Man hat im Alltag nicht oft das Glück, auf einen Menschen zu treffen, der den Ausdruck einer inneren Freude und Ausgeglichenheit in sich trägt und in dessen Beisein eine wohltuende Atmosphäre entsteht, in der jedermann das Gefühl hat: Es ist gut so, hier kann ich sein wie ich bin, hier kann ich – im übertragenen Sinn – frei atmen. Wenn man Klaus Luft gegenüber sitzt, hat man genügend Luft zum Atmen. Schließlich ist er schon per Nomen von Geburt an Fachmann des gasförmigen Elementes und als Trompeter seit vielen Jahren in der Musikwelt ein wohl bekannter „Herr der Lüfte“. Das Gespräch mit Klaus Luft ist äußerst kurzweilig. Alles, was er sagt und die Art und Weise, wie er spricht, zeugen von einer lebenserfahrenen Gelassenheit und großer Selbstironie. Man sitzt dem 55-Jährigen gegenüber und denkt unweigerlich an den griechischen Satz von Heraklit „Panta rhei“, übersetzt „alles fließt“. Das Leben hat seine Logik, seinen Verlauf, seine Strömung. Er nimmt das Leben leicht, ein Freund nannte das einmal eine Hans-im-Glück-Mentalität.
HERZOG: Ist es nun der Familienname, der dazu anregt, wie er, das Leben manchmal ein wenig als Luftikus zu sehen oder sorgt die Trompete für die regelmäßige „Belüftung des Kopfes“ und damit für eine klare und einfache Sicht der Dinge?
Klaus: Wahrscheinlich ist es beides. Und warum das so ist, versuche ich nacheinander zu erklären. Fangen wir mit dem Namen an: Grundsätzlich sind wir ziemlich stolz auf ihn, vermutlich weil es immer eine Reaktion bei Nennung des Namens gibt. Und ich muss zugeben, dass den Lufts berechtigterweise eine gewisse Leichtigkeit des Daseins nachgesagt wird. Die Notwendigkeit, den Ernst des Lebens zu verinnerlichen, hat in der Familie nie wirklich Fuß gefasst – und (lacht) die Fähigkeit zu überleben, hat die Familie letztendlich durch Heirat erworben.
Ich hatte immer viel Glück im Leben, hatte ein Elternhaus, das uns viel Liebe schenkte und alle Freiheit gelassen hat. Ich habe nur Menschen getroffen, die mir gut gesonnen waren, und ich bin bisher von harten Schicksalsschlägen verschont geblieben. Meine ganz große Liebe hat mich zu meiner allergrößten Verwunderung geheiratet. Wir haben vier Kinder, Lukas, Lena, Lilli und Luzie, die wir ganz toll finden und die den Anschein erwecken, dass sie sich ganz gut bei uns aufgehoben fühlen.
HERZOG: Ist denn bekannt, woher der Nachname „Luft“ stammt?
Klaus: Aus Königshardt im nördlichen Ruhrgebiet, denn dort heißt jeder Zweite „Luft“. Es war nötig, den Familien alberne Namenszusätze zu verpassen, so dass heute noch Luft gen. Heiermann in meinem Ausweis steht. Wir selbst unterscheiden die Familienlinien in Lufts, Luftens und Lufties.
HERZOG: Und ab wann wurde Jülich „belüftet“?
Klaus: Vor 43 Jahren ist die vierköpfige Luft-Sippe nach Jülich gesiedelt; mittlerweile sind es sechs „Lufts“ und sieben „Luftens“, also 13 Personen mit dem Nachnamen Luft.
Und nun zur Trompete: Mit elf Jahren habe ich begonnen, dieses Instrument zu belüften. Damals hatte ich Tonbänder meines Vaters mit typischer Dixie-Musik gefunden und rauf und runter gehört und mein größter Wunsch war, genauso spielen zu können wie die Profis auf dem Band. Bis das allerdings soweit war, hat es zwölf Jahre gedauert, und dann gefiel mir die Musik nicht mehr (lacht). Auf jeden Fall habe ich mit 16 Jahren praktisch nie mehr ohne Trompete gelebt oder bin ohne sie gereist. Kein Urlaub ohne, auch im Krankenhaus habe ich nicht drauf verzichtet. Man kann sagen, man wächst irgendwie mit dem Instrument zusammen. Denn das Instrument Trompete und der Spieler sind inniger verbunden als bei anderen Instrumenten. Gewissermaßen setzt sich die Luftsäule im Körper im Instrument fort. Man kann z.B. sagen: Trompeter atmen bis in die Knie! Die Schwingungen im Instrument, das sind – sehr vereinfacht gesagt – hin- und zurücklaufende Wellen und diese korrespondieren mit dem Körper des Spielers. Dazu gehört auch, dass der Trompeter eine hohe körperliche Präsenz aufbauen muss. Auf den Punkt gebracht: Die Trompete ist im Lauf der Zeit der Kitt in meinem Leben, der rote Faden, das Kontinuum in allen Irrungen, Veränderungen und Neuerungen geworden.
HERZOG: Also für immer und ewig aneinander gekettet! Gab es denn nicht einmal einen alternativen Berufswunsch?
Klaus: Na ja, nach dem Abi war ich im Zivildienst zusammen mit behinderten Kindern, was mich fast davon abgebracht hätte, Trompete zu studieren, und auch heute noch frage ich mich oft, ob ich nicht einen weniger egoistischen Weg hätte gehen müssen. Aber indem ich nach dem Studium der Trompete in Köln und Aachen noch Instrumentalpädagogik dran gehängt habe, kann ich jeden Tag mit Kindern arbeiten und das ist wunderbar.
HERZOG: Wie sieht dein Musikeralltag aus?
Klaus: Mein Berufsleben teilt sich genau zur Hälfte in Unterrichten und freiberufliche Trompetertätigkeit. Man sieht mich hier an der Jülicher Musikschule und in Düren, dort leite ich auch Bläserensembles, ebenso die Big Band „WhatElse“ der Musikschule Jülich. Ich spiele in Big Bands, in Blasorchestern, in Jazzcombos und seit 26 Jahren auch in Tanzorchestern der Turnierszene. Dazu kommen im klassischen Sektor häufig Engagements im Orchester, in Kammermusikensembles oder Aufträge im Bereich Kirchenmusik für Solo und Ensembles. Dabei ist Lampenfieber mein stetiger Begleiter. Und hier wieder die enorme Rolle von Luft: Das konsequente Atmen bringt eine gewisse Erleichterung, denn es hat viel mit Meditation zu tun.
Ganz wichtig für mich ist seit Jahren unser hiesiges Quartett Juliacum Brassers. Mit Martin Schädlich, Andreas Trinkaus, Johannes Meures – allesamt junge Blechbrüder, von denen ich übrigens auch im höheren Alter gerne lerne, musizieren wir in diesem Bläserquartett auf hohem künstlerischen Niveau. Im letzten Jahr haben wir den dritten Platz bei einem Wettbewerb in Paris belegt. Jetzt im Sommer sind wir gerade dabei, die erste CD zu produzieren, danach gehen wir zwei Wochen auf Tournee in Norwegen und im September eine Woche auf Konzertmarathon in NRW. In Jülich sind wir natürlich auch, am 25.September in der Christuskirche um 19 Uhr.
HERZOG: Musst Du manchmal auf Engagements warten und geht Dir dann sprichwörtlich manchmal die Luft aus?
Klaus: Das hört sich jetzt vielleicht ein wenig vollmundig an, aber ich bin sehr dankbar, dass ich mich nicht zu bewerben brauche, die Jobs und Aufträge kommen von alleine. Freilich muss ich fleißig dafür sorgen, dass ich meinen Job anständig verrichte, ich hatte aber ein Leben lang nie das Gefühl, dem Konkurrenzkampf eines harten Berufslebens ausgesetzt zu sein.
HERZOG: Kannst Du Dich an einen Vorfall erinnern, an dem Du mal in die Luft gegangen bist?
Klaus: Vielleicht solltet ihr diese Frage eher meiner Frau stellen (lacht)!! Na ja, mitunter kommt es schon mal vor, dass mir die Geduld etwas abhanden kommt, gerade wenn es darum geht, ein bestimmtes musikalisches Niveau oder Ziel zu erreichen. Da bin ich auch schon mal dem einen oder anderen auf den Schlips getreten. Alter schützt vor Torheit nicht. Ich lerne also auch noch im Alltag, einen längeren Atem zu bekommen und den Dingen seine Zeit zu lassen. Es gibt da übrigens noch ein Mittel für mich, um mehr Luft um die Nase zu haben: Ich fröhne meiner Leidenschaft und tuckere auf meinen alten Mopeds durch die Felder und genieße die Langsamkeit.
Sagt‘s, steht auf und fährt, ohne dass noch viele unnötige Worte fallen, auf seinem alten Moped über die Landstraße nach Hause. Und man selbst atmet auch nochmal tief durch.