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Pionierin mit vielen Facetten

Lebensfreude sprüht aus ihren Augen. Eine Frau voller Energie. Ihr Gesicht strahlt Erlebtes und Unternehmungslust aus: Kirsten Müller-Lehnen.

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Kirsten Mueller Lehnen Foto: privat
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Sie ist Wegweiserin der Sozialplanung und im Einsatz für die Frauenrechte, Mitbegründerin des Frauenmuseums in Bonn, war erste Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Jülich, ein Dutzend Jahre Vorsitzende und heute Ehrenvorsitzende des Kunstvereins Jülich. Aber sie „veranstaltete“ nicht nur Kunst, sie ist selbst als Künstlerin bekannt. Was man mit ihr sicher am wenigsten in Verbindung bringt: Kirsten Müller-Lehnen ist auch Großmutter. Am 20. März wird die Frau mit den vielen Facetten 80 Jahre alt.

Auf Umwegen gelangte die ausgebildete technische Zeichnerin im Maschinenbau, studierte Innenarchitektin und Soziologin von Hannover an der Leine an die Stadt an der Rur, wo sie inzwischen die Hälfte ihres Lebens verbracht hat.

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Ihren Lebensweg hat sie sich nicht so ausmalen können. Als Kriegskind erlebte sie noch Hunger, Entbehrung und Evakuierung. Eine Zeit, die sie durchaus bis heute geprägt hat. Die wichtigste Erkenntnis aus diesem Lebensabschnitt, der lebensprägend war: „Die Sehnsucht nach einer unverlierbaren Wohnung, nach einem sicheren Platz“ und dazu „einen eigenen Raum, in dem ich mich entfalten kann“. Bis sie 17 Jahre alt war, hatte Kirsten Müller-Lehnen kein eigenes Bett und für ihre persönliche Habe lediglich eine Schublade, die „von der Unterwäsche bis zum Bleistift“ alles beherbergte. Darum freut sie sich über den Dächern im Herzen der Stadt Jülich über die lichtdurchflutete Wohnung – auch wenn das bedeutet, dass sie die vier Stiegen bis zum Eigenheim auch mit Einkäufen bewältigen muss. „Wenn es nicht mehr geht, dann bau ich eben einen Treppenlift ein“, grinst sie verschmitzt.

In vielen Lebens- und Ausbildungslagen war Kirsten Müller-Lehnen, so erkennt sie rückblickend, das erste Mädchen oder die erste Frau: Als 16-Jährige mit der mittleren Reife in der Tasche war sie der erste weibliche Lehrling als technische Zeichnerin im Maschinenbau. Ein Jahr im Blaumann lernte sie in der großen Werkshalle der Firma Körting Drehen, Schweißen, Fräsen – Fertigkeiten, die ihr heute als Künstlerin noch zugute kommen. „Ich fühlte mich als Mädchen immer ganz besonders“, sagt sie zufrieden lächelnd. Selbst die Familiengründung war später wenig klassisch: Ein Kind kündigte sich während des Studiums zur Innenarchitektur an. Geheiratet wurde aber erst, nachdem die Tochter auf die Welt kam. Das war der Weg vom „Fräulein zur Bindestrich-Emanze“, wie Kirsten Müller-Lehnen lachend erzählt.

Mit der Frauenförderung und Frauenbewegung kam sie während des Soziologie-Studiums in Berlin in Berührung. Ebenfalls prägend, denn das sollte ihr Lebens-Thema werden. „Mir war immer wichtig, die Dinge so zu tun, wie ich sie möchte, und dazu zu stehen“, sagt sie. Wichtig war ihr die gleiche Freiheit für die „Mitlebenden“. Für letztere ist das, so räumt sie ein, nicht immer einfach – dafür war sie durch ihr Beispiel Ermutigerin für Geschlechtsgenossinnen, denen sie fachlich-kompetent helfen konnte, auf eigenen Füßen zu stehen.

Die Gesetzeslage änderte sich erheblich. So wurde sie im Jahr 1986 die 70. Gleichstellungsbeauftragte deutschlandweit, nachdem sie Anfang der 1980er Jahre eine Sozialanalyse mit Blick auf Altenarbeit, Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten und später auch für Menschen mit Behinderungen erstellt hatte. Die Jülicher schufen eigens für sie diese Stelle. „Da war so etwas wie Aufbruchstimmung“, erzählt sie. Das Frauen-Netzwerk und Frauen helfen Frauen gründeten sich beispielsweise. Seither ist Jülich Kirsten Müller-Lehnens Lebensmittelpunkt geblieben. Auch nach der Pensionierung. Mit dem Ruhestand kam das Leben mit und für die Kunst – aber auch weiterhin im sozialen Umfeld: Arbeit mit Kindern ebenso wie mit an Demenz erkrankten Senioren gehören seither zu ihrem Alltag – wenn sie nicht gerade verreist oder mit der neunköpfigen Künstlergruppe „Spätschicht“ ihrer eigenen Kreativität frönt.


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