Diesmal zieht es mich in die Randgebiete der Stadt Jülich. In den Bergregionen Barmens bin ich zu Gast in den privaten Gemächern von Ross Michael Patrick Paul Lynch – kurz Ross vom Irish Pub. Es ist Sonntag 13.30 Uhr und die geschlossenen Rollladen lassen vermuten, dass noch einiges im Argen ist, nachdem wir uns in der Nacht zuvor um 4.00 Uhr getrennt haben…
Dingdong… Es dauert und dauert, doch dann öffnet sich die Tür einen Spalt und ein Berg Haare streckt sich mir entgegen.
Ross: Holy moly (heiliger Bimbam), Uwe!
Uwe: Na SpongeRoss, kannst Du auch nicht mehr schlafen?
Ross: Mhhh, come in.
Uwe: Ross, die meisten Leute kennen Dich als den verrückten Wirt aus dem Pub. Du bist aber ursprünglich nicht nach Deutschland gekommen, um Wirt zu werden.
Ross: Nein, ich habe mich um einen Studienplatz im sozialen Bereich beworben. Norwegen, Frankreich und Deutschland standen zur Wahl. Ich habe mich für Deutschland entschieden, bin dann nach Wiesbaden gekommen. Ich habe mich so auf mein erstes deutsches Bier gefreut. Unter Irland stellen sich die Deutschen ein kleines Haus auf einer Wiese mit Schafen vor, wir Iren stellen uns unter Deutschland riesige Literkrüge mit Bier vor. Ich bin dann in einen Biergarten, habe ein Bier bestellt und bekomme ein 0,2 l. Pinnchen. Ich dachte, irgendwo ist eine versteckte Kamera!
Uwe: Und da warst Du enttäuscht von Deutschland?
Ross: Nein, es war ein Paradies! Dachte ich… Die Taxis waren alles Mercedes, ich war noch nie Mercedes gefahren. Und an der Bushaltestelle kam der Bus, machte alle Türen auf, die Leute stiegen ein und irgendwann wieder aus. Kein Ticketschalter, Schaffner o.ä. Keiner hat irgendwo bezahlt. Ich dachte, Deutschland ist so reich, dass alle Taxis Mercedes sind und alle mit kostenlosen Bussen fahren können! Ich bin überall hingekommen und habe erst ein halbes Jahr später erfahren, dass man doch irgendwo Tickets kaufen muss.
Uwe: Und das Studium:
Ross: Neben dem Studium musste ich im sozialen Bereich arbeiten, so eine Art ”Au Pair”-Mädchen bei einer Familie. Um finanziell über die Runden zu kommen, habe ich zusätzlich in einem Hotel hinter der Bar und in der Küche gearbeitet.
Uwe: Aha, da war dann die Grundlage geschaffen.
Ross: Ja. Ich habe 2 Semester in Wiesbaden gemacht und hörte von Bekannten von ”Paddy Murphie’s”-Kette. Die gab’s aber nur in Solingen, Köln, Duisburg, Dinslaken, Kamen, etc… Ich habe mich trotzdem beworben und wurde zu einem Vorstellungsgespräch nach Duisburg eingeladen. Ich wurde als Springer in verschiedenen Pubs eingestellt, mal da paar Tage, mal da…und eines Tages meinte der Chef dann, ich soll am Wochenende nach Jülich. Ich bin also mit der Bahn über Köln nach Düren und dann in die Rurtalbahn. Man weiß ja, dass die Deutschen auf Grund ihres Sauerkrautkonsums im englischen Sprachraum ”The Krauts” genannt werden und ich hörte aus dem Lautsprecher der Bahn die Ansage: ”Nächster Halt: Krauthausen” und habe mich fast totgelacht. Schlimmer war aber, als ich an der Fabrik mit den Militärwagen (Anm. d. Red: Heeresinstandsetzungswerk) vorbeikam. Da stand alles voll mit Bundeswehrfahrzeugen, hunderte!!! Ich dachte, die planen hier eine Invasion! In Jülich bin ich dann in ein Taxi rein und wollte zum Irish Pub. Der Taxifahrer fuhr dann Schwanenteich, Sparkasse, Zitadelle, Krankenhaus.. und ich habe gesagt: ”Ich will aber zum Irish Pub!”, der fuhr immer weiter aus dem Zentrum raus. Aber dann standen wir vor dem Pub… in einem Wohngebiet…!!! Es war gegen 15.00 Uhr und der Pub hatte zu! Ich habe geklingelt und überall geklopft, aber nix tat sich. Da stand dann, dass erst um 18.00 Uhr geöffnet wird und ich bin zurück in die Stadt. Da habe ich als erstes bei Panciera ein Spaghettieis gegessen und dann noch eins…
Uwe denkt: Ich lass den einfach reden und frag nix…
Ross: ...dann habe ich also mein erstes Wochenende in Jülich gearbeitet. Bin dann wieder durch andere Pubs getingelt und zwischendurch auch wieder nach Jülich. Dann kam die Paddy Murphy Krise, fehlende Gehälter, Entlassungen und der Manager bot mir an, einige Zeit fest in Jülich zu bleiben. Da ich sowieso im September wieder nach Irland wollte, habe ich gesagt, dass ich solange in Jülich bleibe.
Uwe: War aber nix mit September, du hast den Pub dann ganz übernommen.
Ross: Ja, aber nur bis September, weil ich meinen Aufenthalt in Deutschland nur für ein Jahr verlängert hatte. Es war zu Beginn sehr schwer, weil zu der Zeit das Kuba eröffnet wurde und die jungen Leute dort hin gegangen sind. Es hat einige Zeit gedauert, bis es lief und in der Zwischenzeit hatte ich mich entschlossen in Jülich zu bleiben.
Uwe: Du hast dann sogar noch einen zweiten Pub in Erkelenz gehabt.
Ross: Ja, aber das war keine gute Idee.
Uwe: Erkelenz ist auch nichts für Dich, bleib mal schön hier, du hast doch eh keinen Führerschein…
Ross: Aber ich bin seit 2001 bei der Fahrschule angemeldet. Habe immer mal wieder angefangen und wieder alles auf Eis gelegt. Der Hammer ist, dass mein Fahrlehrer vor kurzem sagte, dass ich momentan sowieso keine Prüfung machen kann, weil ich zu viele Flensburger Punkte habe. Da habe ich ihm gesagt, dass ich gar kein Flens trinke. Das habe ich zuerst nicht verstanden mit den Punkten. Aber wir haben ein Auto, das auf den Pub zugelassen ist und ich bin quasi der Halter. Alle die damit z.B. zur Metro fahren oder irgendwo einkaufen und geblitzt werden oder anderen Unsinn machen, bekommen nicht die Punkte, sondern ich… Jetzt habe ich keinen Führerschein, kann aber auch keinen machen, weil ich zu viele Punkte habe.
Uwe: U.a. fährt dein Bruder damit, der auch in Jülich hängen geblieben ist.
Ross: Paddy ist 2004 nach Jülich gekommen, wollte auch nur ein halbes Jahr bleiben…
Uwe: Diese alte Herzogstadt zieht also nicht nur Heerscharen an Touristen aus den umliegenden Regionen in ihren Bann…!
Ross: Nein, weißt Du, als ich zum ersten Mal nach Jülich kam, dachte ich „oh my god!“ – und dann habe ich sehr schnell Freunde gefunden. Und auch die Stadt ist little and green and familiar.
Uwe: Apropos Freunde, mit zweien warst du zusammen im CCKG Dreigestirn!
Ross: Jesus!!! Du hattest mich ja schon oft gefragt, aber ich hatte meistens an Karneval meinen Urlaub gebucht. Aber dann hast Du mir 2009 gesagt, ich werde 2011 Prinz. Und solange im Voraus hatte ich keine Chance Urlaub zu buchen.
Uwe: Du siehst allerdings heute aus, als könntest Du dringend welchen gebrauchen. Ich will dich nicht weiter stören, leg dich wieder hin und „Danke“ für`s Gespräch.
Ross: Holy moly…!