Start Magazin Kunst & Design Das Schicksal des Künstlers

Das Schicksal des Künstlers

Hungrig, todkrank, verrückt oder in Gips auf dem Klavier…

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Das Schicksal des Künstlers | Foto: HERZOG
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Ein Großteil des Vergnügens, für den Herzog zu schreiben, besteht darin, durch einen kunsthistorisch völlig abwegigen Begriff wie Seitensprung, Sommerloch oder Dimension hindurch zu müssen und einen Pfad zu finden, der dann doch irgendwie in den Bereich Kunst und Design führt. Durch dieses Nadelöhr hindurch sind kleine Texte entstanden, die ich sonst nie geschrieben hätte. Das macht Spaß. Aber Dreizehn?

Es gibt ein Quattrocento und ein Cinquecento, die italienische Renaissance, es gibt auch einen Ludwig den Vierzehnten und Bilder und Büsten von ihm. Folglich müsste es auch einen Dreizehnten gegeben haben. Also ran an Google. Es gibt ihn auch. Immerhin ein Sohn von Henry IV, dessen Reiterstandbild auf der Seinebrücke hin zur Kathedrale Notre Dame steht. Aber Louis XIII, das ist das Label eines gehobenen Cognacs und auch sonst nur etwas für Spezialisten.

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Also noch einmal Google und die 13 eingeben. Es kommen ein paar amüsante Nichtigkeiten hoch. So ist die Zahl 13 die allererste gezogene Zahl bei den deutschen Lotto-Ziehungen „6 aus 49“ gewesen und seitdem aber die mit Abstand am seltensten gezogene Zahl. Auf amerikanischen Hotelfluren folgt auf die Zimmernummer 12 die Nummer 14. Allerdings hatten die USA bei ihrer Gründung 13 Staaten. Das ließe sich endlos fortführen, führt aber zu nichts.

Also bleibe ich bei dem, was uns die 13 landläufig bedeutet, dem Unglück. Und das führt mich dann auch ohne Umwege direkt in die Kunst. Der Hungerleider, der Wahnsinnige, der Verkannte, das sind die gängigen Assoziationen beim Begriff Künstler. Es gibt auch ausreichend Beispiele dafür.

Rembrandt, der arme Müllersohn, anfangs erfolgreich, gerät er im Laufe seines Lebens mehr und mehr in die Armut. In jungen Jahren malt er sich, frisch vermählt, die Gattin Saskia auf dem Schoß, dem Betrachter mit dem Sektglas zuprostend. Aber schon sein berühmtestes Bild, die Nachtwache, ruinierte seinen Ruf. Man empfand es als einen Skandal, dass die Schützengilde, die Freiwilligenarmee zur Verteidigung des Landes, in Unordnung und Durcheinander dargestellt wird. Das ist im Angesicht des Feindes vor den Toren nicht ganz unwahrscheinlich, aber man wollte sich lieber in schmucker Ordnung wie auf dem Schützenfest sehen. Der zweiten Gefährtin Hendrikje, mit der er in wilder Ehe lebt, gelingt es eben noch, den völligen Ruin zu verhindern. Sohn Titus stirbt. Das letzte Selbstporträt Rembrandts zeigt einen alten Mann, das Gesicht zerfurcht, Leberzirrhose, wie Gottfried Benn anhand des Gemäldes diagnostizierte.

Wenn man etwas zu nah an das Bild herantritt, verschwindet das Porträt. Es löst sich im Duktus des Spachtels, in dessen Furchen und Hieben auf und wird zu einem Mineral, einem Stein, der sich beim Schritt zurück wieder zum Gesicht eines vom Schicksal Gezeichneten verwandelt. Dazu ein Lächeln, demütig, weich, be-jahend, ein Gesicht wie zwischen Decken auf dem Abluftschacht eines Kaufhauses. Oder van Gogh. Das Schicksal ist Legende, ich werde es nicht noch einmal erzählen.

Als ich ihn das letzte Mal sah, ich besuchte ihn im Museum Quaie d´Orsay, das blau-grüne Por-trät, das ich aus den zuckenden Energien der Pinselführung zu materialisieren scheint, war der Saal mit einer Schulklasse von Japanern angefüllt. Erotisiertes Gequietsche, Kichern, Gerenne unter I-Phone Kopfhörern. Sein Bild Schwertlilien war in jenen Tagen gerade für viele Millionen im Safe eines japanischen Geschäftsmannes verschwunden.

Also statt des Gesprächs mit ihm ein Blick aus dem Fenster, von der Höhe des ehemaligen Bahnhofs weit über die Ile de France hin zu den Hügeln, die aus dem Tal der Seine steigen, auf die Zuckerbäckerarchitektur der Sacre Coeur. In der Ferne die Banlieu. Satelittenstädte, Krawalle, brennende Reifen, Prostitution, Drogen und überall Grafitti, die Mauern als Leinwände nutzend. Darin feiert die so oft totgesagte Malerei ihre aktuelle Auferstehung. Kein Videogeflimmer, keine Neon-Installationen: Farbe auf Fläche, ein seit den Höhlen von Lascaux unverändertes Ausdrucksmittel. Wobei die Verwendung von Spraydosen unerheblich ist. Farbe auf Fläche ist Malerei.

Dazu eine wirklich neue Formensprache, die auch Inhalte transportiert. Typografisches, Piktogramme, Trademarks und Comics verbinden sich zu Botschaften. Wenn irgendetwas Ausdruck der Zeit ist, dann diese Arbeiten, für die Namen wie Keith Haring oder Jean-Michel Basquiat stellvertretend stehen. Ein Schwuler und ein Haitianer, beide bereits tot, keine Vierzig, Aids und Überdosis. Passt schon.

Oder Harald Nägeli in Köln, in der Unterwelt der Stadtautobahnen. Die Betongrotten der Auf- und Abfahrten, die Pfeiler und Wände tragen den Abdruck zersägter Bäume, die Holzmaserung der Schalbretter. Die Stämme eines versteinerten Waldes, dazwischen bunt spiegelnd, das nächtliche Fließen des Rheins und plötzlich ein Huschen, das Auf- und Abtauchen von Nymphen, Psychen oder Sylphen. Gesprayte Wasser- und Luftgeister, Glasflügler.

Ein Urbild des Künstlers ist Orpheus. Er sang so ergreifend, dass der Gott des Todes seine ums Leben gekommene Gattin Eurydike freigab. Unter der Bedingung, dass sich Orpheus beim Aufstieg aus der Unterwelt nicht nach ihr umschauen durfte. Die Griechen waren ein kluges Volk, sie hatten genau erfasst, dass der Künstler eines am wenigsten durfte: sich rückversichern.

Natürlich würde jeder gerne im Museum hängen, Ruhm erfahren. Aber bitte doch keinen Nachruhm mit so einem Hundeleben. Wir lassen riesige Gebäude beleuchten, beheizen und bewachen und dann ziehen wir ein schiefes Gesicht, wenn der Sprössling verkündet, dass er Künstler werden wolle. Jetzt schlägt´s aber 13. Künstler, so etwas hat man aus Gips auf dem Klavier, aber doch nicht in der Familie.

Draußen schlägt´s Zwölfe, auf dem Balkon wird mitgezählt, also Schluss und raus, Böller gucken und mit Freunden anstoßen.

Prosit Neujahr, prosit 2013, prosit Herzog Nr. 13.

 

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Dieter Laue
Dieter ist hauptberuflich Künstler. Laue malt seine Bilder nicht, sondern er komponiert und improvisiert wie ein Jazzmusiker. Sein freier Gedankenfluss bring die Leser an die verschiedensten Orte der Kunstgeschichte(n). Er lässt Bilder entstehen, wo vorher keine waren. In Bild und Schrift.

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