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Brücke

…kann ich leicht-athletisch nicht mehr machen – nicht weil ich zu schwer wäre, ich bin einfach zu alt. Doch auch als ich noch jung war, ging mir der Sinn derartig unnatürlicher körperlichen Übungen nicht ein, sondern gänzlich ab. Von zahnärztlichen Bezugnahmen (…über sieben Brücken musst du geh´n, äh, abrechnen) wurde mir abgeraten – wie also diesen Artikel anfangen?

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Illustration: Daniel Grasmeier
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Nun denn: Das erste Bild, das einem bei diesem Wort in den Kopf kommt, ist immer noch: ein Fluss, ein Bach, zwei Ufer und eben die Brücke, die diesen überwindet und die letzteren miteinander verbindet. Also eine Möglichkeit und wohl typisch menschliche Eigenschaft, geologisch vorgegebene Grenzen nicht als unüberwindbar hinzunehmen. Beim Bach reicht noch ein Brett, ein umgestürzter Baum. Bei breiteren Gewässern (oder Schluchten – Täler kann man auch durchwandern, die muss man nicht zwingend überbrücken) zeigt sich seit mehr als zwei Jahrtausenden die kreative Ingenieurskunst. Jedoch: Die Fragilität dieser als solide erachteten Konstrukte hat uns das letzte Hochwasser mal wieder tausendfach gefilmt und ins Netz gestellt im wahren Sinne des Wortes vor Augen gestellt. Leider auch von Katastrophentouristen, die fremdes Elend begaffend und fotografierend glauben somit, ihr dummes, kleines Ego jegliche Form von Anstand und Vernunft vermissen lassend irgendwie aufpolieren zu müssen / können. Widerlich, doch auch üblich unabänderlich… Die sterben nicht aus. Solchen Vertretern der Menschheit sollte man… – na, jedenfalls keine Brücken bauen.

Aah, da bin ich nach kurzer, aber mir nötiger und allemal berechtigter Ereiferung doch wieder im Thema: Die Brücke ist nicht nur ein Bauwerk, sondern wird auch oft und gerne metaphorisch benutzt: Verbal „goldene“ Brücken werden gebaut, um Gegensätzliches vielleicht doch zueinander finden lassen zu können – und wenn das nicht klappt, werden sie mit vergleichbar inhaltslosen Formulierungen eben wieder abgebrochen, weil sie für den, der sie überqueren sollte, weder golden noch betretbar sind. Das sind diese Brücken, die so „geschlagen“ werden, dass man eigentlich nur vom eigenen Ufer (Standpunkt) auf dem anderen, fremden mit aller Gewalt einen Brückenkopf errichten will. Da geht es letztendlich nur darum, eigene Interessen zu vertreten und die des anderen Ufers negierend nicht zu überzeugen, sondern zu überwältigen. Diese Vorgehensweise ist wahrscheinlich wesentlich älter als die älteste als Bauwerk nachweisbare Brücke.

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In diesem Sinne ist Pontifex maximus (lateinisch: größter Brückenbauer, Titel der Päpste) auch ein hervorragendes Beispiel für die Perversion einer guten Idee: Wir reichen Euch die Hand. Resultat: um Euch über den Tisch zu ziehen. Nun mag Franziskus den ursprünglichen Gedanken durchaus in sich tragen, doch gegen die Betonköpfe und Mauermeister seiner Institution kommt er bedauerlicherweise nicht an. So sind Brücken eben nicht verbindend, sondern der Weg, seine eigenen Vorstellungen über das andere Ufer zu ergießen.

Ganz geschickt in diesem Zusammenhang ist auch die „neue Seidenstraße“. Ich sehe da wenig bis nichts völkerverbindend Brückenbauendes, sondern hauptsächlich nur die durchaus ausgeklügelte Strategie aller Beteiligten, mit noch mehr Wohlstand zu ködern, um sie in aller Ruhe zum gegebenen Zeitpunkt mit aller Gewalt der eigenen Ideologie einzuverleiben. Sinophobie meinerseits? Na, da fragen Sie mal die Chinesen, die – äh, klar, geht nicht, die sitzen im Lager – oder liegen unter der Brücke.

Und auch unser den ganzen Erdball umbrückendes Internet: mehr Polarisierung als Verbindung. Denn die Wenigsten suchen Information (was bei der Masse an angeboten Vorhandenem ja auch äußerst schwierig bis unbequem ist), sondern Bestätigung ihrer vorgefassten Meinung. Hab´ ich doch gleich gesagt, und hier steht`s! Was ist weiter weg: der Mond oder der Eiffelturm? Können Sie den Eiffelturm von hier sehen? Nee? Aha. Also scheinen wir ja auch jeden Depp da abholen zu müssen, wo er gerade steht. Drive-in-Impfung plus Drink für die, die zu bequem sind, auch nur zu ihrem Hausarzt zu gehen. Und zu dämlich, so etwas wie Verantwortung gegenüber ihren Mitmenschen zu begreifen: „Sollen die anderen doch machen, dann kriege ich ja automatisch meine Herdenimmunität. Ist sowieso alles völlig übertriebener Quatsch, ich kenne keinen Covid-Toten.“ Tja, so kann man natürlich auch denken. Ich finde es allerdings sehr rücksichts- und gedankenlos.

Wie nur finde ich jetzt den thematisch einigermaßen positiven Abschluss dieses Artikels? Also: Brücken – wo (im übertragen(d)en Sinne) werden sie gebaut? Nun tatsächlich wieder von all jenen, die auch durch körperlichen Einsatz helfen, zu denen, die sonst in ihrem Elend einer überfluteten, weggeschwemmten Existenz verzweifelt alleine blieben. Das ist weitaus größer als Applaus aus dem Fenster. (Sie erinnern sich? Das war nur eine folgenlose, nette Geste.) Nun packen auch persönlich Unbetroffene an und überbrücken ihre eigene Bequemlichkeit. Das wird auch zwischenmenschliche Folgen haben. Bei den Betroffenen und Helfenden vielleicht fallweise sogar dauerhafte. Also solche, die das Erscheinen dieses Artikels überleben. Schön wär´s, dann nämlich das Gute am Schlechten.


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