Zwei Bemerkungen vom Rand der Gerichtsverhandlung gegen den Aachener Weihbischof Dr. Johannes Bündgens Dienstagmorgen vor dem Amtsgericht Kerpen vorab – die erste aus dem Mund seines Anwalts Christof Püschel vor reichlich Medienvertretern: „Mein Mandant hat sich aus gesundheitlichen Gründen heute hier nicht gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe verteidigen können. Ich gehe davon aus, dass wir gegen die Entscheidung Einspruch einlegen. Gehen Sie bitte davon aus, dass mein Mandant unschuldig ist.“
Die zweite Bemerkung am Rande machte ein Prozessbeobachter aus der Reihe der zum Prozess erschienenen Journalisten: „Das ist nicht die mildeste Strafe, die Weihbischof Bündgens hätte herausholen können, falls er sich verteidigt hätte.“ Doch das tat der in Eschweiler geborene und aufgewachsene und in Rom studierte und promovierte Theologe aus den erwähnten gesundheitlichen Gründen nicht.
So lautete das Urteil des Kerpener Schöffengerichtes einstweilen auf Einstellung des Verfahrens in einem Teil der Anklage, für den überwiegenden Teil der angeblich veruntreuten 127.999,50 Euro verhängte das Gericht einen Strafbefehl.
Der beinhaltet neun Monate Freiheitsentzug zwei Jahre auf Bewährung. Weihbischof Bündgens müsste sich demnach zwei Jahre straffrei führen, dann wäre das Urteil gegen ihn aus der Welt. Zusätzlich soll er – falls der Strafbefehl Rechtskraft erlangt – 5000 Euro Geldbuße an den Kinderschutzbund Kerpen zahlen.
„Kronzeuge“ vor laufender Kamera
Das Verfahren war in weniger als anderthalb Stunden abgewickelt. Im Zuschauerraum saß ein in den Medien mitunter als „Gärtner“ bezeichneter Mann, der sich hernach bereitwillig vor laufenden Fernsehkameras als „Berater“ der angeblich Geschädigten Marga K. interviewen ließ. Er hatte den „Fall Bündgens“ ins Rollen gebracht.
Und zwar, wie er selbst vor Journalisten zugab, auf Bitten eines „Bekannten vom Finanzamt“, der „sich gewundert hatte, dass die ältere Dame keine Steuern zahle“. Bei seinen „Ermittlungen“ auf eigene Faust will der Mann auf Unregelmäßigkeiten auf dem Konto der vermögenden Dame gestoßen sein, über die er die Behörden informierte.
Der „Fall“ der inzwischen an Demenz erkrankten Dame wurde zunächst eine Sache fürs Familiengericht, das den „Ermittlungen“ und möglicherweise auch Mutmaßungen des selbsternannten „Beraters“ und mutmaßlichen Kronzeugen Glauben schenkte. Die alte Dame bekam einen gesetzlichen Betreuer. Aus dem Familiengerichtsverfahren entwickelte sich dann aber fast automatisch ein Vorwurf der Untreue gegen den Aachener Weihbischof.
Bündgens hatte sich bereits seit 2010 nach Aussagen der Haushälterin und anderer Menschen rührend um die gläubige, vermögende und spendenfreudige alte Dame gekümmert. Immer wieder war der Kirchenmann nach diesen Einlassungen Marga K. bei der Abwicklung von Spenden behilflich.
Bischof schoss Spende vor
Im Sommer 2017 trat er sogar selbst in finanzielle Vorleistung bei Spendenwünschen, die Magda K. ihm gegenüber zum Ausdruck brachte. Mit der Zeit entstand „ihr sehnlichster Wunsch“, so zitierte das Gericht eine Aussage der Haushälterin, zu Weihbischof Bündgens nach Aachen zu ziehen.
Für einen Hauskauf stellte sie ihm die eingangs erwähnte Summe zur Verfügung. Leider wurde das daraus erwachsende Wohnrecht, so die von Weihbischof Bündgens beteuerte Absprache, aber nicht rechtzeitig im Grundbuch verbrieft, weil die Dame inzwischen wegen ihrer fortschreitenden Altersdemenz die Geschäftsfähigkeit eingebüßt hatte.
Daraus wiederum entwickelte sich der Vorwurf, Bündgens, der zahlreiche Überweisungen für die alte Dame abgewickelt hatte, habe diesmal bei Überweisungen „in vier Tranchen“ in die eigene Tasche gewirtschaftet.
Insgesamt stand im Gerichtsverfahren die Summe von 142.999,50 Euro zur Rede. Der geringere Teil – eine Spende an Ordensfrauen – erwies sich als zweifelsfrei. Der entsprechende Teil des Verfahrens wurde am Dienstag eingestellt.
Für den überwiegenden Teil von 127.999, 50 wurde der erwähnte Strafbefehl verhängt, der einstweilen noch keine Rechtskraft besitzt und gegen den Rechtsanwalt Christof Püschel Einspruch angekündigt hat.
Mit der sehr frommen und vermögenden Marga K. in Verbindung gekommen war Bischof Dr. Johannes Bündgens im Zusammenhang mit angeblichen Erscheinungen der „Seherin“ Manuela S. in Sievernich. In den frühen 2000er entstand dort eine Gebetsgemeinschaft „Blaue Oase“, die auch auf Kirchenseite mit großer Skepsis beobachtet wurde.
Kirchlicher Ordnungshüter in Sievernich
Der damalige Aachener Diözesanbischof Dr. Heinrich Mussinghoff schickte den zu der Zeit amtierenden Pfarrer von Heimbach als „geistlichen Begleiter“ und damit als Aufpasser und Regulator der expandierenden Frömmigkeitswelle in die Gemeinde Vettweiß.
Dieser Pfarrer wurde am 20. Mai 2006 im Hohen Dom zu Aachen zum Bischof geweiht, behielt aber seine Aufgabe in Sievernich einstweilen bei – auch die seit 2003 gepflegte Verbindung zu Marga K. blieb bestehen.
Die Vorwürfe, die jetzt vor Gericht erörtert wurden, beziehen sich auf einen Zeitraum zwischen Dezember 2017 und Januar 2018. Frau K. ist im März 2020 verstorben. Weihbischof Johannes Bündgens hat alle zur Rede stehenden Beträge im Einvernehmen mit ihrem gesetzlichen Betreuer zu Lebzeiten von Frau K. zurück überwiesen.