Die drei jeweils mit 2000 Euro dotierten Preise sollen den Transfer von Wissen, neuen Technologien und Erfindungen aus der Forschung in die unternehmerische Verwertung fördern. Dieter Willbold und sein Team vom Institut für Biologische Informationsprozesse, Strukturbiochemie (IBI-7) am Forschungszentrum Jülich und des Instituts für Physikalische Biologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, haben den durch ein Patent geschützten Wirkstoff RD2 (alias PRI-002) als Kandidaten für die Alzheimer-Therapie entwickelt. Er zerlegt die nach heutigem Stand der Forschung für den Krankheitsprozess entscheidenden, toxischen Amyloid-beta (Abeta)-Oligomere direkt und spezifisch in ihre unschädlichen Monomerbausteine – der biochemische Begriff für Einzelkomponenten – und beseitigt sie auf diese Weise.
RD2 ist der erste Wirkstoffkandidat, der direkt gegen die schädigenden Protein-Oligomer-Strukturen wirkt. „Jahrzehntelang wurden Alzheimer-Wirkstoffkandidaten entwickelt“, erklärt Willbold, Direktor am IBI-7 des Forschungszentrums Jülichs, „durch die Spezies weder direkt zerstört wurden noch ein sich selbst vermehrendes Prion, das aus körpereigenen Monomerbausteinen besteht, effizient bekämpft wurde.“
Das nicht-toxische Monomer und die Monomerbausteine in den toxischen Oligomeren sind chemisch identisch. Der einzige Unterschied ist deren drei-dimensionale Struktur. Dieter Willbold entwickelte mit dem Wirkstoff RD2 eine anti-prionische Strategie zur Therapie von Alzheimer. RD2 stabilisiert das Abeta-Monomer in seiner nativen ungeordneten Struktur, der IDP-Konformation (intrinsically disordered protein) und verhindert dadurch nicht nur dessen Aggregation, sondern zerlegt bereits vorhandene Oligomere und Fibrillen wieder in ihre unschädlichen Monomerbausteine.
Die Preis-Jury erkannte besonders die hohe Innovationskraft des neuen anti-prionischen Wirkmechanismus an.
Nach erfolgreichen vorklinischen Sicherheits- und Verträglichkeitstests erhielt RD2 2018 die Genehmigung für die klinische Phase I-Studie zur Testung am Menschen, die mittlerweile abgeschlossen ist. Unterstützt wurde die Entwicklung bis zu diesem Zeitpunkt von der Helmholtz-Gemeinschaft und der Alzheimer’s Association (Chicago). Den größten Teil finanzierte das Forschungszentrum Jülich.
Parallel gründete Willbold 2017 gemeinsam mit weiteren Kollegen aus seinem Team die Priavoid GmbH aus dem Forschungszentrum Jülich aus, um ein marktreifes Medikament zu entwickeln. Als Seed-Investor unterstützte Prof. em. Detlev Riesner das Startup. Riesner war bereits an vielen erfolgreichen Biotech-Gründungen maßgeblich beteiligt. „Ich bin sehr stolz, dass die Tradition des erfolgreichen Wissenstransfers durch meinen Nachfolger auf dem Lehrstuhl für Physikalische Biologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf fortgesetzt wird und unterstütze ihn sehr gerne“, erklärt Riesner.
Weitere toxikologische Untersuchungen müssen nun zeigen, dass auch eine noch viel längere Einnahme des Präparats als bisher untersucht nicht gesundheitsschädlich ist. Dann kann eine klinische Phase II-Studie starten, die nachweisen soll, dass RD2 nicht nur im Tiermodell, sondern auch in Alzheimer-Patienten wirksam ist und Gedächtnisleistung und Kognition verbessert. „Dafür sind 13 Millionen Euro und drei Jahre Zeit nötig“, schränkt Willbold die Hoffnung auf eine schnelle Verfügbarkeit ein. „Am Investment oder einem passenden Pharma-Partner suchen wir derzeit jedoch noch.“
Nach einer erfolgreicher Phase II wären dann Zulassungsstudien (Phase III) für die Zulassung des Wirkstoffes als Medikament erforderlich. Auch die Entwicklung von weiteren Wirkstoffen mit diesem anti-prionischen Wirkmechanismus für Proteinfehlfaltungskrankheiten, wie zum Beispiel die amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Morbus Parkinson, Chorea Huntington und Frontotemporale Demenz (FTD), stehen langfristig im Fokus der Forschungen von Dieter Willbold und seinem Team.