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Für das „Gut zu Fuß“

Die Mobilität, also die Art, wie Menschen sich von A nach B bewegen, ist eine wichtige Stellschraube für die Vermeidung von Klimaschäden. Auch im gerade festgesetzten Koalitionsvertrag ist das Thema. So ist zu lesen: "Wir wollen die 2020er Jahre zu einem Aufbruch in der Mobilitätspolitik nutzen und eine nachhaltige, effiziente, barrierefreie, intelligente, innovative und für alle bezahlbare Mobilität ermöglichen. Für die notwendigen Veränderungsprozesse werben wir um Akzeptanz und werden unsere Ziele dialogorientiert umsetzen und die Maßnahmen regelmäßig überprüfen." Die Stadt Jülich ist bereits "aufgebrochen" - und zwar fast schon wortwörtlich. 

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Foto: pixabay
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Neben dem kreisweiten Projekt Wasserstoff beispielsweise hat die Stadt Jülich in diesem Jahr nach einen Auftaktworkshop zwei Nachtwanderungen durch den Stadtkern veranstaltet. Einige engagierte Bürger nutzten diese Chance, um auf Gefahrenstellen für Fußgänger aufmerksam zu machen. Ein Praxistest, um Stellen aufzutun, die für Fußgänger in der Herzogstadt verbessert werden müssen.

Nun wurden die Ergebnisse und Maßnahmenempfehlungen durch das Planungsbüro VIA, welches diesen Fußverkehrs-Check begleitete, in einem Abschlussworkshop vorgestellt. An der Onlinekonferenz nahmen beinahe 30 Vertreter der Stadt, Mobilitätsexperten, Vertreter der lokalen Politik und einige Bürger teil.

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Kölnstraße

Erster großer Punkt war die Verkehrssicherheit für Fußgänger. Sofort war der „Minikreisel“ in der Kreuzung Kölnstraße, Poststraße, Schloßstraße in der Vorstellung. Dieser Kreisverkehr sei von Fußgängern rege genutzt und besonders im Berufsverkehr auch durch Autofahrer stark belastet, berichtete Andrea Fromberg von VIA. Es wurde empfohlen, rund um den Kreisverkehr Zebrastreifen aufzubringen und die Beleuchtung zu verbessern. Aus den Reihen der Bürger meldete sich Wolfgang Hommel zu Wort. „Ich beobachte schon seit Jahren, eigentlich seit Jahrzehnten, dass Fußgänger den Kreisel auch diagonal überqueren. Zebrastreifen bringen da eventuell wenig“, sagte dieser und warf die Idee in den Raum, dass man den Kreisel vielleicht rot streichen könne, um Autofahrer zu sensibilisieren. Fromberg wies den Vorschlag zurück und verwies auf die Verkehrssicherheit.

Kirsten Niklas (VIA) machte im Verlauf des Online-Vortrags außerdem darauf aufmerksam, dass auf dem Bürgersteig in der Kölnstraße viel los sei. Um diesen etwas zu „lichten“, könne man, so das Planungsbüro, Parkplätze für Autos zu Multifunktionsflächen umgestalten. Dann wäre denkbar, dass die Einzelhändler ihre Waren auf diese Flächen stellen. Außerdem passe auf einen PKW-Parkplatz bis zu zehn Fahrräder.

Eine Teilnehmerin mit dem Nutzernamen Adelheid, von allen, da sie ihren Nachnamen nicht nennen wollte, einfach Frau Adelheid genannt, machte sich Luft: „Die Kölnstraße ist eine Katastrophe. Die Ware steht auf dem Gehweg und die Radfahrer sind rücksichtslos. Außerdem hat eine Bäckerei den Gehweg zugebaut. Das ist total gefährlich und nicht abgesichert. Aber die Parkplätze auf der Kölnstraße müssen bleiben, sonst gibt es weniger Zulauf.“ „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Wegnahme von Parkplätzen nicht zu weniger Zulauf führt“, antwortete Niklas. Emily Willkomm-Laufs (Grün) gab zu bedenken, dass viele Autofahrer verbotenerweise auf den Seitenstreifen parken, um sich mal schnell ein Eis oder Brötchen zu holen und fragte die Vertreter VIAs, was man dagegen tun könne. „Konsequent ahnden“, so Niklas. Dezernentin Doris Vogel betonte, dass das Problem in der Kölnstraße erkannt worden sei und dass das Ordnungsamt häufig dort kontrolliere.

Große Rurstraße

Auch die Große Rurstraße soll sich den Empfehlungen nach stark verändern. Zum einen betrifft dies das Ampelsystem. Neue Ampeln, die nach dem „Drei-Sinne-Prinzip“ ausgestattet sind, die folglich Sehen, Tasten und Hören ermöglichen, trügen zur Barrierefreiheit bei. Sogenannte „Bettelampeln“, die nur auf Knopfdruck für Fußgänger grünes Licht zeigen, sollten verschwinden. Außerdem sollten die Ampeln für die Fußgänger so geschaltet werden, dass lange Wartezeiten vermieden werden. Die Haltelinien für die Autos könnte man an den Ampeln nach hinten verlegen, um den Fußgängern mehr Platz zu lassen. Nach Fromberg habe dies zwei Vorteile: Fußgängern werde mehr Sicherheit suggeriert und durch sogenannte Radaufstellstreifen entstehe mehr Komfort für Radfahrer. Außerdem hätten Teilnehmende der Begehung geäußert, dass es unangenehm sei, an der Straße entlangzugehen. „Eine mögliche Maßnahme sei eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde und der Ausschluss von Schwerlastverkehr“, so Fromberg. Begründen könne man diese Maßnahme dann beispielsweise mit der Luftreinhaltung. Sei das Tempo einmal reduziert, könne man eventuell auch den Radverkehr auf die Straße verlegen.

Fromberg machte daneben darauf aufmerksam, dass der Baulastträger, also der, der die Durchführung der Veränderungen beauftragen muss, nicht die Stadt Jülich, sondern Straßen.NRW sei. Ziel sei folglich der Austausch. Claudia Tonic-Cober, Mobilitätsbeauftragte der Stadt Jülich, berichtete: „Die Stadt Jülich ist gerade auch wegen der Großen Rurstraße ganz aktuell im Gespräch mit dem Straßenbaulastträger. Die Große Rurstraße soll vom Transitraum zum Begegnungsraum werden.“

Dr.-Weyer-Straße

Auch die Dr.-Weyer-Straße und das dort anliegende Mädchengymnasium waren immer wieder Gegenstand des Vortrags. Zum einen sieht das Planungsbüro nach den Begehungen Handlungsbedarf bei der Kreuzung mit der Bahnhofsstraße, denn diese sei so breit, dass die Überquerungsmöglichkeit für Fußgänger verbessert werden sollte und ein weiteres Problem sei, dass Autofahrer ungehindert schnell in die Dr.-Weyer-Straße einbiegen können. Fromberg empfahl, entweder eine Mittelinsel einzurichten oder den Kurvenbereich zu verengen. Durch die verschärfte Kurve müssten die Autofahrer beim Abbiegen stärker abbremsen und auch die Aufmerksamkeit würde gesteigert. „Ich wusste gar nicht, dass Kreuzungen zu breit sein können“, zeigte sich Felix Brandt (CDU) von dem Input begeistert und fragte nach einer Maßnahmenliste, um allgemein einige Dinge, die schnell umgesetzt werden können, auch schnell umsetzen zu können. Fromberg verwies auf einen Bericht, der im Anschluss an den Workshop vom Planungsbüro verfasst werden soll.

Auch für die Kurve auf Höhe der Wilhelmstraße gibt es Vorschläge. Dazu Fromberg: „Es gibt keine Querungsstellen. Der Fußgänger fühlt sich verloren.“ Hier wäre ein Kreisverkehr mit einer Begrünung denkbar. Außerdem sollte man über Elternhaltestellen nachdenken. Fromberg bemängelte auch die hohe Anzahl an Parkplätzen auf dem Gelände der Schule: „Aus unserer Sicht ist auch der Schulhof, auch aus Klimasicht, nochmal zu besprechen. Aber das betrifft das innerschulische Mobilitätsmanagement.“

Um Helikoptereltern nicht bis zur Schule kommen zu lassen und so zu verhindern, dass Kinder auf ihrem Weg zur Schule durch „rangierende Fahrzeuge“ gefährdet werden, schlugen die Vertreter von VIA darüber vor, auch mit dem Gedanken einer Schulstraße zu spielen. Sprich: Zu den hochfrequentierten Ein- und Ausflugszeiten könne man beispielsweise durch absenkbare Poller die Straße kurzzeitig sperren. Sozialdezernentin Doris Vogel erwiderte, dass eine Straßensperrung aufgrund der Nähe zum Amtsgericht und Finanzamt eventuell nicht möglich sei, befürwortete aber die Elternhaltestellen. Tonic-Cober machte hier darauf aufmerksam, dass es vor vier Jahren eine Kampagne gegeben habe, bei der an fünf Grundschulen sieben Elternhaltestellen installiert worden seien. Andrea Fromberg machte den Vorschlag, Maßnahmen wie die Straßensperrung bei der nächsten Europäischen Mobilitätswoche zu erproben.

„Wir geben hier Empfehlungen und Ideen für die Ausgestaltung. Es ist der Auftrag der Verwaltung, diese zu prüfen“, so Fromberg.  Das Planungsbüro werde einen abschließenden Bericht erstellen, in den auch die Wortmeldungen der Onlinekonferenz mit einfließen sollen. In diesem werden auch alle weiteren Maßnahmenempfehlungen einsichtig. Der Abschlussworkshop stellt folglich nicht einen Katalog vor, der jetzt umgesetzt wird. Er ist als die Vorstellung eines Ideenpools für die Verbesserung der Mobilität der Fußgänger zu sehen.

Bereits in der Umsetzung

Links: Das ist der Jetzt-Zustand. Die Stadt Jülich hat mit Straßen.NRW im Austausch gestanden, damit niemand mehr hinfällt.
Rechts: So sah der Abschnitt der Großen Rurstraße bei der Wanderung aus. Fotos: Volker Goebels

Einige Dinge, die während des Fußverkehrs-Checks negativ aufgefallen sind, wurden bereits durch das Engagement der Stadtverwaltung beseitigt. So beispielsweise in der Großen Rurstraße. Hier hatten sich bei einer Wanderung zwei Frauen bei Dezernent Richard Schumacher beschwert, da eine der beiden wegen einer Bodenwelle „ganz schlimm hingefallen“ war. „Da es sich auch aus unserer Sicht um eine Gefahrenstelle handelte, haben wir Straßen.NRW gebeten, sich die Problemstelle anzuschauen und gegebenenfalls tätig zu werden“, schrieb Schumacher auf Anfrage. Straßen NRW bestätigte die Baumaßnahme. Die Bodenwelle ist folglich Geschichte.


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