Start Magazin Rat & Recht Nur Maskerade bei Gericht?

Nur Maskerade bei Gericht?

Wer kennt sie nicht, die typischen Modeaccessoires von Richtern und Anwälten!? Robe, weiße Krawatte, Barett, gar Perücke – keine Kostümierungen im Karneval, sondern eben „festlich-gravitätische Kleidungsstücke“ für Richter und Anwälte in Gerichtsverhandlungen. Aber warum diese Maskerade der so distinguiert auftretenden Juristen?

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Rat & Recht in und um Jülich Foto: ©Andrey Burmakin - stock.adobe.com / Bearbeitung: la mechky
Rat & Recht in und um Jülich Foto: ©Andrey Burmakin - stock.adobe.com / Bearbeitung: la mechky
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Perücken sind mittlerweile aus den Gerichtssälen des Nachkriegsdeutschlands verbannt.

In England hingegen sind sie noch gang und gäbe.
Seit König Karl dem II, der die Perückenmode für Herren im Jahre 1660 als französischen Import eingeführt hat, spiegelt dieser Kopfschmuck die Würde des Gerichts wider und ist unter Richtern und Anwälten bis heute als äußeres Auffälligkeitsmerkmal en vogue.

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Die Robe wiederum ist generell in nahezu allen Rechtssystemen auffällige Berufsbekleidung von Richtern und Anwälten.

Für Anwälte in Preußen wurde diese einheitliche Tracht bereits im Jahre 1726 durch König Friedrich Wilhelm I eingeführt, der eher spöttisch verfügte: „Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, dass die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt.“

Die Robe erfüllt im Prozess unterschiedliche Zwecke.
Sie ist Standestracht juristischer Funktionsträger, Sinnbild gerichtlicher Würde, aber auch optisches Abgrenzungsmerkmal. Sie verhüllt den Robenträger als Privatperson und reduziert ihn auf seine alleinige Funktion als Akteur und Organ der Rechtspflege. Richter und Anwälte in Robe sind alle gleichgestellt, egal ob sie unter der Robe einen teuren oder geliehenen Zwirn tragen. Es soll einzig das gesprochene Wort zählen und möglichst auch beeindrucken.

§ 20 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) regelt:
„Der Rechtsanwalt trägt vor Gericht die Robe.“ Nicht mehr und nicht weniger.

Daraus wurde in der deutschen Rechtsprechung lange Zeit die strenge Pflicht zum Tragen dieses ausgefallenen Kleidungsstücks inklusive weißer Krawatte hergeleitet.

Berühmt berüchtigt war diesbezüglich der sog. „Mannheimer Krawattenstreit“, nach dem Motto „Ohne Krawatte sind Sie nichts!“
Das Landgericht Mannheim erkannte, dass das Gericht einen Anwalt ohne Robe (und ohne Krawatte) zwingend von der Sitzung ausschließen müsse, weil anders die Würde des Gerichts nicht gewahrt werden könne (LG Mannheim, Urteil v. 17.1.2009, 4 Qs 52/08).
Selbst das Bundesverfassungsgericht hat das Krawattenrad weitergedreht und die fundamental bedeutungsvolle Rechtsfrage des sich beschwerenden Mannheimer Anwalts positiv beantwortet, dass nämlich der Verteidiger im Strafprozess ohne Krawatte gar nicht erst anwesend ist (BVerfG Beschluss v. 13.3.2012, 1 BvR 210/12). Das Landgericht München II hatte zuvor den Beschwerdeführer von einer Strafverhandlung allein aufgrund seiner Krawattenlosigkeit von einer Strafverhandlung ausgeschlossen.

Zwischenzeitlich hat sich eine gewisse „Krawattengnade“ zumindest für Anwälte in die deutschen Gerichtssäle eingeschlichen und haben sich die dogmatisch strengen Kleidersitten durchaus gelockert. So kann der Verfasser dieser Kolumne nur lobend hervorheben, dass die gerade die Jülicher Familienrichter gemäß dem vom Verfasser gern so bezeichneten Jülicher Landrecht bereits seit etlichen Jahren in familiengerichtlichen Sitzungen jeglichen Robenzwang abgelegt haben, was in meist allemal angespannter Situation ersichtlich für die Petenten zur Verhandlungsauflockerung und Mehrung des menschlichen Antlitzes der Justiz führt.

Gleichwohl gehört es selbstredend nach wie vor und unverzichtbar zum respektvollen Auftreten von Richtern und Anwälten, dass sie den Gerichtssaal hinsichtlich ihres Outfits nicht mit der Strandbar verwechseln.

Für Richter gilt im Übrigen weiterhin in fast allen Bundesländern grundsätzlich die Krawattenpflicht unter den Roben.

Und richterliche Roben sind bekanntlich nicht nur schwarz. Sie können je nach Gerichtsbarkeit auch grün oder blau ausfallen.

Die scharlachroten Roben der Richter des Bundesverfassungsgerichts entstammen im Übrigen der Kreation eines Münchener Kostümbildners in den 1950er Jahren. Sein Vorbild war die Richtertracht der Stadt Florenz im 15. Jahrhundert.

Verfassungsrichter tragen obendrein besondere Barette und anstelle der Krawatten sog. Jabots, lange weiße Halsbinden wie sie denjenigen der Amtstracht evangelischer Pastöre ähneln.

Und jetzt kommt – neben aller juristischer Modemaskerade – noch der Hammer, nämlich der Richterhammer!
Dieses ansonsten eher dem Handwerk zugehörige Werkzeug dient immer wieder als Sinnbild obwaltender Justiz, obwohl es im Gegensatz zu Auktionsveranstaltungen in deutschen Gerichtssälen gar nicht ertönt. Nordamerikanische Richter schlagen hingegen sehr wohl den Holzhammer, um z.B. beim Urteilsspruch Ruhe und Aufmerksamkeit zu fordern sowie Zucht und Ordnung zu gewährleisten. Der laut erschallende Hammerschlag dient den Richtern als zusätzliches Instrument der Ausübung ihrer Autorität.

Bleibt nach alledem auch für die Justiz die alt bewährte Erkenntnis:
Kleider (und andere Accessoires) machen Leute!
Und Justitia liebt offenbar die erlesene Maskerade.


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