Es wurde gerungen, „extrem“ sachlich diskutiert, wie Marco Johnen (CDU) sagte, die Risiken abgewogen um am Ende zu einer Entscheidung zu kommen. Einstimmig ohne Gegenstimme wurde in der nichtöffentlichen Sitzung des Rates am Dienstagabend der Beschluss zum Erhalt des Jülicher Krankenhauses gefasst: Die Stadt Jülich wirft ihren Hut in den Ring und bewirbt „als Mitgesellschafterin einer zu gründenden Auffanggesellschaft für die insolvente Katholische Nord-Kreis Kliniken Linnich und Jülich GmbH“. Bürgermeister Axel Fuchs erhielt das Mandat, hierzu Verhandlungen aufzunehmen.
Das erklärte Ziel der Beteiligung ist der Erhalt des Krankenhauses am Standort in Jülich. Zweite Gesellschafterin soll nach dem Ratsbeschluss ein Verein aus der Mitarbeitervertretung werden. Als dritten Beteiligten würden sich die Jülicher Ratsvertretungen den Kreis Düren an die Seite wünschen. Hierzu Verhandlungen aufzunehmen, auch dafür gab es von den Fraktionen ein einstimmiges Votum für Bürgermeister Fuchs. „Die Frage war nicht, ob wir ein Krankenhaus brauchen“, brachte es Sebastian Steininger (Bündnis 90/ Grüne) auf den Punkt, „sondern eher, wie es weitergeführt werden kann. Da haben wir gestern einen ersten sehr wichtigen Schritt gemacht.“
Das finanzielle Risiko, für das sich die Ratsfraktionen entschieden haben, ist erheblich und nicht konkret feststellbar, weil es auf „Szenarien“ beruhe: Auf Nachfrage beziffert es Bürgermeister Fuchs nach den erhaltenen Informationen von Dr. Mark Boddenberg „zwischen einem unteren sechsstelligen Betrag bis zu einem nennenswerten siebenstelligen Betrag“. Aber auch diese Fakten brachten die Entscheidung der Ratsvertretungen nicht ins Wanken. Im Schulterschluss präsentierten sich am heutigen Mittwoch spontan die fünf Fraktionen um noch einmal ihr Bekenntnis vom Vorabend zu stärken. „Wir wollen das Jülicher Krankenhaus erhalten. Eine wachstumsorientierte Stadt wie Jülich, die wir alle in allen Belangen unterstützen, braucht ein Krankenhaus. Das ist Fakt“, unterstrich Heinz Frey (JÜL). Einig war man sich auch darin, dass der Standort Jülich mit diversen Chancen verbunden ist, wie Marco Johnen (CDU) betonte.
Gemeint sind unter anderem die Vorschläge, die Torsten Wagner als Dekan am Campus Jülich der FH Aachen im Zuge des 10-Punkte-Papiers des Vereins Stadtmarketing Jülich entwickelt hatte. Zusätzlich formulierte Katja Böcking (SPD) das Potential einer Beteiligung durch die Stadt Jülich: „Hierin besteht eine Chance, dass wir nicht nur Zuschauer sind, was mit unserem Krankenhaus passiert. Wir haben jetzt die Möglichkeit, aktiv mitzuarbeiten.“ Die Idee einer Kooperation mit dem Forschungszentrum und der FH, so betonte Böcking, sei nicht neu, aber von den Trägern nicht aktiv verfolgt worden. „Aber wir sind gut vernetzt, so dass wir das Krankenhaus vielleicht anders aufstellen können, mit einem anderen Image nach außen hin.“ Dabei könne das Renommee des Forschungszentrums helfen, das Krankenhaus „auf sicherere und bessere Füße zu stellen.“
Wolfgang Steufmehl (FDP) gab zu Bedenken, dass noch keine Sicherheit herrsche, dass die Entscheidung für das Jülicher Krankenhaus falle. „Es ist unsere Hoffnung und unsere Bestrebung, dass das Krankenhaus in der größeren Stadt Jülich neu strukturiert wird“, unterstrich er. Wichtig gewesen sei auch, „dass wir an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter denken“, ergänzte Katja Böcking (SPD). Mitarbeitervertretungen aus Jülich und Linnich nahmen an der Ratssitzung als Gäste teil. Es gehe um deren Perspektiven. Man sei in der sozialen Verantwortung für das Personal wie auch die Bevölkerung, „damit ein Krankenhaus im Nordkreis Jülich sichergestellt ist.“ Heinz Frey ist sich sicher, dass das „eine knallharte finanzielle Entscheidung sein“ werde. Emotionale, moralische und soziale Aspekte spielten eine untergeordnete Rolle. „Da wird der Insolvenzverwalter mit den Gläubigern über die Zahlen gucken.“
Neben den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen – die im Übrigen der Grund für den Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Ratssitzung waren – habe Dr. Boddenberg deutlich gemacht, dass es bei einer Schließung von beiden Häusern zu einer Versorgungslücke kommen würde, ließ Marco Johnen wissen. 6500 Menschen im Jülicher Land seien davon betroffen, ergänzte Wolfgang Steufmehl. In Deutschland gäbe es die Vorgabe, dass in einem 20-Minuten-Fahrtzeit-Radius ein Krankenhaus erreicht werden muss. Das gelinge, sofern eines der beiden Häuser bestehen bleibe. „Der Kreis ist wohl rechtlich nicht verpflichtet, die Versorgungslücke aufzufangen“, erläuterte der FDP-Chef, „moralisch ist das eine andere Geschichte.“
Wie geht es jetzt weiter? Sicher ist, es wird nur ein Haus erhalten werden. Das hat Generalhandlungsbevollmächtigter Boddenberg bereits öffentlich erklärt. In der Ratssitzung der Stadt Linnich, die für den morgigen Donnerstag anberaumt ist, wird damit gerechnet, dass die Fraktionen dort einen ähnlichen Beschluss wie die Jülicher fassen. Die letzte Entscheidung liegt allerdings in den Händen des Sachverwalters Dr. Claus-Peter Kruth in Abstimmung mit der Gläubigerversammlung. Würde die Entscheidung für Jülich fallen, das erklärte Grünen-Sprecher Sebastian Steininger eindrücklich, „bedeutet das nicht, dass wir uns zurücklehnen können. Sowohl vonseiten des Krankenhauses als auch vonseiten der Politik ist Arbeit nötig, dass es auch dauerhaft erhalten bleibt.“
Klar ist, dass es sich um eine Zwischenlösung handelt.“Wir kaufen uns dadurch Zeit“, sagte Marco Johnen, „die müssen wir aktiv nutzen, um das Haus wieder auf eine solide Grundlage zu stellen.“ Gesprochen wird von einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren. Hintergrund sind die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Er plant eine Krankenhausreform, derzufolge Behandlungen in Krankenhäusern künftig mehr nach medizinischen und weniger nach ökonomischen Kriterien erfolgen sollen. Wann sie zur Umsetzung kommt ist allerdings unklar. So viel Zeit habe das Jülicher Krankenhaus nicht, so Frey. „Wir können uns nicht auf Lauterbach verlassen. Wir mussten handeln.“
Fällt die Entscheidung für die „Ein-Haus-Lösung“, dann müssen in Düsseldorf die nächsten Schritte eingeleitet werden. Der neuen Trägergemeinschaft muss eine Betriebserlaubnis erteilt werden. Aus diesem Grund nahm auch Patricia Peill, Landtagsabgeordnete für den Nordkreis Düren, an der Sitzung teil. „Es braucht am Schluss eine Genehmigung vom Land für eine gute Lösung für den Kreis Düren. Dafür werde ich mich mit einsetzen“, unterstrich Peill.