Manchmal ist das ja so eine Sache mit dem Singsang. Also dem eigenen und dem der anderen. Oder auch zusammen. Wenn man beispielsweise in einem Chor singt. Die Zuhörer macht das meistens glücklich – die Ausführenden immer. Wissenschaftlich bewiesen ist nämlich, dass Singen im Chor glücklich(er) macht – dingfest gemacht anhand von Speicheltests vor und nach Chorproben. Die Spucke enthielt tatsächlich anschließend deutlich mehr Glückshormone. Musik stimuliert das Belohnungszentrum – ähnlich wie Sex oder Essen. Ein knurrender Magen ist in Abwesenheit eines schnurrenden Kopulationspartners also mit einem schnarrenden Radio zumindest zeitweise auszutricksen. Die Trickserei mit dem Singsang ist übrigens so alt wie die Menschheit selber und mannigfaltig anwendbar. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Evolution alles abschaltet, was keinen Nutzen hat. Es muss also einen Sinn haben, dass der Mensch seine Stimme beim Singsang über drei Oktaven erklingen lassen kann, obwohl zum Sprechen noch nicht mal eine notwendig ist, geschweige denn die Fähigkeit, einzelne Töne lang anhalten zu können. Schon in der Steinzeit fanden die Frauen diejenigen Männer attraktiver, die sangen. Das zeugte nämlich neben kreativen und geistigen Fähigkeiten davon, dass diese stark und gesund genug waren, neben dem anstrengenden, aber lebensnotwendigen Jagen und Sammeln auch scheinbar sinnlose Dinge zu tun. Und das funktioniert bis heute, wenn schmachtende junge Mädchen in höchsten Tönen und im hormonellen Rausch ihren singenden Superhelden auf der Bühne entgegenkreischen: „Ich will ein Kind von Dir!“. Apropos Kinder, Singsang und Hormone. Auch da gibt es seit Urzeiten einen nachweisbaren Zusammenhang. Singsang lässt den Stresshormonspiegel nachweislich deutlich tiefer sinken als Sprache. Kleine Kinder werden von ihren Eltern mit Wiegenliedern beruhigt, die überall auf der Welt ähnlich klingen und somit Beweis dafür sind, dass dieser Trick so alt ist wie die Menschheit selber. Selbst das Sprechen mit dem Nachwuchs erfolgt ganz automatisch langsamer, mit übertriebener Sprachmelodie und in höheren Tonlagen – wie eben beim Singsang. Ein Baby versteht noch keine Worte, weiß aber instinktiv, was harmonisch klingt – sei es ein „Guti, guti, guti“, ein „Ei, das hast du aber fein gemacht!“ oder „Na, wo ist denn das kleine Füßchen?“.
Wer fröhlich ist, verspürt oftmals unweigerlich den Anreiz zum Trällern. Wer wütend ist, dreht gern die Stereoanlage mit harten Beats auf volle Pulle und grölt lauthals mit. Und bei Liebeskummer helfen manchmal triefende Schmachtsongs die Tränenströme schneller fließen und damit versiegen zu lassen. Singsang bringt Gefühle ins Gleichgewicht – Chorgesang ist also der Versuch gleich mehrerer Menschen, sich emotional zu synchronisieren. Und auch diese Botschaft ist uralt: gemeinschaftliches Handeln hilft dem Überleben in schweren Zeiten. Gemeinschaftlicher Singsang ist das Hören aufeinander, sich einigen auf einen Ton, sich einem vorgegebenen Takt unterwerfen und damit bestenfalls gemeinsam einen harmonischen Mehrklang erzeugen. So weit klingt das ja gut. Manchmal macht jedoch auch glücklich(er), die Tonlage, -folge und -lautstärke ganz allein nur dem eigenen Dirigat zu unterwerfen. Und in einigen Fällen ist das auch besser so…