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Radfahrcity Jülich?

Die Stadt steuert auf die Mobilitätswoche zu. Der HERZOG nähert sich dem Thema von unterschiedlichen Seiten. Teil 1: Radfahren in der City. Ein Selbstversuch, zur Kennzeichenpflicht von Fahrrädern und was die öffentliche Hand dazu sagt.

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Zwar heißt es: Radfahrer mögen auf zur Wochenmarktzeiten absteigen. Foto: Volker Goebels
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Teil 1, Feldstudie und Selbstversuch
Dienstagmorgen, halb zehn in Jülich (nun gut, vielleicht eher halb zwölf), ich schwinge mich auf mein Fahrrad und radle in die Innenstadt. Im Kopf habe ich den Auftrag das möglicherweise seltsame Verhalten Rad fahrender Jülicher zur Marktzeit und auch darüber hinaus einmal unter die Lupe zu nehmen.

Vor mir fahren eine Frau und ein Kind hintereinander, vorbildlich also. Kurz vor der unübersichtlichen Rechtskurve schaut sich die Radfahrerin kurz um und macht einen Schlenker auf die andere Seite, das Mädchen fährt ohne zu gucken hinterher. Es gibt kein Handzeichen, das den abrupten Richtungswechsel hätte andeuten können. Ganz schön gefährlich denke ich, spähe um die Ecke, keiner kommt, und überquere die Straße. Ohne Handzeichen, ups.

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Der Weg in die City führt über die Rurbrücke, neuerdings gekennzeichnet mit einem blauen Schild, welches eindeutig einen Fußgängerweg anzeigt. Da drängt sich die Frage auf: „Darf man hier im Sattel sitzen bleiben oder muss man den Drahtesel zwingend schieben?“ Fußgänger sind keine Sicht, ich radle weiter, alle anderen Radfahrer tun es mir gleich. Ich möchte auf den nicht minder deutlich erkennbaren Radweg auf der anderen Seite der Brücke fahren, doch das geht nicht so ohne weiteres: Eine größere Kindergruppe, begleitet von einigen Erwachsenen spaziert dort entlang. Mein Klingeln wird überhört oder ignoriert. Vor mich hin schimpfend weiche ich auf die Straße aus – merke: Fußgänger machen auch nicht alles richtig. Ich rolle weiter Richtung Marktplatz, die Baustelle am Propst-Bechte-Platz macht mir das Straßenverkehrsordnungskonforme Verhalten nicht gerade leichter. Wo darf man denn jetzt und vor allem, wo kann man jetzt gefahrlos radeln? Nicht so einfach, aber wie es das Sprichwort will, ist ein Weg meist auch da zu finden, wo der entsprechende Wille ist.

Mein Ziel liegt vor mir: der Marktplatz mit seinem typischen, rötlich-gelben Belag. Schwungvoll steuere ich darauf zu und sehe gerade noch aus dem Augenwinkel das Schild mit der freundlichen Bitte „Wochenmarkt, Radfahrer bitte absteigen“. Zu spät, kurz vor dem ersten Marktstand behebe ich den Fauxpas und steige ab. Zugegeben, der Wochenmarkt ist an diesem Dienstagmorgen sehr überschaubar, es sind schließlich noch Sommerferien. Ein Bekannter gibt zu bedenken: „Wenn es hier richtig voll ist, dann kannst du gar nicht mit dem Rad hier drüber fahren, selbst wenn du wolltest.“ An diesem Tag jedoch ginge es ohne weiteres, und nahezu jeder Radler, übrigens auch die E-Bike-Fahrer, nutzt die Möglichkeit. Manch einer steigt erst direkt vor dem Marktstand ab, andere radeln sogar zielsicher bis unter den Sonnenschirm am Cafétisch. Der Einzige, der sein Fahrrad schiebt, ist ein Jugendlicher von vielleicht 14 Jahren.

Foto: Olaf Kiel

Und wie sieht es jenseits des Marktplatzes aus? Ich radle weiter durch den Kreisverkehr in die Kölnstraße. Diese ist zwar Einbahnstraße, aber das Schild gibt mir Recht: Fahrrad frei. Doch das ist gar nicht so einfach, im Halteverbot stehen gleich mehrere Fahrzeuge geparkt, sicherlich nicht alle Lieferanten. Ich möchte gerne auf der Straße an den Wagen vorbei, doch der Gegenverkehr ist zu viel, mir jedenfalls. Ein älterer Herr ignoriert, dass es zwischen geparkten und entgegenkommenden Autos – von denen übrigens deutlich mehr als Zweiräder unterwegs sind – doch sehr eng ist und fährt einfach weiter. Darf er das? Ich steige ab und ärgere mich über die Hindernisse, schiebe aber artig mein Fahrrad zwischen den Fußgängern entlang, einige andere Radfahrer auch. Der letzte Rest des Weges ist frei, aufsteigen und weiterfahren sind kein Problem. Die Fußgängerampel ist rot, es heißt also wieder einmal absteigen und warten. Als der leuchtende Fußgänger seine Farbe von rot zu grün wechselt, steige ich wieder auf und fahre weiter? Darf ich das eigentlich oder muss ich schieben? Über den Zebrastreifen fahren wohl auch die meisten Fahrradfahrer, fällt mir da ein. §26 der Straßenverkehrsordnung (StVO) gibt an dieser Stelle den nicht richtig hilfreichen Hinweis: „An Fußgängerüberwegen haben Fahrzeuge mit Ausnahme von Schienenfahrzeugen den zu Fuß Gehenden sowie Fahrenden von Krankenfahrstühlen oder Rollstühlen, welche den Überweg erkennbar benutzen wollen, das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen.“ Zu Fahrradfahrern steht dort nichts, das heißt dann wohl absteigen oder?

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass vor allem Autos durch die Innenstadt fahren. Es sind aber auch zahlreiche Radler unterwegs, die jedoch eher rücksichtsvoll und langsam zwischen den Passanten hindurch fahren. Auch wenn man auf dem Marktplatz natürlich eigentlich absteigen müsste.

Radfahren nicht nur in Jülich – was der ADFC zum immer wieder mal zu hörenden und zu lesenden Vorschlag einer Kennzeichenpflicht meint.
Kurz gesagt: Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club, kurz ADFC, hält überhaupt nichts von einem wie auch immer gearteten Nummernschild am Zweirad. Wer vorschlägt, Fahrräder bräuchten ein Kennzeichen, tut dies häufig, weil er der Meinung ist, auf diese Weise könnten Radfahrer im Falle eines Unfalls leichter ausfindig gemacht werden. Dem widerspricht ADFC-Rechtsexperte Roland Huhn: „Wenn ein Radfahrer als Beteiligter eines Verkehrsunfalls oder als Täter einer Verkehrsordnungswidrigkeit ermittelt werden soll, hilft ein Fahrzeugkennzeichen nur begrenzt. Mit dem abgelesenen Kennzeichen steht fest, dass das Fahrzeug am Tatort war, aber nicht, wer es gefahren hat. Dieser Nachweis muss für eine Bestrafung zweifelsfrei geführt werden. Daran scheitern häufig auch „Kennzeichenanzeigen“ gegen Autofahrer, die Verfahren werden eingestellt. Wenn die Polizei den Fahrer dingfest machen will, helfen nur Kontrollen mit Personal vor Ort – und dann ist das Kennzeichen am Fahrrad irrelevant.“

Darüber hinaus ist Huhn der Ansicht, und belegt dies auch statistisch, dass Fahrradfahrer keineswegs besonders häufig Unfälle verursachen: „Unfälle, an denen Radfahrer beteiligt waren, waren überwiegend auf Regelverstöße anderer Verkehrsteilnehmer zurückzuführen.“ So sei es beim Statistischen Bundesamt unter destatis.de nachzulesen.

Teil 2 Was Polizei und Ordnungsamt dazu sagen…..
Auch die Kreisdürener Polizei führt Statistiken – dort sind für das Jahr 2021 177 Unfälle mit Fahrradfahrern registriert, 17 weniger als im Jahr zuvor. Insgesamt, so verrät es die Pressestelle, haben die Beamten es mit rund 800 Fällen von Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Radfahrern zu tun gehabt – kreisweit wohlgemerkt. Bei den sogenannten Ordnungswidrigkeiten handelt es sich in erster Linie um Fahren ohne Beleuchtung, mit dem Mobiltelefon am Ohr oder vor der Nase und um verbotenes Fahren auf dem Gehweg. Ein Gehweg ist ein Gehweg, manchmal ist dieser aber auch eindeutig durch ein entsprechendes Schild für Fahrradfahrer freigegeben.

Foto: Volker Goebels

Ein Schild steht – wie oben erwähnt – auch am Jülicher Marktplatz und fordert Fahrradfahrer freundlich dazu auf, abzusteigen, wenn Wochenmarkt ist. Und in der Tat ist dieses Hinweisschild nicht mehr und nicht weniger als eben das: eine freundliche Aufforderung. Im Sinne der Straßenverkehrsordnung ist das Schild „Wochenmarkt“ kein Verkehrszeichen und somit die Aufforderung aus dem Sattel zu steigen eine Bitte und keine Verpflichtung, so die Polizei. Davon abgesehen fordert auch die Marktsatzung der Stadt Jülich von Marktbesuchern ein rücksichtsvolles Verhalten. Auch Dierk Schumacher, Leiter des Jülicher Ordnungsamtes, verweist auf die Marktordnung der Stadt und die darin enthaltene Forderung nach Rücksichtnahme, die im Übrigen auch in §1 der StVO zu finden sei. Dort heißt es nämlich, „dass Verkehrsteilnehmer sich so zu verhalten haben, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird“, erläutert Schumacher. Und das scheinen Jülichs Radfahrer zu wissen, denn besondere Beschwerden über ungebührliches Verhalten in der Innenstadt gäbe es nicht.

Rücksichtsvoll verhalten müssen sich auch Fahrradfahrer in der restlichen Fußgängerzone. Zwar erlaubt das Schild „Fahrrad frei“ ausdrücklich das Radeln, aber „diese sind nur Gast und müssen ihr Verhalten anpassen“, erläutert Hauptkommissarin Anneke Seemann. Im Klartext heißt das, Schrittgeschwindigkeit fahren ist erlaubt, mehr nicht – das gilt übrigens auch für E-Bike-Fahrer.


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