Ohne Meinungsfreiheit und ohne Respekt, ohne Toleranz und Solidarität wird es keine Demokratie geben, unterstrich Heinz Spelthahn als Vorsitzender der Jülicher Gesellschaft für Toleranz und gegen das Vergessen. Wie schnell das umschlagen könne, und zwar gefährlich, sei derzeit in den USA zu sehen, die eigentlich gemeinsam mit Frankreich an der Spitze unseres demokratischen Bewusstseins stünden. Aber auch die deutsche Geschichte sei durch Populismus, Sprachlosigkeit, Fremdenhass, Judenfeindlichkeit, Gewalt und Respektlosigkeit ohne Ende gekennzeichnet – während der Nazi-Diktatur genauso wie auch heute.
Gründe, um vor 20 Jahren die Jülicher Gesellschaft gegen das Vergessen und für die Toleranz zu gründen, sei es auch gewesen, um ein Zeichen für Demokratie und Solidarität, für Toleranz und Zivilcourage zu setzen. Die Gründung der Gesellschaft erfolgte am 31. August 2000. In den ersten Monaten habe besonders die Umsetzung des Mahnmals alle Kraft der Beteiligten in Anspruch genommen, unterstrich Spelthahn. Geschaffen von Michael Wolf, einem Bildhauer und Steinmetz aus Jüchen, besteht das Mahnmal aus zwei geschwungenen schwarzen Granitblöcken, an denen sich zwei menschliche Skulpturen gegenüberstehen, um ein Aufeinander-zu-gehen zu symbolisieren. Errichtet wurde es auf dem Propst-Bechte-Platz am 2. Dezember 2001 unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Wolfgang Clement.
An diesem Mahnmal fand auch die wegen Corona klein ausfallende Feier zum 20-Jährigen statt. Anwesend waren dabei der damalige Bürgermeister Heinrich Stommel, der aktuelle Axel Fuchs, der damalige Vorsitzende Dr. Peter Nieveler samt Gattin Elisabeth sowie seine Nachfolger Gabriela und Heinz Spelthahn, die Vorstandsmitglieder Dr. Walter Liedgens und Michael Lingnau sowie Pastor Konni Keutmann als Vertreter der katholischen Kirche und Pfarrer Horst Grothe als Vertreter der evangelischen. Zudem wohnten Patricia Peill als Landtagsabgeordnete und Thomas Rachel als Bundestagsabgeordneter und Parlamentarischer Staatssekretär der Feier bei.
„Ist es eigentlich heute noch nötig, dass wir uns diesem Thema widmen?“, fragte Rachel und gab direkt als Antwort: „Ja, wahrscheinlich sogar dringender denn je.“ Dabei wies er auf politische sehr extreme radikale Tendenzen hin, die es mittlerweile gebe, die das, was passiert ist, in Frage stellten. Die Shoa, der Massenmord der Nazis an den Juden, sei Mahnung und Auftrag an alle, „ihren Beitrag dafür zu leisten, egal an welchem Ort – in Jülich, in Düren, in Frankfurt, in Berlin, wo auch immer – dass so etwas nicht wieder passiert“. Er sieht die „Verantwortung von uns allen Menschen, dass wir auch den neuen schrecklichen Erscheinungen von Antisemitismus ganz offensiv entgegen treten, weil wir die Grundüberzeugung haben, dass jeder Mensch eine Würde hat, die ihm kein anderer wegnehmen kann“. Diese Würde sei jedem Menschen eigen. „Das heißt auch, dass wir mit Respekt gegenüber anderen Menschen, auch wenn sie unterschiedlich sind, umgehen müssen und auch umgehen sollen.“
Das Mahnmal und die Menschen hielten somit dieses Thema wach. „Wenn wir die eigene Vergangenheit oder die Vergangenheit in diesem Lande nicht kennen, dann können wir auch keine klugen Schlussfolgerungen daraus ziehen. Wer die Vergangenheit nicht kennt, der kann auch die Zukunft nicht im Respekt miteinander gestalten.“ Dies sei eine wichtige Aufgabe in den Schulen, aber auch von jedem Bürger. „Es ist wichtiger denn je, egal welche religiöse Überzeugung ein Mensch hat. Jeder hat Respekt gegenüber dieser Person und gegenüber dieser religiösen Überzeugung verdient.“