Reichlich „Papierkram“ türmt sich vor Susanne Kremling vom Mädchengymnasium Jülich, Dirk Neumann vom Gymnasium Zitadelle und Holger Voltz vom Berufskolleg Jülich auf: Umfangreiche Visa-Anträge, Begleitdokument, Elternerklärungen bei Minderjährigen inklusive Geburtsurkunden sind für diesen Schüleraustausch beizubringen. Seit Mai planen die Lehrer den ersten Austausch. In fünf Vorbereitungsrunden sind Eltern und Kinder auf diese besondere Reise vorbereitet worden. „Die Schüler sollen verstehen, dass sie auf diplomatischer Mission sind“, sagte Susanne Kremling.
Und da gibt es allerlei zu bedenken: Es geht nicht nur um die Unterschiede in der Kochkultur und den Tischsitten, den Umgang miteinander im öffentlichen Raum, unter Freunden und innerhalb der Familie, es geht um das Verständnis für die Kultur und Historie des Gastlandes. In diese Vielfalt haben sich die Schülerinnen und Schüler durch Referate und auch beim Treffen im Juni eingearbeitet, als gemeinsam gekocht wurde und der chinesischer Student Xuangui Zhang vom Campus Jülich der FH Aachen– offiziell seitens der Stadt Taicang beauftragt– , sie in die ersten Tiefen seines Landes eingeführt hat.
Vorbereitet sein wollen vor allem auch die kritischen Aspekte. Wer „China“ hört, denkt hierzulande sofort auch „Hongkong“, denkt an die politische Situation und auch an den für unser Verständnis fragwürdigen Umgang mit Meinungsfreiheit und Menschenrechten. Auch zu diesen Themen ebenso wie zum Sozialpunktesystem, das bis 2020 in China eingeführt werden soll, gab es Referate. Die Auseinandersetzung ist wichtig, darüber sind sich alle einig, aber genauso darüber, und „nur das gegenseitige Kennenlernen und Verständnis füreinander kann zu Veränderungen führen“, wie es Dirk Neumann formuliert. „Indem man sich kennenlernt, überwindet man das Fremde“, sagt Anne Gatzen, die vom Amt für Stadtmarketing das Projekt vonseiten der Stadt Jülich aus begleitet. Ja, und lernen kann man auch voneinander. Während die Chinesen daran interessiert sind zu verstehen, wie das deutsche Ehrenamt funktioniert, können die Deutschen im Aspekt „Nachhaltigkeit“ profitieren, erläutert Anne Gatzen. Alles, was für die Zukunft wichtig sei – von Mobilität bis Bildung –, werde alle fünf Jahre wieder einer Prüfung unterzogen. „Das können wir von den Chinesen lernen.“
Die beiden Städte verbindet viel: 1000 Deutsche leben in der chinesischen Stadt in unmittelbarer Nähe von Shanghai und ebenso viele chinesische Bürger in Jülich. Die Kommunen sind stolz auf Nobelpreisträger der Physik als „Sohn ihrer Stadt“. Es sind Städte mit über 2000 Jahre alter Geschichte und heute modernste Wissensregionen mit dem ausdrücklichen Wunsch, wirtschaftlichen und kulturellen Austausch zu fördern. „Taicang hat innerhalb Chinas eine Sonderstellung“, erklärt Anne Gatzen. Ausdrücklich erwünscht ist hier das Experimentieren. Schon haben sich rund 300 deutsche Firmen in Taicang angesiedelt, darunter auch das Koslarer Unternehmen „Mondi“. Die chinesische Partnerstadt wird aufgrund der größten deutschen Community in China auch „Stadt der Deutschen“ genannt. „Taicang gilt als sauberste und glücklichste Stadt Chinas…“, sagte Anne Gatzen. „…und grünste“, ergänzt Susanne Kremling. Passt also, sind alle Beteiligten sich einig.
Von Sonntag bis Sonntag werden die Jülicher in Taicang sein und das, obwohl sie elf Tage unterwegs sein werden. Das ist die Macht der Sonne, also der Zeitverschiebung. Auf dem Programm steht neben Besichtigungen und Schulbesuch zum Abschluss ein dreitägiger Aufenthalt in Shanghai. Verständigen werden sich die Schüler von der Rur und jene vom Yamgtze auf Englisch. Eine kleine (Nach-)Hilfe bietet eine Chinesisch-App, die das Basisvokabular des Gastlandes vermittelt. Eins können sich die Jülicher aber schon mal merken: „Huanyíng Tàicang Shì!!“ heißt „Willkommen, Taicang!
Täglich wird der HERZOG von der Reise der Schüler-Delegation berichten.