Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät? Zur Verlustigung der ersten Kajüte sollen die kommenden 365 Tage sicher auffordern. Und dann… Ach nee, ne… Schon wieder Neujahr! Schon wieder ein Jahr um… Und schon wieder das Ganze von vorn. Da Capo! Es kommt alles wieder: Karneval, Fastenzeit und Ostern, 1. April, Maifeste, Schützenfeste, St. Martin, der 11.11., und schon ist wieder Advent, und Weihnachten naht. Jedes Jahr dasselbe Lied… Oder müsste es dieselbe Leier heißen? Da fällt mir sofort folgender Musikerwitz zu ein:
Kommt ein Musiker in die Hölle. Der Höllenfürst führt ihn in einen Konzertsaal und weist ihm einen Platz zu. Der Musiker guckt sich um und entdeckt viele seiner Helden. Ein kurzer Blick auf die Noten, und schon geht‘s los. Er ist begeistert und denkt sich: „Das soll die Hölle sein?“ Nach einiger Zeit kommt das Opus an sein Ende, und das Notenblatt gibt die Anweisung: Da Capo al Coda! Und das musikalische Treiben beginnt von vorne. Bis er wieder an die Stelle kommt: Da Capo al Coda! Und er spielt…Und spielt und spielt und spielt. Verzweifelt wendet er sich an seinen Sitznachbarn: „Zum Teufel! Wo ist denn bloß die Coda?“ Sein Sitznachbar schnaubt desillusioniert: „Es gibt keine Coda!“
So ist das Leben: die ewige Wiederholung desselben. Nun könnte ja auch angesagt sein, sich zurückzulehnen: Machen wir einfach dasselbe wie jedes Jahr. Schreiben wir wieder über das Rathaus, das seit 15 Jahren immer wieder mit seinem Sanierungsbedarf in den Schlagzeilen steht. „Doch Neubau des Rathauses?“ hieß der Titel am 18. Februar 2009 auf JüLicht.de. Aktuelle Veröffentlichungen im Dezember beschäftigen sich mit der ausgefallenen Heizungsanlage im Verwaltungsbau der Stadt.
Da Capo „Walramplatz“. Vor zehn Jahren wurde ein Einzelhandelskonzept vorgestellt. „Mit einer Größendimensionierung von rund 4.700 m2 steht auf dem Areal grundsätzlich ausreichend Fläche zur Verfügung, dort auch großflächigen Einzelhandel anzusiedeln“, heißt es da, und „der Parkplatz, dessen Eignung als potenzielles Entwicklungsareal für die Weiterentwicklung des Einzelhandels für die Jülicher Innenstadt zu überprüfen ist“. Jetzt soll es zur Umsetzung kommen. Als Planer hat H.-W. Hambloch betont, dass das Unternehmen Richrath ein großes Interesse hat und keineswegs die Bebauung vom Tisch ist, wie im Dezember Stimmen laut wurden. Wann Baubeginn ist, ist allerdings noch nicht klar.
Es ist ja wirklich erstaunlich, dass sich alles ähnelt, aber nie wirklich gleich ist.
Ist Piraten im Schwanenteich dasselbe wie Piraten in der Muschel? Same, same, but different, wie der Brite sagen würde. Schulzeugnisse zum Halbjahr gibt es auch jedes Jahr, aber es steht nicht immer dasselbe drauf – auch wenn das die geneigten Eltern zuweilen wundern sollte. Wie war das mit Pisa? Eine Studie, eine neue… Da Capo! Seit Sokrates Zeiten beklagen Lehrende und Erziehende die mangelnde Disziplin und das fehlende Wissen des Nachwuchses. Um es rheinisch zu sagen: Et hätt noch emmer joot jejange.
Guckt man in die Annalen, ist festzustellen, dass es schon vor gut 100 Jahren um die Zukunft der Zitadelle ging. Das Gymnasium ist damit nicht gemeint, das war zu dieser Zeit noch an ganz anderer Stelle. Aber das Bauwerk. Was soll nur daraus werden? Wer kümmert sich? Und vor allem: Wer soll das alles bezahlen? Frei nach dem Spiel: Stadt-Land-Fluss…
Der Schlossplatz ist ein ebenso lang wie breit diskutiertes Thema. „Da Capo“ passt hier ebenfalls gut. Das Integrierte Handlungskonzept ist mal eben von der globalen Weltlage und damit einhergehenden Wirtschaftslage überholt worden. Ob also die Blumen-Beete ein Da Capo erleben, steht noch in den Sternen. Sicher ist aber, dass die Weinfreunde sich im Sommer wieder unter den Baumriesen vor der malerischen Zitadelle zechend und genießend versammeln werden. Investitionen in die Wirt-Schaft.
Apropos Wirtschaft und Investitionen: Am Schwanenteich soll wieder eine gehobene Hotellerie entstehen – auch das kennen wir schon. Der Kaiserhof geht, Dorint soll kommen. Es wird nicht sein wie das, was bekannt war. Vor allem viel größer und moderner soll das Haus werden und „Motoren“ haben. Klingt für viele gut, wird aber auch begleitet von manchem Missklang und ebenso vielen Wiederholungen des stetigen Für und Wider.
Auch ein „Da Capo“-Moment in Jülich. Veränderungen werden gerne mit zuweilen kakophonischem Getöse umwölkt. Erst wenn sich alle wieder eingestimmt haben, klappt es mit dem Einklang. Bestes Beispiel jüngster Vergangenheit ist hierfür die Muschel. Über 2000 Jecke freuen sich schon wieder auf das Konfetti-Ball-Treiben bei bester Laune. Bis Weihnachten 2023 waren die Karten bereits – bis auf das Tageskontingent – vergriffen. Fast vergessen ist der Klagegesang auf die abgerissene Stadthalle.
Aus dem Takt gekommen zu sein scheint allerdings das Empfinden dafür, wie Missklänge zu Gehör gebracht werden sollten: Laut, schnarrend, mit tönernem Klang, heute auch als Hate-Speech, Bashing oder Shitstorm bekannt. Cui bono? Um im Vielklang der Sprachen noch ein geflügeltes lateinisches Wort zu bemühen: Wem nützt es? Vor allem den Spaltern, den Angst-Schürern, den Menschen, die Demokratie mit einem „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ ummanteln und dabei oft meinen: Wer nicht meiner Meinung ist, liegt falsch. Der Ruf nach durchsetzungsstarken Machern wird besorgniserregend lauter und offenbar auch sagbarer. Im vergangenen Jahr wurden die Parallelen zwischen 1923 und 2023 gezogen. Die Hölle! Und die Da-Capo-Frage: Lernen wir aus der Geschichte? Konstruktive Auseinandersetzungen sind bei der Suche nach der besten Lösung, dem besten Klang, der mehrheitlichen Erkenntnis, die zu einem orchestralen Werk werden kann, unbedingt notwendig. Aber gerade auch in der Musik gibt es Regeln. Nur wenn sie befolgt werden, wird es stimmig – mehrstimmig ja, aber stimmig. In diesem Sinne: da apo. Fangen wir noch mal an.