Liebe Frau Geyer-Byrau, lieber Herr Geyer!
Es war Mitte Dezember 2017, als ich über den Marktplatz radelte und dort einen Lieferwagen der Fa. Geyer sah. Ein Herr schleppte fleißig einen Sack Baumaterial nach dem anderen in das Haus nördlich des Marktplatzes. Augenscheinlich sollte hier gebaut werden. Die alte Eisdiele stand ja schon lange leer und endlich tat sich hier etwas. Nun, der Marktplatz ist ja nicht irgendein Ort in Jülich und so entschloss ich mich, den Herrn einfach anzusprechen. Ich würde gerne mit seinem Chef sprechen, was dieser für Pläne hier hätte. Erstens war der fleißige Herr selbst sein Chef und zweitens reagierte er – ich sage einmal – überrascht, dass sich jemand für seine Arbeit hier interessierte.
So kamen wir ins Gespräch, Herr Geyer, und ich muss sagen, es waren immer sehr offene und interessante Gespräche. Selten habe ich bei einem Bauherrn soviel Verständnis für den historischen Hintergrund des Erscheinungsbildes unserer Stadt gefunden. Und für die Tatsache, dass dieses charakteristische Erscheinungsbild aus der Zeit des Wiederaufbaus unter dem Schutz einer Denkmalbereichssatzung steht. Die frühere Ansicht dieser für Jülich so prägenden Gebäude auf der Nord- und Westseite des Marktplatzes war seit Jahren schmutzig und hässlich. Bei Führungen fiel es stets schwer, die Gäste von dem besonderen Stil dieser Gebäude und ihrer Bedeutung für den Nachkriegswiederaufbau zu überzeugen. Sie, Frau Geyer-Byrau und Herr Geyer, Sie aber haben es mutig in Angriff genommen. Sie sanieren diese Gebäude, Sie haben sie für das Café umgebaut, Sie passen sie an die Bedürfnisse einer neuen, älter gewordene Mietergeneration an. Und Sie orientieren sich dabei eben auch an den Anforderungen des Denkmalschutzes. Ein äußerst ambitioniertes Unterfangen.
Denkmalschutz, immer wieder Denkmalschutz! Lassen Sie mich hier betonen, meine Damen und Herren, Denkmalschutz ist kein Selbstzweck. Denkmalschutz soll nicht dazu dienen, nur alte Steine vor dem Schreddern zu bewahren oder den Bauherren das Leben schwer zu machen. Im Gegenteil! Beim Denkmalschutz steht der Mensch im Mittelpunkt – nicht das Denkmal! Ich zitiere die Deutsche Stiftung Denkmalschutz: „… als Denkmale ausgewiesene Zeugnisse historischer Architektur prägen das Lebensgefühl der Menschen in besonderer, ganz anschaulicher und unmittelbarer Weise. Für Einheimische stellen sie Vertrautheit her, rufen Traditionen wach und vermitteln ein Gefühl von Heimat. Für Touristen machen regionaltypische und unverwechselbare Ortsbilder … , den Reiz einer Stadt …. aus. An Denkmalen lassen sich historische Ereignisse und Entwicklungen ablesen, dabei wird ihnen gar die Eigenschaft zugesprochen, Identität zu stiften.“
Mit der harmonischen, dem Geist des Denkmalbereichs entsprechenden Sanierung und Modernisierung von Teilen der Marktplatzbebauung füllen unsere beiden Preisträger diese Worte mit Leben. Dank Ihrer Initiative und der damit einhergehenden Ansiedlung des „Cafés Extrablatt“ ist es Ihnen, liebe Frau Geyer-Byrau, und Ihnen, lieber Herr Geyer, gelungen, dem Marktplatz im Herzen der Stadt eben ein Stück seiner Identität zurückzugeben und ihn – zu Teilen zumindest – wieder neu zu beleben. Bürgerinnen und Bürger fühlen sich dort augenscheinlich sehr wohl! Herzlichen Dank!
Wie unsere ersten Stadtmarketing-Preisträger vor zwei Jahren, die Familie Berchem, setzen Sie mit Ihrer Initiative auch ein Zeichen für unsere Stadt. Sie geben Beispiel für andere Investoren im Bereich der Pasqualinischen Altstadt. Wir erleben hier derzeit einen wahren Bauboom. Sicher muss jede Zeit ihren Baustil finden. Doch sollte es für Bauherren und Architekten reizvoll sein, den charakteristischen Stil ihrer Stadt als Herausforderung anzunehmen und ihn in einer angemessenen Architektursprache fortzuschreiben. Bauherren gestalten nicht nur einfach ein Gebäude. Sie tragen mit seiner Kubatur und der Gestaltung der Fassade auch die Verantwortung für das zukünftige Erscheinungsbild ihrer Stadt. Bei den Gebäuden unserer Laureaten kann man beobachten, dass es dabei – aufgrund der speziellen Jülicher Rahmenbedingungen – auf zahlreiche Details einer Fassade ankommt.
Lassen Sie mich hier nur auf wenige dieser Details eingehen. So z.B. auf die Erdgeschossfassade des Cafés. Die Geschäftswelt ist leider im Laufe von über 60 Jahren speziell mit den Erdgeschossfassaden der Wiederaufbauzeit, ich sage es, wie es ist, brutal umgegangen. Schauen Sie sich das Erdgeschoss der Westseite des Marktplatzes oder das alte Röttgen-Gebäude an. Da bekommen Sie einen Eindruck davon, wie individuell gestaltete Schaufensterfassaden in Jülich einmal aussahen – große, zurück versetzte Schaufenster in einer mit Naturstein verkleideten Fassade. Sie sollten den Passanten einen arkadenähnlichen Eindruck vermittelten. Und so wurden diese Straßenfronten prägend für den durchaus kleinstädtischen Charakter der Jülicher Altstadt, einer ja im Grunde aus nur weinigen Straßen bestehenden Stadt. Was im Laufe der Jahre leider daraus wurde, sind sehr oft gesichtslose Aneinanderreihungen von bis zum Boden reichenden Glasscheiben, wie sie eher einer Großstadt gemäß sind, aber den individuellen Charme einer kleinen Stadt zerstören. Und so ist es eben nicht verwunderlich, dass die überkommenen alten Fassaden bei Führungen von den Gästen – und auch von den Einheimischen, möchte ich hier betonen – ausnahmslos als ansprechend empfunden werden. Das sollte uns zu denken geben.
Wie man nun an der Fassade des Cafés erkennen kann, wurde hier ein Weg gesucht, den Wunsch nach einer im Sommer zu öffnenden Glasfront mit dem Historischen zu verbinden. Um diesen ansprechenden Charakter wieder zu beleben, wurde den Zwischenwänden bewusst der Charakter von Pfeilern gegeben, indem diese nach vorne aus der Wand herausgezogen und mit Naturstein verkleidet wurden. Zudem wurde so auch der Eckpfeiler zum Marktplatz hin besonders betont.
Auch wurden die Fenster des Dachgaubenbandes so weit wie bautechnisch möglich verschoben, um wieder einer senkrechten Fluchtung mit den Fenstern in den beiden Obergeschossen nahe zu kommen. Wenn jetzt dort auch wieder Sprossenfenster einziehen, ist es der stimmige Gesamteindruck des Gebäudes, der den Marktplatz ein Stück mit prägen wird. Wobei der Westflügel ja noch in Arbeit ist.
Wichtig ist eben nicht nur die Denkmalbereichssatzung. Sie gibt nur die grobe Gebäudestruktur, Höhe und Ausrichtung vor. Für das ansprechende, stimmige Bild sorgen eben erst die – manchmal auch nur kleinen Details einer Fassade. Deswegen brauchen wir in Jülich, wie in jeder anderen Stadt mit einer Denkmalbereichssatzung auch, eine Gestaltungssatzung. Sie erst spannt für das Erscheinungsbild den Rahmen auf.
Damit wäre auch unserer Laureaten geholfen gewesen. Stattdessen ist es Ihrer Aufgeschlossenheit zu verdanken, dass sie sich in die Thematik eingearbeitet und fachmännischen Rat eingeholt haben. So sind sie diesen Details nachgekommen, die darüber entscheiden, ob sich das neue Erscheinungsbild in den Denkmalbereich einfügt, ob damit sein Geist gelebt wird, ob auch in Zukunft Ambiente und Flair der Jülicher Innenstadt viele Bürgerinnen und Bürger sowie unsere Gäste ansprechen.
So stellt Denkmalschutz auch Stadtmarketing dar! Und daher ist es nur konsequent und folgerichtig, dass Sie, liebe Frau Geyer-Byrau, und Sie, lieber Herr Geyer, mit dem diesjährigen Preis des Stadtmarketings Jülich ausgezeichnet werden! Unseren ganz herzlichen Dank für Ihr herausragendes Engagement für unsere Stadt und ihre Menschen! Weiterhin viel Erfolg für Ihr Projekt!
Herzlichen Glückwunsch!
Zum Artikel „Positive Potentiale im Blick„