Am Ende des 19. Jh. bricht eine Bilderflut über die Welt ein: die Fotografie, erste Cinematographen auf den Jahrmärkten, neue Verfahren ermöglichen den Zeitungen das Abdrucken ganzer Bildromane. Und dann öffnet Sigmund Freud die Bildertür zum Unbewussten. Der Surrealismus musste entstehen, um dieser sprudelnden Bilderflut eine Art von Grammatik zu geben: die symbolische Deutung. Aktuelles, Historisches und Imaginiertes mischen unsere Bildwelten zu einer neuen Überwirklichkeit, der auch Andrea Zangs Arbeiten zugehören.
In den Katakomben sich ins Unendliche fortsetzende Buchrücken, Erstausgaben mit Goldschnitt, ein Mops besteigt mit Zigarre den Kopf des Hausherrn und die Buchrücken verlängern sich Raum um Raum als ein cerebraler Tunnelblick. Oder eine Ballnacht ist vorüber, die sitzen gebliebene Kameldame im Tudorkleid tippt eine SMS und ein Elch in der Outdoorjacke des Jagdaufsehers posiert als Platzhirsch.
Der bestürzende Kern Freudscher Erkenntnisse war, dass der Mensch keinesfalls Herr im eigenen Haus ist, sondern dass unter der gepflegten Oberfläche des gehegten Selbst-Bildes obskure Dinge ihr Eigenleben führen.
Was macht das Reh im Pelzmantel mit der Kalaschnikow? Die Schnauze eines Pflanzenfressers hat für uns nichts Alarmierendes, aber schon das eigenartig zupackende Auge beunruhigt und lenkt den Blick auf jene Maschinenpistole, die uns TV Geschulten als die Standardwaffe sämtlicher Unruheherde geläufig ist. Der berühmte Wolf im Schafspelz, eine alte und durchaus surrealistische Formulierung.
Ein Weißkopfadler, das amerikanische Wappentier, posiert in der Manier des Philip Marlowe mit Revolver und Schnappmesser vor der Skyline New Yorks. Man nickt. Der magische Realismus, in dem alles gemalt ist, hat die Ebene des uns Vertrauten. Aber wer hier unreflektiert abnickt, befindet sich plötzlich in diversen Fettnäpfchen.
Die Künstlerin selbst sagt: „Befreit von den Zwängen und physikalischen Gesetzen der realen Welt transportieren die Protagonisten und Objekte ihre Botschaften auf einer metaphorischen Ebene. Es geht weniger um den Vergleich mit einem realistischen Vorbild, als vielmehr um die Analogie in den Metaphern, die man lesen und deuten kann, ohne von persönlichen Referenzen behindert zu werden. Diese Distanz ermöglicht es, über menschliches Verhalten ganz allgemein neu nachdenken zu können“.
Der Surrealismus ist ein Geisterfahrer. Wir steigen ins gewohnte Fahrzeug und plötzlich fährt es auf der Gegenspur.
Eröffnung | Fr 25.10.2013
Kunstverein Jülich e.V. | Hexenturm Jülich |19.30 Uhr
Austellung | Fr 25.10.2013 – So 17.11.2013
Öffnungszeiten: Sa & So 11.00 – 18.00 Uhr