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Von der Bedeutung, wenig Kontakte zu haben

Ein Jahr nach Beginn der COVID-19-Pandemie befindet sich Deutschland wieder im Lockdown. Wie lange noch, ist ungewiss.

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Foto: pixabay / congerdesign
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Berechnungen des Forschungszentrums Jülich und des Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) zeigen, warum es so wichtig ist, dass viele Menschen ihre Kontakte einschränken. Nur wenn die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung tatsächlich den Kontaktbeschränkungen folgt, ist es überhaupt möglich, die Infektionszahlen innerhalb von einigen Wochen deutlich zu reduzieren. In den durchgerechneten Szenarien gelingt dies nur bei einer vergleichsweise starken Einschränkung der Kontakte, und auch nur dann, wenn eine große Mehrheit der Bevölkerung den Kontaktbeschränkungen folgt.

Im Kern geht es dabei um die Frage, wie sich das Infektionsgeschehen entwickelt, wenn sich nur ein Teil der Bevölkerung an bestimmte Kontaktbeschränkungen hält. In der Wissenschaft wird dieser Aspekt auch unter dem Begriff der „Compliance“ diskutiert.

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„Die große Herausforderung in der Praxis besteht darin, dass härtere und damit mutmaßlich wirksamere Maßnahmen auf tendenziell größere Ablehnung stoßen oder von einer größeren Zahl an Personen nicht umgesetzt werden können, etwa aus beruflichen Gründen. Krankenhauspersonal sowie andere systemrelevante Personen können ihre Kontakte nicht unter ein bestimmtes Niveau reduzieren“, sagt Dr. Jan Fuhrmann vom Jülich Supercomputing Centre. Außerdem führen manche Maßnahmen womöglich zur Verlagerung von Kontakten in alternative Bereiche, in denen die Ansteckungsgefahr vielleicht sogar noch höher ist als zuvor.“

Der Mathematiker hat in Zusammenarbeit mit Dr. Maria Barbarossa vom Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) verschiedene hypothetische Verläufe der Infektionszahlen berechnet. Die Simulationen können dazu beitragen, die Entwicklungen seit Anfang des Jahres 2021 und im Frühherbst 2020 einzuordnen, lassen aber keine direkten Rückschlüsse auf die Compliance in der Bevölkerung zu.

Drei exemplarische Szenarien

Angelehnt an die Situation in Deutschland im Herbst 2020 gingen die Forscher in allen Simulationen als Ausgangslage von einer Phase mit milden, allgemein umgesetzten Kontaktbeschränkungen aus, nach der es zu einer Intervention in Form von verordneten Kontaktbeschränkungen kommt.

In diesem Szenario wurde angenommen, dass ein Teil der Bevölkerung („compliant“, blau) nach der Intervention die effektiven Kontakte durch die neuen Maßnahmen um 75% reduziert, während der andere Teil sein Verhalten nicht ändert. Diese „noncompliant“-Gruppe unterhält nach der Intervention also genauso viele Kontakte wie zuvor, was einem R-Wert von 1,5 innerhalb dieser Gruppe entspricht. Abhängig von der Compliance in der Bevölkerung (50%, 70% oder 90% befolgen die neuen Maßnahmen), ergeben sich die oben dargestellten unterschiedlichen Verläufe. Grafik: Forschungszentrum Jülich, FIAS / Jan Fuhrmann
In diesem Szenario hat ein Teil der Bevölkerung („compliant“, blau) nach der Intervention die effektiven Kontakte um 50% reduziert, während der andere Teil („noncompliant“, rot) sein Verhalten nicht änderte (R-Wert 1,5). Grafik: Forschungszentrum Jülich, FIAS / Jan Fuhrmann
In diesem Szenario hat ein Teil der Bevölkerung („compliant“, blau) nach der Intervention die effektiven Kontakte um 20% reduziert, während der andere Teil („noncompliant“, rot) sein Verhalten nicht änderte. Grafik: Forschungszentrum Jülich, FIAS / Jan Fuhrmann

Vereinfachtes Modell

Die Modellrechnungen dienen lediglich der Illustration und lassen keine direkten Rückschlüsse auf die Compliance in der Bevölkerung zu. Um den realen Verlauf des Infektionsgeschehens zu rekonstruieren und mit dem „Compliance-Modell“ zu vergleichen, müsste man wissen, wie effektiv bestimmte Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie tatsächlich sind. Doch das lässt sich kaum exakt bemessen. „Wir wissen bis heute nicht genau, wo und wann die Mehrzahl der Ansteckungen stattfindet. Die Studienlage hierzu ist uneindeutig bis widersprüchlich“, erklärt Jan Fuhrmann.

In der Realität werden verschiedene Personen die Maßnahmen außerdem in unterschiedlichem Maß umsetzen. In den oben dargestellten Szenarien wurde jedoch zu Demonstrationszwecken eine vereinfachte Aufteilung der Bevölkerung in zwei Gruppen angenommen, wobei eine Gruppe den neuen Maßnahmen vollständig folgt („compliant“) und eine Gruppe diesen vollständig nicht folgt („noncompliant“). Außerdem wurde davon ausgegangen, dass es keine „Verhaltenswechsel“ gibt: Die mittlere Kontaktrate bleibt im Modell also bei allen Personen ab der Intervention konstant, niemand wechselt von einer Gruppe („compliant“ oder „noncompliant“) in die andere.

Auch SARS-CoV-2 Mutationen, die inzwischen Deutschland erreicht haben, werden in dieser Simulationen nicht berücksichtig. „Dazu ist die Datenlage noch unklar“, erklärt Jan Fuhrmann. „Nach aktuellem Wissenstand ist zum Beispiel die britische Variante schneller übertragbar als das bisherige bekannte Virus. Das könnte die effektive Wirksamkeit der bisherigen Maßnahmen reduzieren, ohne dass sich an der Compliance etwas ändern würde.“

Fazit

Die Simulationen zeigen, wie schwierig es ist, die Zahl der Neuinfektionen oder auch die Inzidenz innerhalb weniger Wochen deutlich zu verringern. In den durchgerechneten Szenarien gelingt dies nur bei einer vergleichsweise starken Einschränkung der effektiven Kontakte um 75% im Vergleich zur Situation mit einem R-Wert von 1,5, und auch nur dann, wenn 90% der Bevölkerung den Kontaktbeschränkungen folgt. In diesem Fall könnte so die Inzidenz innerhalb von fünf Wochen von 150 auf unter 50 gesenkt werden – dieser Wert wird oft als die Grenze angesehen, ab der sich die Infektionsketten wieder zurückverfolgen lassen. Befolgt hingegen nur jeder zweite die neuen Maßnahmen (Compliance 50%), liegt die Inzidenz auch nach 5 Wochen immer noch über 100.

Andererseits gilt: Sind die Maßnahmen zu wenig wirksam, gelingt es auch bei nahezu vollständiger Compliance nicht, die Zahl der Neuinfektionen deutlich zu reduzieren. Dies war in den oben dargestellten Szenarien der Fall, wenn die effektiven Kontakte nur um 50% oder 20% eingeschränkt wurden.

Schon intuitiv ist klar: Umso weniger Menschen sich an den Kontaktbeschränkungen beteiligen, desto stärker müssen diese ihre effektiven Kontakte verringern, um die Fallzahlen in den Griff zu bekommen. Das Gleiche gilt natürlich auch umgekehrt – je größer die Beteiligung, desto milder können die Maßnahmen sein.


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