Während der eine es genießt, ist es dem anderen lästig. Ist das eher charakter- oder sozialisationsbedingt? Ja, wann kommt der denn endlich zur Sache und wann ist er zügig damit durch? Fragen Sie sich das gerade? Dann lesen Sie besser nicht weiter, sondern senden Sie eine erboste schnelle Sprachnachricht (tippen dauert zu lange) an die Redaktion, aber zack-zack! Denn Sie werden es nicht mehr lernen, dass Lesen mehr ist, als die eilige Aufnahme von flott Heruntergeschriebenem zu ihrer oberflächlichen Unterhaltung.
So, liebe Verbleibende – die sind schon mal weg, und ich darf meine leider unmaßgeblichen Gedanken Ihnen naheschreiben. Ungeduldig wurden sie nur von der Redaktion erwartet – SIE nehmen sich jetzt Zeit. Sonst hätten Sie auch keine – wer sollte Sie Ihnen denn geben? Was man von der eigenen Zeit hat, können und dürfen wir heutzutage mehr denn je selbst bestimmen. Und tun es selten. Ungeduldig wird der nächste „Event“ erwartet. Ein Ereignis, das wir nicht selbst herbeiführen, sondern von dem wir uns zeitvertreibend (ver-)führen lassen.
Ja, das war‘n geiles Wochenende! Was machen wir nächstes? Na – das Gleiche – unruhig erwartet das Gleiche unwesentlich variiert habend bleibt – Ungeduld. Da muss doch noch was kommen!? Klar, ja, irgendwas kommt immer, nur nicht das Herbeigesehnte: Zufriedenheit – und schon gar nicht: Ruhe. Deren Feindin die Ungeduld ist. Die fällt den Baum, bevor er Früchte trägt. Oder pflanzt ihn gar nicht erst – boah, das dauert, bis… in der Zeit kann ich mir das, was er vielleicht nicht bringen wird und noch ganz anderes kaufen.
„Ich kann es gar nicht erwarten, bis mein Amazon-Päckchen kommt. Ich hab‘ schon im Internet nachgefragt, wo es gerade ist, irgendwo bei Osnabrück, weiß auch nicht, wo das liegt…“ Und worum geht es meistens? Um Killefitt, der dann eh wieder zurückgeschickt wird: „Das hatte ich mir aber anders vorgestellt!“ Und ungeduldig hupt man, weil der Lieferservice für den Nachbarn (oh, ach so, das ist für mich…) die Straße blockiert…
Sie lesen mich noch? Erstaunlich, danke. Immerhin nehme ich mir ja auch Zeit für Sie – indem ich langsamer schreibe, als Sie es jetzt lesen können. Und ich weiß, wovon ich schreibe, denn Abwarten gehört zu meinen strapaziösesten Untätigkeiten und Geduld zählt nicht zu meinen Veranlagungen. Die muss man lernen, wenigstens üben. „Jaja, aber wann? – dafür habe ich keine Zeit!“ Sagt jedenfalls unsere heutige Zeit, die nicht nur ungeduldig auf die nächste Wottzäpp-Nachricht wartet, sondern diese auch unverzüglich beantworten muss. Und damit die Zeit verschwendet, in der man Sinnvolleres tun könnte, als ein Foto zu senden, das zwar kein Schwein interessiert, aber auf das irgendein Mensch schon zügig reagieren wird- nur um noch sein eigenes draufzusetzen.
Ja, Sie vermuten richtig: ich habe kein Smartphone. Nicht weil ich Angst habe, es könnte smarter sein als ich, sondern um mir Zeit zu lassen. Und sie anderen zu geben – zumindest die, sich zu überlegen, ob es wirklich nötig ist einen Termin dreimal zu verändern oder ob es nicht besser ist einfach bei dem festgelegten zu bleiben. Und wenn Mama vergessen hat mir etwas auf den Einkaufszettel zu schreiben, soll sie sich das beim Nachbarn leihen. Das ist eine Form von sozialem Netzwerk, die auch mal funktionierte, obwohl man nur ahnte, ob der Nachbar Likes hatte oder gar ein Follower war. Naja – Sie jedenfalls followen mir noch lesend, und so lasse ich denn einen anderen zeitlos zu Wort kommen, nämlich den doch immer mal wieder treffenden Jo-Wolf von Goethe:
Nichts taugt Ungeduld, noch weniger Reue; jene vermehrt die Schuld, diese schafft neue.
Warten wir‘s also geduldig ab —doch nicht zu lange! mahnt Marie von Ebner Eschenbach:
Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die Zeit vorüber, in der man kann.
Oh – bis dann – ich muss jetzt mal schnell die soeben eingetroffene Mail lesen – ich bin, äh, ja, das ist – bestimmt ganz wichtig…