Die Idee wurde vor rund neun Monaten in der Aula des Gymnasiums Haus Overbach „geboren“: Mit dem Rad einmal quer durch Deutschland, durch alle Bundesländer, wollten die Freunde Julian, Maxim und Niclas schon seit der 9. Klasse fahren, aber in Barmen wurde aus dem Vorhaben ein Plan. Das Trio war inspiriert von der Jugendkonferenz, dem Jugendmanifest, der Umweltaktion in der Jülicher Innenstadt. Gemeinsam mit Jens Letzig vom Bildungsträger Christliches Jugenddorfwerk Deutschland, das als Nachfolger der Salesianer in Overbach die Geschäftsführung übernommen hat, besprachen sich die jungen Männer und gemeinsam wurde eine 52-Stationen-Tour ausgetüftelte. Eins war klar: Haus Overbach würde in jedem Fall dabei sein.
Und obwohl es ein unglaublicher Umweg auf ihrer Mammuttour ist, bogen Julian, Maxim, Niclas am Freitag gegen 17 Uhr in Richtung Barmener Wasserschloss ein. Es sei, so schildert es Niclas, fast ein bisschen wie nach Hause zu kommen. Er habe sogar im gleichen Zimmer wie im November geschlafen, grinst der Rostocker. Empfangen wurden sie in Overbach von vier bekannten Gesichtern: Es war ein launiges Wiedersehen der sieben Jugendkonferenzteilnehmer nach neun Monaten. Beim temperaturangemessenen Eis zur Begrüßung gab es reichlich Erlebnisse zu tauschen.
Von Unwägbarkeiten wie ein „Kettenriss“ von Maxim und dem „Platten“ von Niclas – beide Vorfälle natürlich zu geschäftsunüblichen Öffnungszeiten. Aber auch vom Besuch der Rösterei in Murnau, dem Fair-Trade-Kaffee, der auch zur Jugendkonferenz im Herbst ausgeschenkt worden war, dem Besuch beim Snowboard-Meister und den Begegnungen mit den vielen Kindern. Denn auch das ist Teil der Mission „Eine Welt für Alle“, mit der die Rostocker gestartet sind: Sie sammeln auf ihrem Weg in Kindertagesstätten Fragebögen ein. Darauf haben die Kinder niedergelegt, was sie sich für ihre Zukunft und die Welt wünschen. „Manche Vierjährige sind wirklich schon sehr weit“, zeigt sich Maxim beeindruckt. Aber auch Schockierendes erfuhren sie, wie Niclas berichtet: „Wenn auf die Frage: Was wünschst Du Dir von Deinen Eltern? steht: ,dass Mami mich nicht mehr schlägt‘ ist das schon bedrückend.“ Dennoch zählen gerade diese Begegnungen mit den Kindern zu den Höhepunkten, so das Trio. Mit großer Freude würden sie empfangen, Lieder gesungen, Tänze aufgeführt, Bilder gemalt. Und die „Seetballs“, die Bälle mit Blumensamen, die die „CJD-Gesandten“ als Gegenleistung für die formulierten Zukunftsvisionen mitbringen, mit Begeisterung entgegen genommen. 600 Fragebögen sind schon zusammengekommen, die im Nachgang ausgewertet werden.
Von den einzelnen Orten sehen die Radfahrer nicht so viel. Selten gibt es Ruhetage wie in Erfurt und Bonn, wo auch Zeit war für eine Stadterkundung bliebe. Aber auch wenn Besichtigungen entfallen, ist die Erkenntnis: „Man bekommt einen viel besseren Bezug dazu, in welcher Ecke von Deutschland beispielsweise Städte liegen“, erklärt Niclas. Sie erfahren also Deutschland auch im Wortsinn. „Auf der Tour werden fast alle Facetten von Deutschland abgedeckt“, so Maxim, der beispielsweise zum ersten Mal in seinem Leben in Baden-Württemberg war. „Wir drei lernen ganz viel durch diese Zeit“, ziehen sie ein durchweg positives Fazit.
Ehe es losgeht in Richtung Much im Oberbergischen wird nicht nur mit großer Routine das Gepäck angehängt und kurz gecheckt, ob mit den Rädern alles in Ordnung ist. Die Trinkflaschen werden griffbereit platziert, die Sonnencreme Lichtschutzfaktor 50 aufgetragen und Navigator Julian bringt sein Smartphone in der Halterung an. Das hat in Nürnberg bereits einen Sturz aufs Pflaster erlebt – glücklicherweise ohne großen Schaden. Einen weiteren wird es wohl nicht geben, denn auf dieser Etappe begleitet Jörg Tranelis vom CJD das Trio und der weiß, wofür die „Gummis“ da sind, die bislang nutzlos unter der Halterung hingen. Und so sind die Radler bestens gerüstet. In die Sättel geschwungen, noch ein Winken und dann ist auch die 33. Station der Reise absolviert. Noch 20 Tage liegen vor Julian, Maxim und Niclas, dann sind sie zurück in der Heimat.