„Es gibt immer mehr Menschen, die bereit sind, Geld für mehr Qualität und regionale Produkte auszugeben“, freut sich Hans Schüller aus Welldorf über den bereits seit Jahrzehnten andauernden Erfolg seines Direktvermarkter-Konzeptes. „Eigentlich sind wir Bauern die Erfinder der Nahversorgung und nicht die Politik“. Im Jahr 1952 als drittes Kind auf dem Welldorfer Bauernhof zur Welt gekommen, war ihm sein Schicksal schon in die Wiege gelegt: Kühe melken, Traktor fahren, Kartoffeln ernten. Das Schicksal sorgte leider auch dafür, dass er noch sehr jung war, als er seinen Vater verlor. Als er diesem versprechen wollte, für den erfolgreichen Fortbestand des Hofes zu sorgen und den Bestand von neun auf 30 Kühe zu erhöhen, gab dieser ihm zu bedenken: „Feldwirtschaft ist Herrenwirtschaft, Tierwirtschaft ist Sklavenwirtschaft“. Er setzte also auf die Früchte des Feldes. Da er bereits mit seinem Vater mit dem Traktor Kartoffeln auslieferte, passte er sich dem Zeitgeist an und baute die Konzepte „Direktvermarkter“ und „Nahversorger“ weiter aus. Kartoffel statt Kühe – Hofladen statt Kuhstall. Mehrmals in der Woche ist er heute noch mit seiner Frau Mechtilde in Jülich und einigen Vororten zu seinen vielen Kunden unterwegs. Die erwarten ihn schon am Straßenrand oder erscheinen dort, wenn an seinem Lieferwagen genau die Glocke klingelt, mit der einst der Welldorfer Dorfbote an jeder Straßenkreuzung des Ortes die Ausrufung der neuesten Bekanntmachungen ankündigte. Er hat neben Kartoffeln auch weiteres Gemüse, Obst und Eier auf dem Wagen, doch die Kartoffel aus eigenem Anbau ist nach wie vor sein „Markenzeichen“. „Da kommt mein Kartoffelmann“ ist für ihn Lob und Ansporn zugleich. „Wir behaupten uns bereits seit 50 Jahren mit unseren Kartoffeln neben immer mehr und günstigeren Angeboten in Supermärkten und dieser Erfolg kommt nicht von ungefähr“, erklärt er. „Aroma ist nicht messbar und der Handel bewertet beim Ankauf nur die Menge – anders als der Kunde bei uns“. Schüller kennt „keine Lebensmittel, die sich so sehr einer Qualitätskontrolle beim Verbraucher unterziehen müssen wie die Kartoffel und das Ei.“ Und deshalb setzt er im eigenen Familienbetrieb auf die festkochenden und aromatischen Sorten „Annabelle“ und „Cilena“ sowie die mehlig kochende „Secura“, die bei seinen Kunden am beliebtesten sind. Leider muss auch er feststellen, dass Kartoffeln mit kleinen optischen Makeln nicht mehr in die Tüte oder auf den Teller kommen. Dabei sind die Knollen doch ein Naturprodukt, wie alles was der liebe Gott mit Hilfe der Bauern auf dem Feld wächsen lässt. Als Dank hierfür schmückt Schüller alljährlich den Erntedankaltar in der Kirche.
Natürlich sieht er auch, dass sich heute die Kartoffel immer öfter in Form von Chips, Fritten oder Kroketten einen Weg auf den Teller bahnt und die Esskulturen der Menschen im Multikulti-Zeitalter „aufgemischt“ werden. Statistisch ist die Kartoffel also auf dem Rückzug. Auch der veränderte Hausbau mit warmen und hellen Kellerräumen macht das früher übliche „Einkellern“ von Kartoffeln unmöglich. Die Menschen haben kaum noch Nutzgärten und verlieren den Geschmackssinn für tolles Kartoffel-Aroma. „Aber zum Spargel ist die Kartoffel ein Muss“, so Schüller, der fast täglich Kartoffeln zu sich nimmt – am liebsten zum rheinischen Sauerbraten – egal ob mit oder ohne Rosinen – „oder Schweinenüsschen, wie meine Frau sagt“, schmunzelt Hans Schüller. Über sie sagt er, sie sei „sensationell. Eine bessere hätte ich nie finden können.“ Gemeinsam mit ihr unterhält er Hof und Hofladen. Sie stand ihm zur Seite, als er die Meisterschule besuchte, bei der er mehrmals wöchentlich um acht Uhr morgens die Schulbank drücken musste – nach der Frühschicht auf dem Melkschemel im heimischen Kuhstall. Der Landwirtschaftsmeister Hans Schüller hat mittlerweile 15 Lehrlinge ausgebildet, mit denen er teilweise auch heute noch Kontakte pflegt. Er ist Gutachter bei Streitfällen als öffentlich bestellter Sachverständiger und Mitglied im Fachausschuss Direktvermarktung des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes. Neben seinem Fachwissen und seiner Zuverlässigkeit qualifiziert ihn auch sein Harmoniebedürfnis für diese Ämter. Diese äußert sich auch in seiner größten Leidenschaft – zur klassischen Musik. Bereits in Kindertagen war das Wiener Neujahrskonzert im TV „Kult“, er pflegte diesen Kult sehr speziell weiter: Jahr für Jahr bewarb er sich für die limitierten Karten des Wiener Neujahrskonzert am 1. Januar im Goldenen Saal von Wien. Ganze 20 Jahre dauerte es, bis er es erstmals schaffte – dann jedoch gleich aufgrund glücklicher Umstände in die Ehrenloge – samt Eintrag in das Goldene Buch – in dem sich zwischen aller Prominenz auch „Kartoffelbauer Hans Schüller aus Welldorf“ verewigte. Der, der sonst durch die Dorfstraßen fährt und genau weiß, welcher Kunde welche Kartoffelgröße bevorzugt und der auch Briefe, die aufs Postamt müssen, mitnimmt; der beim Brille suchen hilft und Flaschen entkorkt, den Einkaufskorb die Treppe hochschleppt und mit seiner unterhaltenden Art Nachbarn auf der Straße im Gespräch zusammenbringt. „Es ist einmalig schön, wenn man nicht nur produziert, sondern seine Waren auch zum Kunden bringt und das Urteil über diese positiv ausfällt. Mit Herz und Liebe zu arbeiten ist wunderschön“. Und hat als „Markenzeichen“ immer eine Kartoffel in Herzform dabei.