Weiter so! Das war die Devise. So hat Doris Bataille es gelernt. Wer rastet, der rostet – und wer feiern kann, der kann auch arbeiten. Wir alle sind von alten Glaubenssätzen geprägt, besonders dann, wenn es um Leistung im Beruf geht, der „richtigen“ Einstellung zu Arbeit. Glaubenssätze, die älter sind als das Konzept „Work-Life-Balance“. Jahrelang hat ihr Körper Warnsignale ausgesendet. Doris Bataille hat diese Signale nicht ignoriert – sie konnte sie schlichtweg nicht als das erkennen, was sie waren. Erschöpfung, Schweißausbrüche auch ohne körperliche Anstrengung, unruhige Nächte, ein dauerhaft geschwächtes Immunsystem.
„Nach dem Tod meines Vaters bin ich 2018 in einen Burn-out gerutscht“, berichtet Doris Bataille. Aus heutiger Sicht weiß sie: Dieser Schicksalsschlag war offenbar der sprichwörtliche „letzte Tropfen“, der das Fass zum Überlaufen brachte. Plötzlich ging nichts mehr. Der Körper versagte die Leistung, klare Gedanken waren nur schwer zu fassen. Eine Katastrophe?
Doris Bataille sieht es anders: „Mir hat sich eine neue Welt eröffnet. Ich habe seitdem einen ganz anderen Blick auf viele Dinge.“ Weiter so? Auf keinen Fall. Heiter weiter? Gerne! Den Burnout begreift die 60-Jährige als Chance. Eine Chance, die auch andere Menschen ergreifen können. Mit einem durchaus kritischen, selbstbestimmten Blick auf das eigene Tun und die Grenzen des Machbaren. Die Idee, anderen Menschen als Coach zur Seite zu stehen, reifte zum Ende der eigenen Therapie. „Ich war offen für den Ansatz, bin den Weg mitgegangen. Jeder Mensch hat seine Kisten mit alten nicht aufgearbeiteten Themen, die gut verpackt irgendwo stehen“, blickt die Jülicherin ganz offen auf den Klinikaufenthalt und den Weg zurück ins Berufsleben zurück. Dieses geschützte Umfeld ermöglichte zum einen Abstand zum Alltag, eine wichtige Auszeit in dieser Phase – und den geeigneten Rahmen, einige Kisten bewusst wieder zu öffnen und sich mit dem womöglich lange verdrängten Inhalt auseinanderzusetzen.
Nach ihrer Therapie absolvierte sie eine Ausbildung zum Systemischen Coach, als persönliche Weiterbildung gedacht. „Auch wenn es komisch klingen mag: In dieser Zeit hat das Coaching mich gefunden“, sagt sie. Im Anschluss sattelte sie eine Inner-Balance-Coach-Ausbildung auf und machte sich nebenberuflich selbstständig. Aus dem von ihren Eltern geführten Autohaus hatte sie sich schon vor 20 Jahren verabschiedet, um für einen großen Automobilhersteller im IT-Außendienst zu arbeiten. Doch wie geht das? Heiter weiter – auch nach einem Burnout oder Krisensituationen? „Lass dein Licht leuchten“, ist das Motto von Doris Bataille. Zur Verbildlichung greift sie auf eine Muschel zurück, deren Schale geöffnet ist und den Blick auf eine leuchtende Perle freigibt.
„Das Leuchten steckt in jedem drin“, sagt sie. Übrigens auch die Lösung beziehungsweise der Weg dorthin. Wer glaubt, ein Coach händige nach einem ersten Gespräch einen 10-Punkte-Fahrplan zum Glück aus, der irrt. „Die Lösung kann nur jeder für sich selbst entwickeln. Ich stelle ‚nur‘ Fragen, ermögliche einen anderen Blickwinkel, rege zum Nachdenken an“, erklärt Doris Bataille. Ganz wichtig dabei: Lernen, Grenzen zu setzen, ohne automatisch ein schlechtes Gewissen zu haben. Lernen, die eigenen Ziele zu definieren und nicht den Erwartungen meist anderer gerecht werden zu wollen. Wo will man selbst in ein paar Jahren stehen? Was sind die wirklichen Bedürfnisse? Ihre Erfahrungen und Kenntnisse lässt sie auch in Form von 1:1-Coachings und Workshops in ihre Arbeit einfließen.
Heiter weiter – für Doris Bataille, die sich selbst als humorvollen und ur-optimistischen Menschen beschreibt, beginnt die Veränderung schon damit, sich an den kleinen Dingen im Leben zu freuen. „Wir können es nur in uns selbst ändern. Es sind unsere Gefühle, mit denen wir durch die Welt gehen.“ Zur Prävention von Burn-outs und zum Schutz vor einer gefühlten Überforderung durch die Ereignisse in der Welt empfiehlt sie, sich bewusst zu schützen. Wie viele Nachrichten nehme ich am Tag auf? Wie schütze ich mich vor Social Media? Wo gibt es Stille? Worauf habe ich eigentlich gerade wirklich Lust?
Die Stille, vor denen viele Angst haben, weil dann die Gefühle plötzlich wieder lauter werden, könne ein wertvoller Verbündeter sein, indem man die Gefühle zulässt, sich mit ihnen auseinandersetzt, die Komfortzone verlässt. „Auch negative Gefühle gehen wieder vorüber, so wie Freude auch vorübergeht“, sagt sie. Wer sich darauf einlässt, kann Stille durchaus genießen, sie als beruhigend wahrnehmen, die Gedanken zur Ruhe kommen lassen. „Wir finden das Glück nur in uns selbst“, sagt Doris Bataille. Es kommt nicht von außen. Weder Kommerz, Social Media noch Netflix bringen echtes Glück. Um das zu erkennen, bedarf es nicht immer einer Grenzerfahrung im Leben. Aber auch die Krise kann eine Chance sein.
Doris Bataille
Heiter weiter geht‘s nur mit neuem Blick oder das Scheitern als Chance.
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