Es ist nun 50 Jahre her, dass die Geschichte des Kreises Jülich endete. Mit dem 1. Januar 1972 ging der seit 1816 bestehende Landkreis Jülich in den Kreis Düren auf. Grund genug, um an eine Persönlichkeit zu erinnern, die wie keine andere die Zeit des Wiederaufbaus nach 1945 als (ehrenamtlicher) Jülicher Landrat geprägt hat: Wilhelm Johnen.
Geboren wurde Wilhelm Johnen am 19. Mai 1902 in Inden. Nach dem Abitur studierte er an den Universitäten Tübingen, Köln und Bonn. Sein erstes juristisches Staatsexamen legte er am Oberlandesgericht Köln ab. Die zweite Staatsprüfung erfolgte schließlich nach einem dreijährigen Referendariat im Juli 1930 vor dem Justizministerium in Berlin. Nach kurzer Tätigkeit als Hilfsrichter beim Amtsgericht Jülich war er von 1931 bis 1945 Rechtsanwalt beim Amtsgericht Jülich und Landgericht Aachen. Der Katholik und Zentrumspolitiker Johnen geriet nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 rasch in Konflikt mit den neuen Machthabern, die auch sein Wirken in der traditionsreichen Jülicher Armbrustschützenbruderschaft kritisch beäugten. Diese musste 1938 ihre Aktivitäten vor allem wegen ihrer Nähe zur katholischen Kirche dann auch einstellen. Er hatte großes Glück, dass er weiterhin seinem Beruf als Rechtsanwalt nachgehen konnte.
Mit dem Ende der NS-Diktatur eröffneten sich für Johnen völlig neue Perspektiven. Die britische Militärbesatzung erkannte in ihm einen unbelasteten und fähigen Juristen, der für den Wiederaufbau demokratischer Strukturen in Jülich wie gerufen erschien. Johnen, der 1945 zum Notar berufen wurde, übernahm das Amt des Landrats des Kreises Jülich und trat 1945 in die CDU ein, deren Jülicher Ortsverband er mitgründete. 1946 zog er in den nordrhein-westfälischen Landtag ein, wo er 1950 den Vorsitz der CDU-Fraktion übernahm. Zudem wurde er Vorsitzender des Landesverbands Rheinland der CDU. Aus dieser vernetzten Position heraus konnte er für Jülich, das nach der nahezu vollständigen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg vor der großen Herausforderung des Wiederaufbaus stand, bedeutsame Infrastrukturprojekte an Land ziehen. Hier ist vor allem die Sendeanlage der Deutschen Welle zu nennen, die mit ihren charakteristischen Antennenmasten über Jahrzehnte die Fernwirkung der Stadt prägten. Johnen, dem man eine gewisse Schlitzohrigkeit nachsagte, hatte mit dieser Ansiedlung Mitte der 1950er Jahre zudem verhindert, dass ein geplanter Militärflughafen nach Jülich kam, der dann stattdessen in Nörvenich realisiert wurde. 1956 fiel die Entscheidung zur Ansiedlung der Kernforschungsanlage (heute Forschungszentrum) im Staatsforst bei Jülich, die Johnen ebenfalls im Rahmen seiner Möglichkeiten beeinflusst hatte.
Johnens landespolitische Karriere erhielt 1958 einen herben Dämpfer, als er in einer Kampfabstimmung um das Amt des Ministerpräsidenten innerhalb der CDU-Fraktion mehr als deutlich gegen Dr. Franz Meyers und zwei weitere Kandidaten unterlag. 1959 wurde er zum Präsidenten des nordrhein-westfälischen Landtags gewählt, was man auch als eine Art Trostpflaster verstehen konnte. 1962 wurde Johnen die Ehrenbürgerwürde der Stadt Jülich verliehen, und wohl in diesem Kontext wurde er zum ersten Mal als „Herzog von Jülich“ tituliert, was in der Folge breit in Presse und Öffentlichkeit aufgegriffen wurde. Passend war auch der Vorname Johnens, war doch Wilhelm über Jahrhunderte der Leitname im Jülicher Herrschergeschlecht, was in der Person Wilhelms V. im 16. Jahrhundert kulminierte. Diesen hatte man später als „den Reichen“ tituliert, und ihm verdankte Jülich den Ausbau zur idealen Stadt-, Residenz- und Festungsanlage der Renaissance.
1966 endete Johnens landespolitische Karriere. Landrat des Kreises Jülich blieb er aber bis zu dessen Auflösung zum 1.1.1972. Noch zu Lebzeiten benannte man 1977 in Jülich eine Straße nach ihm. Johnen war auch immer historisch interessiert gewesen und so gehörte er neben dem Jülicher Stadtdirektor Heinrich Casson zu den Initiatoren der Wiedergründung des Jülicher Geschichtsvereins im Jahr 1957. 1969 begann er mit der Herausgabe der Schriftenreihe „Alte Familien des Jülicher Landes“, von der er bis 1978 15 Bände verfasste. Am 28. März 1980 verstarb Wilhelm Johnen.
Sein umfangreicher Nachlass befindet sich im Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland, in Duisburg und harrt darauf, wissenschaftlich aufgearbeitet zu werden. Die „schillernde Persönlichkeit“ Johnen hätte es mehr als verdient.