Rat mit tödlichen Folgen für die Betroffene.
Der Hexenturm, das Rurtor, ist das Wahrzeichen von Jülich. Es ist das einzig erhaltene Stadttor der mittelalterlichen Stadtbefestigung und datiert in das erste Viertel des 14. Jahrhunderts. Das Tor überdauerte die Jahrhunderte, da es bis 1899 als Gefängnis gedient hat. Das erklärt auch den Namen „Turm“. 1746 ist erstmals die Bezeichnung „Hexenturm“ belegt, die sich aber erst im Laufe des 19. Jahrhunderts durchsetzte. Hier schwang sicher die romantisierende Vorstellung von zahlreichen Hexen mit, die in dem Turm einsaßen und gefoltert worden waren. Tatsächlich sind aber nur einzelne Hexereiprozesse vor dem Haupt- und Kriminalgericht Jülich in der Frühen Neuzeit belegt.