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Vorfreude auf die 73. Berlinale

In Peers Kino Kolumne geht es diesmal um das ganz große Ereignis im Jahreslauf eines Cineasten

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Peer Kling. Foto: Volker Goebels
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Zwei Welten! Donnerstag, der 16. Februar 2023: In Jülich: Stürmung des Rathauses, Weiberfastnacht. In Berlin: Stürmung des Berlinale-Palastes, Eröffnung der 73. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Die internationalen Besucher mögen fragen: „Karneval, was ist das?“ Tja, Berlinale und Karneval, das ist beides wie bei Menschen, die noch nie Schnee gesehen haben. Beginn des „Zehntage-Rennens“, endlich wieder ohne jede Einschränkung. Die Berlinale ist für mich extrem auf- und anregend. Danach will ich immer mein Leben ändern und bleibe dann doch im alten Trott inmitten des „Zuckerrübenlandes“. Das größte Publikums-Filmfestival der Welt steht zum vierten Mal unter der Leitung von Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek. Nach zwei pandemiebedingten Ausnahmejahren ist die 73. Auflage wieder als Präsenzveranstaltung geplant. Ich bin elektrisiert. Für mich ist es die intensivste und schönste Zeit des Jahres, aber auch die anstrengendste. Es liegt nicht nur am dem Erlebnishunger geschuldeten Schlafmangel. Der Berliner Februar kann sehr tückisch sein. Meine Frau bei minus 18 Grad im Wohnwagen: „ Tu doch ‘was!“ Und dann wurde sie ganz ruhig, Kältestarre. Das ist schlimmer als Paarungsstarre. Auch nicht schlecht: Letztes Jahr hat ein Sturm den Weg zu meinem Schlafplatz, fast eine Stunde entfernt vom Schauplatz, fast unmöglich gemacht. Der öffentliche Nahverkehr hatte aufgegeben. Viele Straßen waren durch umgepustete Bäume unpassierbar. „Det kann ja mal passieren, wa?“ sagt der Berliner und steht an für die nächste Kinokarte.

Was gibt’s denn Neues? Mehr als einen Monat vor dem Startschuss kann man das nur in etwa sagen. Selbst im Wettbewerb erreichten schon Filme erst die Nacht zuvor den final cut. Das Programm vom Wettbewerb wird erst am 23. Januar, Achtung Grammatik, bekannt gegeben worden sein, also Wochen nach dem Redaktionsschluss des HERZOG. Die Berlinale ist immer ein Gradmesser der Weltpolitik, bringt verstärkt Filme der Schwachen und Unterdrückten. Die Berlinale hat sich sich von Beginn an der Freiheit und Humanität für die ganze Erde verschrieben. Deshalb verdient sie größten Respekt. So sollen im Programm der Sektion Panorama beispielsweise Filme aus der Ukraine und dem Iran laufen. Das unabhängige Filmschaffen aus vielen Ecken der Welt ist in diesem Jahr besonders beeindruckend . „Es imponieren die vielen Arbeiten von Filmschaffenden weltweit, die Krieg, systematischer Verfolgung und Unterdrückung mit ihren Filmen trotzen“, so der Sektionsleiter Michael Stütz. Der Animationsfilm „La Sirène“ der iranischen Regisseurin Sepideh Farsi setzt sich mit dem ersten Irak-Iran-Krieg auseinander, der Dokumentarfilm „Iron Butterflies“ mit dem Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 über der Ukraine. Im Jugendprogramm „Generation“ soll der iranische Film „Dreams‘ Gate“ über kurdische Frauen im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat laufen.

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Veränderungen wird es bei den Spielstätten geben. So soll der Friedrichstadtpalast wegen einer Umbauphase diesmal ausfallen. Ersatz bietet die Verti Music Hall in der Nähe der Warschauer Straße. Im Jahr 2000 wurde der Zoo-Palast als das Zuhause abgelöst und rund um den Berlinale Palast am Potsdamer Platz entstand das neue Zentrum der Berlinale mit den damals neuen Multiplexkinos, dem CinemaxX, dem Cinestar und auch dem Arsenal-Kino. Die Fachbesucher des European Film Market fanden und finden weiterhin, nicht weit weg, im Gropius Bau ihr Eldorado. Aber es bröckelt am Potsdamer Platz. 2020 wurden alle Spielstätten im Cinestar geschlossen. Die Kinolandschaft ändert sich als Reaktion auf die Streamingdienste und die mobil gewordene Mediennutzung. Auch das CinemaxX verändert sich. Luxus-Ledersessel halbieren die Sitzkapazitäten. Der größte Saal hat dann nur noch gut 280 Plätze, zu klein für eine Premiere etwa der Panorama-Reihe oder der Perspektive Deutsches Kino. Na, ja, wie heißt es so schön? Nur, was sich ändert bleibt. Hoch lebe die Berlinale. Ich werde berichten.

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Peer Kling
Peer Kling, typisches "KFA-Kind", nicht aus der Retorte, aber in der zweiten Volksschulklasse nach Jülich zugezogen, weil der Vater die Stelle als der erste Öffentlichkeitsarbeiter "auf dem Atom" bekam. Peer interessiert sich für fast alles, insbesondere für Kunst, Kino, Katzen, Küche, Komik, Chemie, Chor und Theater. Jährlich eine kleine Urlaubsreise mit M & M, mit Motorrad und Martin.

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