17.30 Uhr: Die Spannung in der Berufsschule an der Euskirchener Straße in Düren ist mit Händen zu fühlen. In Grüppchen diskutieren die Kreistagsmitglieder. Das wichtigste Thema: Wie geht die Abstimmung zum neuen Namen „Rurkreis Düren-Jülich“ gleich aus? Diese steht auf TOP 2.
17.35 Uhr: Landrat Wolfgang Spelthahn eröffnet die Sitzung und begrüßt: „die gesamte Verwaltungsspitze der Stadt Jülich als Gäste“. Bürgermeister Axel Fuchs, der technische Beigeordnete Martin Schulz und Dezernent Richard Schumacher sind aus der Herzogstadt angereist. „Das muss heute irgendetwas mit Jülich zu tun haben“, meint der Landrat.
Zuerst müssen die Regularien abgearbeitet werden.
17.54 Uhr: Jetzt wird es ernst: Die Umbenennung steht an. Der Landrat hebt zur Erläuterung an. Erneut erzählt er die Geschichte der Namensfindung, von der Sommertour mit den Kreistagsabgeordneten im Forschungszentrum Jülich an. Angesichts 7000 Beschäftigter im FZJ, das weiter wachsen will, sei es auf dem Parkplatz zur spontanen Erkenntnis gekommen: Wenn dieses Großunternehmen Jülich im Namen führt, dann sollte das der Kreis auch tun und vom Standort sowie davon profitieren, dass das FZJ die Region in die Welt trägt. Spelthahn zieht den Vergleich zu einem guten Kaufmann vor dem Weihnachtsgeschäft: Er lege alles in sein Schaufenster, um für sich und sein Geschäft Werbung zu machen. Es sei eine historische Chance, nachdem der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet hätte, auch bei Kreisen einen Doppelnamen zu führen. Diese Chance nicht zu nutzen bezeichnet Spelthahn als „grob fahrlässig“. Mit den weiteren Verhandlungspartnern Technologiezentrum Jülich und Brainergy Park würde sich abzeichnen, das Jülich „der Sitz des Strukturwandels sein wird und sein kann.“ Man sei in der komfortablen Situation eine starke, traditionsreiche Stadt Düren zu haben mit der langen Tradition der Papierindustrie und großartigen Plänen am Bahnhof und die dynamisch wachsende Stadt Jülich mit dem großen Arbeitgeberpotential. „Jetzt ist der Moment, indem es gilt, Geschichte zu schreiben – ein neues Kapitel aufzuschlagen.“
Den Kritikern in den sozialen Netzwerken, ob die Verwaltung nichts Wichtigeres zu tun hätte, hält er entgegen, dass die Verwaltung sich hier keinen Vorwurf machen lassen müsse: Sie seien Partner der 15 Städte und Gemeinden, würden sich mit Corona und der Bewältigung sowie den Folgen der Flutkatastrophe beschäftigen und die Wachstumsinitiative unterstützen – sie würde stetig für die Menschen im Kreis Düren arbeiten. „Aber zu den Aufgaben gehört auch Regionalmarketing und kreativ zu sein und neben den Arbeiten des Alltags nach vorne zu schauen.“ Ja, es werde Geld kosten, aber die Veränderungen würden mit Augenmaß und Sachverstand umgesetzt. 20.000 veranschlagte Euro Kosten wären in Relation zu einem Kreishaushalt von 630 Millionen Euro wäre es schon erträglicher. Er setzt noch einen drauf, indem er die Kosten für Werbeminuten oder Anzeigen in Medien heranzog, bei denen die Umbenennung auf großes Interesse stoßen würde, die berichteten – und das implizierte Spelthahn – jetzt sogar kostenfrei. „Das hat sich schon gelohnt“.
Den kritischen Punkt, warum er nicht vorab in allen Städten und Gemeinden das Vorhaben präsentiert hätte, erläutert der Landrat so: Man behandele die Bürgermeister mit allen nötigen Respekt, aber jeder für sich hätte eine Verantwortung. Er wisse nicht, ob es die Erfolgsgeschichte werde, die er sich erhofft, aber wenn es nicht versucht werden, dann wären sie untätig im Konkurrenzkampf im Strukturwandel. „Wir müssen Zeichen setzen – wir müssen handeln.“ Zum Ende der elfminütigen Rede ruft er den Mandatsträgern zu: „Entscheiden Sie mit ihrem Gewissen und Ihrer Verantwortung.“
18.06 Uhr: Das Ende der Rede wird von großem Applaus des Gremiums begleitet. Jetzt gilt es: 75 Prozent der Kreistagsabgeordneten müssen positiv für den Antrag stimmen. Das sind erforderliche 48 Ja-Stimmen. Jede Enthaltung zählt als Nein-Stimme. Wortmeldungen gibt es im Vorfeld der Abstimmung keine mehr. Die Mandatsträger werden aufgefordert, sich bei einer Zustimmung von den Plätzen zu erheben. Der Protokollführer geht durch die Reihen, zählt durch. Das Ergebnis: 53 Ja-Stimmen. Die Entscheidung ist gefallen. Die SPD besteht auf der Gegenprobe: Fünf Stimmen dagegen und eine Enthaltung ist das finale Abstimmungsergebnis. Der Applaus ist groß und die Freude sichtbar auch.
Im Anschluss ergreift Max Dichant für die SPD noch einmal das Wort: Er habe lange die Argumente abgewogen, viel diskutiert, so schwer die Entscheidung sei, aber für ihn trügen die Argumente nicht. Er stimmte zu, dass ein Werbungseffekt erzielt werde, ebenso, dass die Kosten keine große Rolle spielen würden, nicht mehr Personal benötigt werde und Arbeit wegen der Umbenennung in der Verwaltung nicht liegenblieb – dennoch sei er nicht überzeugt. Der neue Name werde nicht zu mehr Akzeptanz in der Bevölkerung führen und den Menschen sei der Name des Kreises auch nicht so wichtig, vor allem nicht den jüngeren Menschen, denen die kommunale Neugliederung nichts mehr sage. Er glaube vielmehr, dass der Kreis Düren bereits als gute Marke etabliert sei. Er dankte dem Landrat abschließend für den offenen Umgang und konstruktive Debatte und hofft, dass die Umbenennung des Kreises Düren letztlich eine gute Entscheidung sein werde.
Um 18.39 Uhr war klar: Der Weg in die nächste Instanz ist geebnet. Jetzt haben NRW-Ministerin Ina Scharrenbach und ihr „Heimatministerium“ das Wort.