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Betteln kommt nicht in Frage

Nennen wir ihn Andy. Andy ist noch keine 50 Jahre alt, Muttkraat und obdachlos. „Bare Münze“ ist für ihn tägliches Brot, um das Wortspiel auf die Spitze zu treiben.

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Archivbild | Foto: Rainer Fuhrmann - stock.adobe.com
Archivbild | Foto: Rainer Fuhrmann - stock.adobe.com
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Es ist 11 Uhr. Wir treffen uns in der Stadt. Er steht mit seinen „Kumpels“ am Eck, klönt und trinkt dabei ein Bier. Der Klassiker, das lebendig gewordene Vorurteil. Verständlich, dass Andy weder seinen wahren Namen noch sein Foto in einem Magazin abgedruckt sehen möchte. So einfach ist es aber natürlich nicht.

„Ich hab mir alles versaut“, sagt Andy mit bedauernder Selbsterkenntnis und schulterzuckend. 23 Jahre lang hatte der gelernte Autolackierer eine feste ungekündigte Stelle. Freude hat ihm der Beruf gemacht, sagt er. Vielseitigkeit sei das Handwerk: Schleifen, polieren, spachteln, lackieren… es gibt keinen Teilbereich, der nicht einen gewissen Reiz habe. Und da machte es auch keinen Unterschied, ob ein Unfallwagen wieder in Form gebracht werden muss oder nach den Wünschen von Kunden den Wagen neu zu gestalten ist. Und doch kam der Tag, an dem sich sein Arbeitgeber von ihm trennte. Trennen musste, wie Andy ohne Groll einräumt. „Wegen dem scheiß Alkohol…“ Anfangs trank er nur vor der Arbeit, später auch während der Arbeitszeit, so dass Kunden sich beim Chef beklagten. „Das ist nicht mehr tragbar.“ Schließlich sei er unentschuldigt nicht zur Arbeit gegangen und so kam es zum finalen „Aus“. Stück für Stück kam der Abstieg: Verlust der Wohnung und auch eine Nacht auf der Parkbank gehören zu den düsteren Kapiteln. „Man fühlt sie wie ein Penner“, sagt Andy, der hier einen feinen Unterschied macht zwischen Menschen, die auf der Straße leben und jenen die die Obdachlosenunterkunft bei der Feuerwehr nutzen. Auch betteln kommt für ihn nicht in Frage. „Da fällt eher mein Arm ab!“

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Derzeit lebt der Obdachlose bei seiner alleinerziehenden Freundin. Sie gibt ihm Struktur und Halt, denn sie ist berufstätig, bestimmt damit seinen Lebensrhythmus, und er fühlt auch Verantwortung gegenüber dem Kind. In seiner Gegenwart rührt Andy keinen Alkohol an.

Aber trotz aller Erkenntnis, drei Entziehungskuren in Düren und zwei Langzeittherapien kommt Andy nicht vom Alkohol los. Inzwischen hat ihn ein Arzt frühverrentet. Das allerdings ärgert Andy. „Ich kann noch arbeiten“, sagt er und wenn man den gepflegten Mann in den besten Jahren sieht, glaubt man ihm. Nur ganze Tage, das geht halt nicht. Er wünscht sich eine Tätigkeit, die er als Ergänzung zu seiner Rente ausüben kann. Und eins ist für Andy klar: „Ich bin Jülicher und will in Jülich bleiben.“


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