Ein profanes Museum für Geschichte der Papierindustrie zeigt eine religiöse Ausstellung. Wie kam es dazu?
Anja Dorn: Peter Jakobs war in der Gemeinde St. Joachim in Düren-Nord ein engagierter Pfarrer. Er hat die Andachtsbildchen gesammelt und in einer Kiste aufbewahrt. Nach seinem Tod erbte sein Nachfolger Pastor Ralf Freyaldenhoven die Sammlung aus fast 500 Andachtsbildchen und überließ sie 2019 dem Leopold-Hoesch-Museum und dem Papiermuseum Düren als Schenkung.
Warum ist die Sammlung für das Museum eine Besonderheit?
Anja Dorn: Große Teile unserer Popkultur haben mit Papier zu tun: Plakate, Plattencover, mit denen wir groß geworden sind, oder Magazine – sie haben mit Papierverarbeitung zu tun. Ich finde, dass die Andachtsbildchen eine sehr frühe Form der Populärkultur sind, und dass das die Kirche auch gut verstanden hat, dass damit ein bestimmtes Gefühl erzeugt wird. Dass es wichtig ist für die Identifkation, wenn man sich gedanklich mit dem Glauben beschäftigt und sich darauf einlässt. Das fasziniert mich.
Andachtsbildchen kennt man seit dem 14. Jahrhundert, bekannt sind beispielsweise die Klapptäfelchen der Christina von Stommeln in Jülich.
Anja Dorn: Die handgemalten oder als Holzdruck gefertigten Andachtsbildchen im 14. Jahrhundert sind eine Erweiterung der persönlichen Heimaltäre, die man mit zur stillen Andacht sich tragen konnte. Aber eigentlich nahm die Tradition der Andachtsbildchen erst im 16. / 17. Jahrhundert ihren Anfang. Idealerweise lagen die Andachtsbildchen im Gebetbuch und gaben dem Gläubigen ein Bild zu dem, was sie beim Beten taten. Oft sind es auch Vorbilder, auf welche unterschiedlichen Arten man beten kann.
Welche Ausstellungsstücke begeistern Sie am meisten?
Anja Dorn: Sehr schön finde ich Andachtsbildchen, die selbst wie Reliquien behandelt werden. Es gibt eine ganze Reihe, die mit Blumen und Gräsern aus dem heiligen Land bestückt sind. Es wird Boden, über den ein Heiliger oder Jesus selbst gelaufen sein soll, in das Andachtsbild über- tragen, und so hat der Gläubige eine eigene Reliquie. Faszinierend finde ich auch die technische Verarbeitung. Es sind unglaublich beeindruckende feingestanzte Papiermuster zu sehen und solche, die wie kleine Altäre gestaltet sind. Man muss sich das vorstellen wie bei einem Klappaltar, aber viel filigraner. Wenn man durch drei Papierschichten, die man aufklappen muss, zum Herz Jesu kommt, hat das eine Form von Schatzkistencharakter.
Warum sollte man die Ausstellung gesehen haben?
Ich finde sie sehr unterhaltsame und zum Teil lustig. Die Schluckbildchen aus dem
17. / 18 Jahrhundert beispielsweise, auf denen meist Heilige abgebildet sind, die man wie Medizin schlucken sollte. Gerade in Zeiten von Corona und der Auseinandersetzung mit Wissenschaft und „Fake-News“ finde ich das amüsant. Einige Bilder sind etwas kitischig, und manchmal macht es auch Spaß, sich mit diesen Formen von Kitsch auseinanderzusetzen. Andere wiederum sind einfach handwerklich großartig gemacht. Gründe gibt es also genug.
Bis 1. November; mehr unter https://papiermuseum-dueren.de