Die 20 Städte und Gemeinden im Kernrevier sind als Tagebau- und Kraftwerksanrainer besonders betroffen vom Braunkohleausstieg. Sie stehen unter hohem Zeitdruck, in der Region nachhaltige Alternativen zur Fossilwirtschaft zu entwickeln. Die zirkuläre Bioökonomie bietet hierfür Chancen. Doch welche Anknüpfungspunkte gibt es konkret vor Ort? Die Strukturwandelinitiative BioökonomieREVIER hat im Dialog mit den Kommunen eine erste Bestandsaufnahme mit Eckdaten für den Wandel zur Bioökonomie erstellt, die im Rahmen der Anrainerkonferenz im Brainergy Park am 23. September 2022 an die Region überreicht wurde.
Der Ausstieg aus der Braunkohle markiert für das Rheinische Revier einen Wendepunkt: weg von der fossilen Linearwirtschaft, hin zu einer zirkulären Bioökonomie. Diese ist eine neuartige Wirtschaftsform, die biologische Ressourcen für Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen Industriebranchen verwendet, etwa pflanzliche oder tierische Roh- und Reststoffe oder Mikroorganismen. Im Kreislauf und nachhaltig betrieben schont diese Klima und Ressourcen.
So vielschichtig und komplex sich dieser Wandel gestaltet, so wichtig ist für sein Gelingen die kommunale Ebene. Je besser sich Städte und Gemeinden mit Wirtschaft, Forschung und anderen Akteuren in der Region miteinander vernetzen, desto erfolgreicher werden aus den vielfältigen bioökonomischen Potenzialen des Rheinischen Reviers neue Wertschöpfung und Arbeit erwachsen.
Die vorliegende Publikation „Bioökonomie: Kommunale Profile – Kernrevier Version 1.0“ betrachtet die verfügbaren Flächen und deren Nutzung vor Ort, die landwirtschaftliche und wirtschaftliche Struktur, mögliche Innovationsfelder sowie die verwertbaren Reststoffmengen. Aber auch Bildungsaktivitäten und kommunale Nachhaltigkeitsinitiativen sind von Interesse.
„Wir sehen diese erste Aufstellung eines Bioökonomie-Profils als Einstieg in einen tieferen Austausch mit den Kommunen, wie genau man die Bioökonomie vor Ort nutzen kann, um sich zukünftig neu aufzustellen“, so Prof. Ulrich Schurr, Initiator von BioökonomieREVIER und Direktor am Institut für Pflanzenwissenschaften am Forschungszentrum Jülich, anläßlich der Überreichung der Publikation bei der Anrainerkonferenz der direkt vom Kohleausstieg betroffenen Kommunen.
Andreas Heller, Bürgermeister aus Elsdorf und Mitglied des Sprecherteams der Anrainerkonferenz, ergänzte: „Wir freuen uns sehr über den Impuls dieser Initiative vom Forschungszentrum. Sie haben sich die Mühe gemacht, mit allen Kommunen zu sprechen und uns die Konzepte, die die Bioökonomie bietet, näher zu bringen.“
Strukturumbrüche erfordern, traditionelle Nutzungspfade zu diversifizieren und durch neue Verwertung von pflanzlichen Ressourcen und Reststoffen ökologisch wie ökonomisch nachhaltig zu gestalten. Der Anbau alternativer Rohstoffe bietet neue bioökonomische Nutzungspotenziale, erneuerbare Energien (z.B. Photovoltaik und Wasserstoff) und digitale Landwirtschaft gewinnen an Bedeutung. Basis einer biobasierten Wirtschaft sind alle Wirtschaftsbereiche mit Wertschöpfungsketten bestehend aus nachwachsenden Rohstoffen und biogenen Rest- und Abfallstoffen. Daher spielt die Landwirtschaft als Produzentin von Lebensmitteln und Biomasse bzw. pflanzlichen Rohstoffen eine Schlüsselrolle.
Die kommunalen Steckbriefe zeigen im Weiteren industrielle Schwerpunkte mit Bezug zur Bioökonomie. So sind etwa Betriebe der Lebensmittelwirtschaft in elf der zwanzig Kommunen im Kernrevier ansässig, in 50 Prozent gibt es Kunststoffverarbeitung, in sechs Kommunen Chemieunternehmen. Darüber hinaus bestehen lokale Schwerpunkte in den Bereichen Textil, Pharma und Papier. Innovative Bioökonomie-Konzepte bieten hier Anknüpfungspunkte für neue Wertschöpfungsoptionen und eine weitere Integration untereinander und mit anderen Branchen, wie z. B. dem Handel oder der Industrie.
Bodo Middeldorf, Geschäftsführer der Zukunftsagentur Rheinisches Revier, erklärt: „Für eine erfolgreiche Umsetzung des Strukturwandels ist es essenziell, dass Forschungseinrichtungen wie das Forschungszentrum Jülich mit den Kommunen vernetzt werden. Hieraus können nachhaltig wirksame Projekte entstehen, etwa im Rahmen des Förderprogramms Revier.Gestalten.“