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Frauenpower, Kunst und Karambolage

Kirsten Müller-Lehnen

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Stadt für Frauen - Aachen 1994 | Foto: Privat
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Herzog: Kirsten, technische Zeichnerin, Hannover, Arbeit bei der „Schweizerischen Bauzeitung“, Zürich, Werkkunstschule Hannover, Innenarchitektur, Soziologiestudium Berlin, Mitgründerin des Frauenmuseums, Bonn, Gleichstellungsbeauftragte in Jülich und Aachen, um nur einige deiner Stationen zu nennen. Was steckt dahinter?

Unrast, Gelegenheiten ergreifen, Neugier?

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K. Müller-Lehnen: Gestufte Ausbildungen waren damals normal. Das nannte sich 2. Bildungsweg. In den 70er Jahren wurde der Übergang von der Fachhochschule zum Universitätsstudium geöffnet. Die damaligen Studenten lösten sich vom Generationengehorsam, erzogen ihre Kinder antiautoritär, gründeten Kinderläden und neue Schulformen. Und die Frauen wurden sich ihrer Kräfte bewusst und speisten damit die Bewegung und nicht den Ehemann. Meine Schwerpunkte waren „Segregation im Stadtentwicklungsprozess“ und das Forschungsfeld Sozialisation. 1974-78 gab es in Berlin schon beträchtliche Ergebnisse im Bereich der Frauenforschung. Als ich 1978 nach Bonn zog, kam ich gerade richtig, um bei der Übernahme des Supermarktes im Bonner Norden, woraus später das Frauen Museum wurde, dabei zu sein. Wer, wo und warum, mit welchen Leuten und in welcher Qualität wohnt oder sich zu wohnen wünscht, war mein durchgängiges Arbeitsthema. Projekte gab es in Bezug auf Wohnwünsche von Alleinerziehenden und Personen ohne Obdach, auf das Leben im Alter und insbesondere das gemeinschaftliche Wohnen von Jung und Alt. In Verbindung mit Sozialplanung und dem Gleichstellungsauftrag von Mann und Frau hat der Deutsche Städtetag extra eine Kommission eingesetzt, die die Wohn- und Lebenswünsche von Frauen in den Mittelpunkt rückte. In NRW wurde beim Bauministerium eine Beraterinnengruppe einberufen, in der Architektinnen und Gleichstellungsbeauftragte zum Thema „Stadt der Frauen“ arbeiteten. Neue Rechtsgrundlagen wurden geschaffen, die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung möglich machten.

 

Herzog: Wenn ich dich jetzt für einen Roman konzipierte, welche anderen Helden gab es, blieb jemand oder etwas auf der Strecke?

KML: Anderer Helden bedurfte es nicht. Es war hoch spannend, was die Frauen gemeinsam erreichten. Aber es bedurfte noch anderer Erkenntnisquellen. Z.B. habe ich mich mit Astrologie, Bioenergetik und Feng Shui beschäftigt. Die eigene Mitte zu finden, Angst einzugestehen, Grenzen zu überwinden, das sind Dauerbrenner.

 

Herzog: Bei all deinen Fassetten, gibt es einen Äquator, etwas, das durch die Mitte läuft?

KML: Im Laufe des Lebens haben sich die unterschiedlichen Erfahrungen zu einem Selbstbild gerundet. Ich treffe gern auf Menschen, mit denen ich Kreativität teilen, was Gemeinsames aushecken und in die gegenständliche Welt umsetzen kann. Ich kriege leuchtende Augen, wenn jemand nicht als Schuster bei seinen Leisten geblieben ist, sondern gesellschaftliche Entwicklungen für sich nutzt und mit anderen bewerkstelligt, was allein ein Traum geblieben wäre.

 

Herzog: Stichwort Kreativität. Nietzsche unterscheidet die Künste in eine apollinische und eine dionysische. Apollo, der Gott des Logos, der Mathematik und der Musik.

Dionysos, der Gott des Eros, des Rausches und der Musik. Zwei völlig unterschiedliche Wege zu den Künsten. Welchen würdest du für dich beanspruchen?

KML: Akademisches Göttergefasel und dann noch Nietzsche, der die Peitsche empfahl, aus Angst vor Frauen. Quer durch die Bank. Bauch und Kopf lasse ich nicht gern auseinander fallen.

Kirsten Colombo heute | Foto: HERZOG

Herzog: Gibt es eine wichtige Wegbegleiterin, es darf auch ein Mann sein?

KML: Was soll die Satzerweiterung: es darf auch…?

Mich haben die Formen interessiert, die Frauen meines Alters im Zusammenleben mit Männern ausprobiert und gewählt oder abgewählt haben.

An Wegbegleitern reizen mich die Reibung und das gemeinsame Wachsen. Großzügigkeit und Verlässlichkeit finde ich unabdingbar. Wenn sich die Wege trennen, dann kann das wehtun, aber letztendlich brauchte man Luft für eine andere Qualität, die gefehlt hat. Mit meiner besten Freundin Brigitte verbindet mich eine über 30 Jahre andauernde Freundschaft. Ich bin wie sie Mutter und Großmutter, wir gehen gemeinsam durch dick und dünn und stellen uns in tiefem Verbundensein auch den selbstkritischen Fragen des Lebens. Das ist mein Anker.  Auf den Koordinaten der Kunst, bei Dreieck e.V. und im Kunstverein z.B. oder in der Galerie Alte Weberei, an Orten, wo Kunstproduzenten ihre Arbeit gemeinsam entwickeln oder präsentieren, finden sich derzeit Weggefährten, die sich über ihre Bildsprache definieren und als Künstler in ihre Alterslebenszeit blicken. Spannend, mitzukriegen, wie sich die Vorstellungen vom Alter geändert haben. Also ich hoffe, da liegen noch Wege und Begleiter vor mir. Da gibt es auch Vorbilder, z.B. Maria Lassnigg, Per Kirkeby, David Hockney. Die gehen auf die 80 zu und lassen sich immer wieder auf neue Herausforderungen ein.

 

Herzog: Bitte erzähle mir zum Schluss deine Lieblingsanekdote.

KML: Es gibt eine Anekdote, die mein Verhältnis zum Autofahren beschreibt: Als ich in einer fremden Stadt einen älteren Passanten nach dem Weg fragte, erbot sich dieser, in mein Auto zu steigen und mitzufahren. Am Ziel der Suche angekommen, verließ der alte Herr aschfahl den Wagen, sich bekreuzigend mit den Worten, „dass ich das überlebt hab`“. Mein Angebot, ihn im Gegenzug an seinen Bestimmungsort zu fahren, lehnte er ab: “Den Rest meines Lebens gehe ich zu Fuß“.

Der Fahrlehrer, bei dem ich nach 20 Jahren Autoabstinenz noch mal auffrischen wollte, riet mir übrigens dasselbe.

 

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Dieter Laue
Dieter ist hauptberuflich Künstler. Laue malt seine Bilder nicht, sondern er komponiert und improvisiert wie ein Jazzmusiker. Sein freier Gedankenfluss bring die Leser an die verschiedensten Orte der Kunstgeschichte(n). Er lässt Bilder entstehen, wo vorher keine waren. In Bild und Schrift.

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