Manchmal ist das ja so eine Sache mit dem Charme. Also dem, den etwas von ganz allein hat und dem, den man gezielt einsetzt. In den deutschen Sprachschatz ist der Charme über die Franzosen um 1700 gelangt und meinte Faszination, Entzücken, Liebenswürdigkeit. Die Franzosen bedienten sich dabei einer Mischung der lateinischen Begriffen „carmen“ für Lied, Gedicht und Gesang sowie „carminare“ für verzaubern. Charme umschreibt somit die Eigenschaft eines Individuums – ein bezauberndes und faszinierendes Wesen. Nicht zwingend sind dazu Lieder, Gedichte und Gesang notwendig, eine Kommunikation zwischen „Sender“ und „Empfänger“ aber in jedem Fall. „Charme ist die Kunst, als Antwort ein Ja zu bekommen, ohne etwas gefragt zu haben“, wusste schon der Philosoph Albert Camus. Charme ist ein Spiel mit Worten und Momenten, das ein Gegenüber braucht – und ein Miteinander. Wer charmant ist, muss empathisch reagieren können. Wenn man nicht weiß, was jemanden glücklich oder traurig macht, hat man auch keine Ahnung, ob man etwas Richtiges oder Falsches sagt. Wer charmant ist, zollt seinem Gegenüber durchaus Respekt durch die Gabe, ihn verzaubern zu können. Nicht zu verwechseln ist Charme allerdings mit Charisma. Menschen mit Charisma können selbiges nämlich auch haben, ohne zwangsweise liebenswürdig zu sein und dabei – respektlos – manipulieren. Dem Charme eines Menschen erliegt man bewusst, dem Charisma beugt man sich – meistens unmerklich. Charme wird nicht angeboren, man kann ihn nicht kaufen, man kann ihn nur bedingt „trainieren“. Meistens erwirbt man ihn aufgrund eigener Erfahrungen irgendwann zwischen kindlicher nonverbaler Kommunikation mit dem fütternden Elternteil und der Suche nach dem eigenen Partner zum Kinderkriegen. Wer aufmerksam anderen und sich selbst gegenüber ist, merkt schnell, dass Charme als klug eingesetzte Höflichkeit Wege ebnet, ausgeleierte Sprüche, Schmollmund und Augenaufschläge diesen eher verbauen. Schmal ist der Grat vom empathischen Zauberer zur aufgesetzten Rolle. Er führt vom Charmeur über den Charmebolzen. Der Charmebolzen – in Bestform auch als Herzensbrecher, Aufreißer, Ladykiller, Frauenjäger, Schwerenöter und Herzensdieb unterwegs – ist jemand, der diesen liebenswerten Wesenszug plakativ vor sich herträgt und deutlich hervorkehrt – eben wie einen Bolzen einfach raushaut, weil er einfach muss. Zu erkennen ist der fast nahtlose Übergang daran, dass der Charmebolzen gerade noch so schweben lässt. Wenn man auf Schleim ausrutscht, ist es eher peinlich denn charmant. Dicht an dieser Grenze bewegen sich ganze Berufszweige rund um Public Relation und Marketing, die nämlich Charme taktisch einsetzen, um Produkte und Dienstleistungen zu dem Menschen zu komplimentieren. Das weibliche Gegenstück zum Charmeur ist übrigens die Charmeurin und keinesfalls die Charmeuse. Letzteres ist die Bezeichnung für einen gewebten Seidenstoff. Gut, kurz nachgedacht, erschließt sich der Zusammenhang zwischen maschenfester Wirkware als Trikotage und Charme „als der unsichtbare Teil der Schönheit, ohne den niemand wirklich schön sein kann“, so Sophia Loren. Die muss es ja schließlich wissen – groß geworden im Dunstkreis von Charmeuren, Charmebolzen und ganz sicher auch Charmeuse…
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