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Das Zauberwort mit den zwei T

Bitten, beten, betteln

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Bitte | Grafik: Lamechky+ / Sophie Dohmen
Bitte | Grafik: Lamechky+ / Sophie Dohmen
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Bitte, das Zauberwort mit den zwei T, ist heute mehr oder weniger zur Gewohnheit geworden. Das kommt uns ganz selbstverständlich über die Lippen, eine Amerikanisierung des Alltags, wie offener Hemdkragen, Umarmung und Deos. Das ist gut, Freundlichkeit beschwingt. Nur manchmal taucht das im Satzbau auf, wenn es da gar nichts zu Bitten gibt. So bittet mich das Finanzamt um eine Nachzahlung und legt mir gleich im darauf folgenden Satz die Konsequenzen dar, sollte ich dieser Bitte bis zum Fälligkeitstermin nicht nachgekommen sein. Eine schnörkellose Forderung wäre mir da  im Interesse der Sprache dann doch lieber.

Schließlich ist das Bitten eine der großen Gesten der abendländischen Bildsprache, meist findet es auf den Knien statt und es hat auch ein Komplementärbild – das Teilen. Und immer hat es die ganz großen Themen. Man kann um sein Leben, aber nicht um Schokolade bitten. Um Schokolade betteln tut mein Hund und jemanden als Bettler zu bezeichnen, das spricht ihm auch die wirkliche Not ab, sonst wäre er ein Bittender und das hört sich auch gleich besser an.

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Not lehrt Beten, wer geht schon gerne auf die Knie. Niemand will an seine Grenzen geführt werden und so ist der Bittende ein Urbild, welches uns bei den Wechselfällen des Lebens beisteht. Wir sind dann an diesen Grenzen, wenn wir sie schon nicht umgehen können, zumindest nicht allein. Das Bild steht uns bei, wir werden nicht ausgeschlossen und bleiben ein Teil des menschlichen Panoramas.

Das „Tat-Twam¬-Asi  – das bist Du“ ist einer der Kernsätze der Upanishaden und meint, das was ich im Außen erblicke, ist eine Widerspiegelung meines Innenbildes. Der Bittende außen ist immer der Bittende in mir und verachte ich ihn als Bettler und schließe ihn aus, dann schließe ich mich selber aus. Die orientalischen Märchen sind voll von Bettlern, die einmal Wesire oder Kalifen waren und auch die Götter klopfen als Bettler verkleidet an die Tore, um die Herzen der Bewohner auf die Probe zu stellen. Das Thema ist so zeitlos wie es seine eigene Aktualität hat.

Da wir als Menschen Phantasie besitzen, haben wir auch Wünsche, dazu brauchen wir keine Not. Wünsche kann ich mir erfüllen, eine Bitte wird mir gewährt. In der Geschichte vom Fischer und seiner Frau bittet der im Netz gefangene Butt den Fischer um sein Leben. Der Fischer gewährt ihm die Bitte und lässt ihn frei. Als die Frau des Fischers davon hört, schimpft sie, dass er den Fisch so ohne einen Handel hat ziehen lassen. Sie hat schließlich auch ihre Wünsche und sie schickt den Fischer noch einmal an den Strand, um dem Butt im Gegenzug eine bessere Hütte abzuverlangen. Da wir uns in einem Märchen befinden, sieht sich der Butt in der Schuld und gewährt die Bitte. Bekanntlich ist das nur der Anfang der Geschichte und das: „ Manntje, Manntje, Buttje, Timpe Te, Buttje in der See, myne Fru de Ilsebill will nich so, as ik wol will“ hallt von nun an mit immer neuen Wünschen über das Meer, oder wie Wilhelm Busch es sagt: „Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt, kriegt augenblicklich Junge“.

Im Orient bittet man Allah, er möge einen vor der Erfüllung der eigenen Wünsche bewahren und wenn wir vor dem Sperrmülltermin durch den Ort gehen, so bekommen wir ein anschauliches Beispiel davon, was damit wohl gemeint sein könnte. Da wäre ein Teilen befriedigender gewesen. Doch wenn diese Attribute über mein Dazugehören, mein Status, über Respekt und Reputation entscheiden, dann können sie durchaus zum Gegenstand einer Bitte werden.  „Oh Lord won´t buy me a Mercedes Benz, my friends all drive Porsches …“ , wie uns Janis Joplin das á capella und mit einem abschließenden, Kobold haften Lachen vorträgt.

Das Bitten verbindet sich gerne mit Gelübden und der gewährten Bitte werden von noch in Traditionen fußenden Kulturen Gnadenbilder und Votivtafeln aufgestellt. Eine erfüllte Bitte transzendiert, sie kann weithin ausstrahlen, sie korrespondiert mit dem Wunder, von dem wir, bei aller Aufgeklärtheit, nicht ganz lassen können. Das Außerkraftsetzen von Ursache und Wirkung bewegt ganze Pilgerzüge des Bittens auf dem Weg nach Lourdes oder Fatima und schwächelt der Dachverband der Transzendenz, dann wuchern Wunderglaube und Hokuspokus, da wird gezockt und im Trüben gefischt. Schon unser Nationalheld Faust will diese Hebel in den Griff bekommen, er studiert die Geheimlehren, beschwört obskure Helfer und seine Antwort auf die Gretchenfrage, wie er es denn mit der Religion halte, fällt logischerweise negativ aus. Aber auch das Gretchen ist da nicht gefeit, ihr Stoßseufzer, „ am Golde hängt doch alles, zum Golde drängt doch alles“, ist sprichwörtlich. DAX, Lotto und Pferderennbahn sind unsere aufgeklärten Gnadenorte. Hier hat so mancher schon sein Wunder erlebt. Also halten wir uns lieber an Wilhelm Busch und uns zurück.

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Dieter Laue
Dieter ist hauptberuflich Künstler. Laue malt seine Bilder nicht, sondern er komponiert und improvisiert wie ein Jazzmusiker. Sein freier Gedankenfluss bring die Leser an die verschiedensten Orte der Kunstgeschichte(n). Er lässt Bilder entstehen, wo vorher keine waren. In Bild und Schrift.

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