Ebbe. Auf sich ausdehnenden Sanden Strandkörbe, Schaukeln, ringförmig abgestellte Bauwagen formieren eine Wagenburg gegen das Anstürmen der Leere, Windräder ragen wie Mauerhaken gegen das Ausbrechen hoher Wolkentürme, eine Oberleitung steht wie der Handlauf zu einer Himmelstreppe…
Das alles ist menschenleer, zwei rote Tupfer in Strandstühlen auf der Horizontlinie zeigen ins Imaginäre, Rettungsschwimmer auf der Düne. Der Strand, den sie bewachen, bleibt uns verborgen, die Ostseeküste vor Ahrenshoop. Dieses flache Profil kennen wir, C.D. Friedrich setzte seinen Mönch gegen die Schaumkronen eines unendlichen Meeres. Deutsche Romantik, das trieft vor Bedeutung, vor der der Betrachter anzutreten hat.
Die Holzschnitte A. Nesterowas sind von derartigen Zwängen frei. Rettungsringe dienen nicht der Rettung, Oberlandleitungen sind kein Frevel an der Landschaft, eine blaue Lokomotive und ein Bagger in Orange sind Figuren aus dem Netzhautspielkasten. Ins Holz und wie aus Holz geschnitten stehen Kühe im Marschland. Nur selten bedient sich die Künstlerin eines Winkels, um damit Raumtiefe zu illustrieren. Wie in einem Diorama stehen die Platten ihrer Holzschnitte hintereinander, die Materialität der Farbe hebt die Illusion der Raumtiefe auf, um sie dann mit ihren Nuancierungen wieder zu suggerieren. Die Ambivalenz zwischen Holz und Farbe, zwischen Struktur und Einschnitt, sind hier mit Absicht in der Schwebe gehalten. Man gerät darüber wie in eine Trance zwischen Etwas und Nichts, zwischen Haptik und Semantik und dann ergreift man nur zu gerne diesen kleinen roten Haken, den man auch als Baukran deuten kann. Baukräne und Oberlandleitungen sind Lettern im Bildalphabet oder grafische Kürzel, Erzählbares oder ein Halt im Auf und Ab der Holzmaserung, Sinn oder Form. Ein nach langem Umherirren im Wald endlich wieder auf einen Weg Stoßen oder ein vom vorgezeichneten Weg wieder fort ins Offene Fliehen.