Start Ausbildung Zwischen Überfluss und Unentschlossenheit

Zwischen Überfluss und Unentschlossenheit

Die Agentur für Arbeit Aachen-Düren zieht gemeinsam mit der Handwerkskammer (HWK) Aachen und der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen eine gemischte Bilanz zum Ausbildungsmarkt im ersten Halbjahr 2024/2025.

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Foto: NGG
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Zwar steigt die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen wieder an, gleichzeitig bleibt die Zahl der Ausbildungsinteressierten hinter dem Bedarf zurück. Im Agenturbezirk Aachen-Düren kommen aktuell auf 100 Ausbildungsstellen nur 83 Bewerberinnen und Bewerber, heißt es in der Pressemitteilung.
„Die Lage am Ausbildungsmarkt ist aus betrieblicher Sicht angespannt. Für Ausbildungssuchende bestehen noch gute Chancen auf eine Ausbildungsstelle. Wir beraten dazu gerne.“, betont Günter Sevenich, Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit Aachen-Düren. „Entscheidend ist, dass Jugendliche offen für neue Berufe und Regionen sind – und Betriebe bereit, auch neue Wege zu gehen.“

Zur Halbjahresbilanz sind rund 3.100 Ausbildungsplätze unbesetzt. Gleichzeitig suchen etwa 3.600 Jugendliche noch nach einer passenden Ausbildungsstelle. Das zeigt: Die Herausforderung liegt nicht nur im Mangel, sondern zunehmend im Matching – also darin, Angebot und Nachfrage besser zusammenzubringen. Es gibt deutliche regionale Unterschiede, im Kreis Düren kommen 145 Jugendliche auch 100 freie Ausbildungsstellen während das Verhältnis in Aachen beispielsweise bei 86 zu 100 liegt.

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“Eine Karriere im Handwerk bietet hervorragende Perspektiven – und das erkennen erfreulicherweise wieder mehr Jugendliche und ihre Eltern. Die steigenden Ausbildungszahlen im Kammerbezirk zeigen: Das Handwerk gewinnt wieder an Attraktivität”, betont Georg Stoffels, Hauptgeschäftsführer der HWK Aachen. “Fest steht: Ohne ein starkes Handwerk wird weder die Klimawende gelingen, noch die dringend nötige Sanierung unserer Infrastruktur vorankommen. Um noch mehr Jugendliche für den Weg ins Handwerk zu begeistern, verstärkt die Handwerkskammer Aachen ihre Aktivitäten im Bereich Nachwuchsmarketing und bringt mit dem „Schoolcrafter“ ab sofort das Handwerk live an die Schulen”, ergänzt er.

„Der Trend zum Studium hält zwar an, doch zunehmend erkennen auch die Gymnasien, dass für einen Teil ihrer Schülerinnen und Schüler eine duale Berufsausbildung die passendere Alternative darstellt. Für die jungen Menschen ist es wichtig, die vielfältigen Angebote der Berufsorientierung zu nutzen, um realistische Einblicke in die Berufswelt zu erhalten,“ erklärt Waltraud Gräfen, als Referatsleiterin für den Berufsstart bei der IHK Aachen zuständig.

Besonders viele freie Ausbildungsstellen finden sich im Handel, also zum Beispiel bei den Kaufleuten im Einzelhandel. Rückgänge sind unter anderem in den Bereichen Büroorganisation und medizinische Assistenzberufe zu verzeichnen. Ein Überhang an Bewerberinnen und Bewerbern zeigt sich in Berufsfeldern wie der Körperpflege, zum Beispiel bei den Frisören, und im Bereich Tourismus und Sport, also etwa bei Reiseverkehrs- aber auch bei den Sport- und Fitnesskaufleuten). Ein Bewerberüberhang liegt vor, wenn es im Verhältnis deutlich mehr Ausbildungsinteressenten als gemeldete Ausbildungsstellen gibt – die Nachfrage übersteigt in diesem Fall das Angebot.

Ein weiteres Phänomen, das Betriebe zunehmend beschäftigt, ist das sogenannte „Azubi-Ghosting“: Jugendliche unterschreiben einen Ausbildungsvertrag – erscheinen zum Starttermin jedoch nicht. Für Ausbildungsbetriebe bedeutet das einen hohen organisatorischen Aufwand und oft den Verlust anderer geeigneter Kandidatinnen. „Gerade in Zeiten knapper Bewerberzahlen ist es entscheidend, dass Betriebe frühzeitig eine persönliche Bindung zu ihren künftigen Azubis aufbauen“, erklärt Günter Sevenich, Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit Aachen-Düren. „Ein Vertrag allein reicht nicht – es braucht regelmäßigen Kontakt, Vorbereitungsphasen und eine offene Ansprache. Das zeigt den Jugendlichen: Ihr seid hier willkommen – wir warten auf Euch.“ Um diesem Trend entgegenzuwirken, empfehlen Expertinnen und Experten unter anderem Schnuppertage, Willkommensnachrichten, Glückwünsche zum Geburtstag, Azubi-Events und Mentoring-Modelle.

Ein besonders gelungenes Beispiel zeigt, wie wichtig flexible Lösungen und gute Zusammenarbeit sein können: Ein junger Geflüchteter absolvierte im Rahmen eines Schulpraktikums einen Einsatz bei einem Unternehmen im Kreis Düren. Schnell war klar: Hier stimmt die Motivation – der junge Mann träumte davon, in Deutschland eine Ausbildung zu beginnen. Doch die Deutschkenntnisse reichten noch nicht aus. Gemeinsam mit dem Ausbildungsbetrieb entwickelte die Agentur für Arbeit eine Lösung: Über eine bezahlte Einstiegsqualifizierung (EQ) erhielt er die Chance, sich sprachlich und fachlich weiterzuentwickeln. Nach einem Jahr konnte er erfolgreich in die Ausbildung starten. Solche Beispiele zeigen: Mit Engagement auf beiden Seiten lassen sich Ausbildungswünsche auch unter schwierigen Bedingungen realisieren und beide Seiten profitieren davon.

Wie in den letzten Jahren bereits zu beobachten, hält die Tendenz an, dass der Ausbildungsmarkt ein Bewerbermarkt ist. Damit mehr junge Menschen den passenden Einstieg finden, braucht es gemeinsames Engagement von Unternehmen, Schulen, Eltern und öffentlichen Institutionen. Die Halbjahresbilanz zeigt: Die Chancen sind da – aber sie müssen auch genutzt werden.


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