Dem Bäcker ist seine Passion in die Wiege gelegt worden. Außerdem ist das Backen ein „Familiending“. Regelmäßig gibt es Treffen bei den Eltern, bei denen im hauseigenen Holzofen gemeinsam gebacken wird. „Ich habe schon mit drei Jahren bei meiner Mutter auf der Küche gesessen und das Handrührgerät gehalten, war immer überall mit dabei und wollte auch immer mitagieren. Ich denke, dass das dann einfach mit dem Bäckerhandwerk ineinandergegriffen hat.“
Scheidepunkt seines Lebens sei ein Praktikum in der achten Klasse gewesen. „Das war echt klasse. Ich habe da drei Wochen mitgearbeitet und durfte mit der Genehmigung meiner Eltern auch nachts arbeiten kommen. Mitten in der Karnevalszeit haben wir viele Berliner gebacken. Der Chef war direkt Feuer und Flamme, und ich habe auch direkt nach dem Praktikum meinen Lehrvertrag bekommen.“ Auf Drängen der Eltern machte Abschlag zunächst allerdings die Schule fertig. Festgebissen hatte es sich trotzdem.
„Der Bäckerberuf ist eine Philosophie, die man auch leben muss“, sagt Abschlag. „Arbeiten mit Lebensmitteln kann nicht jeder, und wenn es dann regional ist, ist es noch viel schöner. Man bekommt schnell Feedback. Es duftet gut. Wenn die Brote dann auch noch gut schmecken und die Leute sagen: ‚Da hast du was Geiles kreiert…‘ Es ist einfach ein Genuss, eine Freude zu machen und sein tägliches Werk zu sehen“, sagt er weiter und grinst.
Nach Ausbildungsende machte der Bäcker nach einem halben Jahr am Internat der Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks in Olpe zwischen „vielen verrückten Menschen, die verrückt sind nach Backen“ im Sommer 2012 seinen Meister. Genug war ihm das nicht. 2020 setzte Abschlag seine Segel Richtung Bodensee. Hier wollte er sein Wissen rund um die Seelen- und Laugengebäcke erweitern. Seelengebäcke sind Weizengebäcke. Der fast flüssige Teig wird nach 24 Stunden in der Kühlung per Hand geschabt. Das Ergebnis ist ein saftiges Gebäck, das gleichzeitig crunchy ist. „Seit dem Abschluss meiner Lehre wollte ich in das Ausland, in die Alpen. Auch weil ich selbst so ein Ski-Fanatiker bin. Zunächst hat mir die Portion Mut gefehlt. Doch dann hat mir meine Frau gesagt, bevor das Thema Kind in den Raum kam: ‚Wenn du jetzt nicht gehst, kannst du nie wieder gehen.‘“ Mit der ersten Bewerbung kam der Anruf von Hannes Weber. Eigentlich wollte Abschlag nur ein halbes Jahr im Süden arbeiten, doch von Weber kam das Angebot, den Brotsommelier zu finanzieren, wenn Abschlag statt sechs zwölf Monate bliebe. Abschlag sagte zu.
„Das war das heftigste Jahr, das ich in meinem Leben erlebt habe. Der Brotsommelier beinhaltet 480 Lernstunden, und dabei noch komplett voll arbeiten mit einer Leitungsfunktion.“ Der Brotsommelier ist quasi der Doktortitel der Bäcker. Was Schmecken ist, wie Schmecken funktioniert, und wo die Aromen ihren Ursprung haben, ist beispielsweise Stoff der Lehrgänge. Abschlag erklärte beispielsweise zum Seelengebäck: „Die Seele hat einen milden, leicht malzigen Charakter, und der gekochte Schinken ist auch relativ mild, hat aber diesen tierischen Umami-Geschmack. Alles ergänzt sich, nichts sticht wirklich hervor, und das fruchtig-hopfige Bier mit den leichten Bitternoten bringt dann alles in einen Flow und macht alles so schmackhaft. Sowas lernst du beim Sommelier, Begeisterung zu entwickeln.“
Am 9. November des letzten Jahres erblickte die Tochter Abschlags das Licht der Welt. Am 18. November machte der frischgebackene Vater seinen Sommelier. Jeder angehende Brotsommelier muss, um den Abschluss zu erlangen, neues Wissen des Bäckerhandwerks generieren. In seiner Projekt-
arbeit erforschte Abschlag den Ersatz des Sauerteigs mit einer Fruchtsäure. „Es ist vorher noch keinem anderen gelungen, ein Roggenbrot darüber zu versäuern. Das war das Erste, was geklappt hat. Aber dann war mein Anreiz, dass es auch noch geil schmeckt.“ Durch eine lange Teigführung, der Zugabe von Walnüssen und einigen weiteren Geheimnissen gelang Abschlag sein eigenes Brot. Der Brotsommelier kann es kaum erwarten. Er steht kurz davor, seinen Traum zu verwirklichen und sich selbstständig zu machen. Mehr wird noch nicht verraten.