Ob in der Eisdiele, bei einer Party, im Supermarkt oder im heimischen Vorratsschrank. Schokolade, Fruchtgummi, Kekse, Pudding und und und – ohne Zucker würden die Leckereien wohl gar nicht mehr so gut munden. Und wer in den nächsten Wochen durch Jülich wandelt, weiß, warum er den merkwürdigen, leicht verbrannten, irgendwie Lakritz ähnlichen Geruch hinnimmt. Die Jülicher Zuckerfabrik läuft wieder auf Hochtouren und beschert nicht nur den Jülichern den jährlichen Zuckervorrat.
Eine Revolution
Nachdem im 18. Jahrhundert erstmals der Zuckergehalt einer Rübe nachgewiesen worden war, eroberte das Fuchsschwanzgewächs die Agrarflächen Europas und wurde zu dem Zuckerlieferant schlechthin. Damit konnte sich die Mittelschicht erstmals das Süßungsmittel leisten. Zuvor war Zucker vor allem für medizi-nische Belange eingesetzt worden.
Sind die begehrten Zuckerrüben aber erst einmal geerntet, ist es noch ein weiter Weg bis in die selbst gebackene Torte, die Kaubonbons oder den Joghurt. Auf Traktoren werden sie zum Leidwesen vieler Autofahrer durch den Verkehr des Jülicher Umlands an ihren Bestimmungsort, die Zuckerfabrik, transportiert. Dort angekommen werden sie zunächst gewaschen und in Schnitzel zerkleinert.
Doch bis aus den kleinen Stückchen herrlich süßer Kristallzucker geworden ist, warten noch viele Arbeitsschritte. Mit Hilfe von heißem Wasser wird das aus den Stückchen herausgelöst, was bei uns als Zucker bekannt ist: Die Saccharose. Die übrig bleibenden Schnitzel werden nach weiteren Verarbeitungsstufen als Viehfutter verwendet.
Bevor aus dem Wasser-Zucker-Gemisch Kristallzucker gemacht werden kann, müssen allerdings zunächst andere Stoffe herausgelöst werden. Das geschieht mithilfe von Kalkmilch, in der Fachsprache Calciumhydroxid. Nach Eindicken des hellgelben Saftes wird aus der Masse, die nun mindestens 65 Prozent Zuckeranteil aufweist, mithilfe von Unterdruck der Kristallzucker gewonnen.
Des Deutschen liebstes Kind im Süßwaren-dschungel scheint dabei immer noch die Schokolade zu sein. Nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie wurden 2011 über eine Million Tonnen Schokoladenwaren hergestellt. Das eher im Sommer beliebte Eis landet auf dem vorletzten Platz. Geschlemmt wurden 2011 trotzdem ganze 368400 Tonnen.
Konkurrenz auf Kurs
Doch Zucker aus der Rübe ist bei weitem nicht der einzige Zuckerlieferant. Nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wird Zucker weltweit zu fast Dreivierteln aus Zuckerrohr hergestellt. In Deutschland bleibt aber weiterhin die Zuckerrübe Hauptlieferant für alles, was lecker und süß ist. Konkurrenz dürfte die heimische Zuckerpflanze in Zukunft aber wohl von der Steviapflanze bekommen, denn die ist seit Dezember vergangenen Jahres auch in der EU zugelassen. Die daraus gewonnenen Stevioglycoside sind nicht nur wesentlich süßer als Zucker. Den gesundheitsbewussten Jülicher wird es freuen: Sie sind auch noch frei von Kalorien. Allerdings sind der industriellen Verwendung in Deutschland Grenzen gesetzt. Die Lebensmittelhersteller werden ohnehin wohl die ein oder andere Rezeptur verändern müssen. Denn einen Nachteil hat die vermeintliche Wunderpflanze: sie hat einen merkwürdigen Nachgeschmack, leicht bitter, vielleicht auch wie Pfefferminze. Das dürfte so manchen Geschmack von Backwaren und Co. empfindlich stören.
So schnell werden die Jülicher also in Zukunft nicht auf den altbekannten Geruch der Zuckerfabrik verzichten müssen.