Start Magazin Vom Buchsbaumzünsler, der kleinen Raupe Nimmersatt

Vom Buchsbaumzünsler, der kleinen Raupe Nimmersatt

Der Buchsbaum-Künstler, ehm, -Zünsler ist ein eher unscheinbarer weißer Kleinschmetterling mit braunem Rand, den man kaum wahrnimmt und dessen Raupen auf den Verzehr von Buchsbaum-Blätter spezialisiert sind. Die Raupen treten in hohen Stückzahlen auf und zerstören die Buchsbaum-Pflanze durch Kahlfraß, wenn man nichts dagegen unternimmt.

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Ganz possierlich sieht der Zünsler aus, der es vor allem auf Buchsbäume abgesehen hat. Foto: Peer Kling
Ganz possierlich sieht der Zünsler aus, der es vor allem auf Buchsbäume abgesehen hat. Foto: Peer Kling
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Durch ihren grünen „Tarnanzug“ und durch ihr Einspinnen in Blätter nehmen wir sie zunächst gar nicht wahr und schauen erst sehr spät entgeistert auf den leer gefressenen Buchsbaum. „Huch!“ Doch bei genauerem Hinsehen entdecken wir die zwei bis fünf Zentimeter langen Vielfraße, zuhauf. Langsam aber stetig gehen sie vor, völlig lautlos.

Entweder Du stehst machtlos vis à vis und gibst gleich auf oder Du holst Dir den längeren Atem und hast dann aber auch einen Monate langen Kampf vor Dir. Den Brennessel-Tee hast Du Dir bei Erfolg echt verdient. Oder Du steigst um auf andere immergrüne Pflanzen. Die Eibe etwa lässt sich auch in Form schneiden. Die Gärtner in Ludwigs Schloss Linderhof verfolgen wenigstens teilweise diese Strategie. Der Kirschlorbeer ist auch immergrün, wächst Dir halt schnell über den Kopf und hat viel größere Blätter, eigentlich eine ganz andere Liga. Den befallenen Buchsbaum aufgeben, heißt, die Pflanzen ratz fatz abschneiden und in den Restmüll geben. Ja, das ist ja eigentlich gar nicht erlaubt, aber vernünftig. Selbst verbrennen ist erst recht verboten. Lassen wir einfach mal den vernünftigen Menschenverstand walten. In die grüne Tonne kloppen, ist schlecht, weil sich der Schädling dann vermehrt und weiter verbreitet, also neues Terrain erobert. Das gleiche gilt natürlich für die Grünabfall-Selbstabfuhr. Für Aldenhovener Bürger ist sie in haushaltsüblichen Mengen kostenfrei und der Zünsler freut sich über die Förderung seiner Art. In Aldenhovens Industriestraße auf dem Grünabfallhaufen der Firma Schönmackers kann die Zukunft des Zünslers gefeiert werden. Dort werden Unmengen befallenen Buchsbaums angeliefert. Der Zünsler kichert, seine Nachkommenschaft ist gesichert. Kost ja „nix“, erst mal, denken die Entsorger. Kontrolliert auch niemand, bis jetzt. Aber so gilt: Einmal Zünsler, immer Zünsler und zwar Zünsler für alle. Die schwarze Tonne ist gut, weil dann alles verbrannt wird, auch die Zünsler in spe. Kompost? Nein! Natürlich gilt auch da: Alles Schlechte schlüpft wieder!

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Früher war alles besser?
Na ja, also der Zünsler wurde erst vor rund zwölf Jahren von Ostasien (Japan, China, Korea, Indien, Ferner Osten) nach Mitteleuropa eingeschleppt. 2006 wurde er in Deutschland erstmals gemeldet. Als blinder Passagier ist er mit Einfuhr-Pflanzen mitgereist. Also schon eine Neuvorstellung hierzulande. Er will halt auch ein bisschen Abenteuer. Und Biologie hat immer nur eines im Sinne, sich ver – mehr, mehr, mehr, vermehren, sozusagen das Gegenteil von Overkill.

Beliebte Methode: Das Einsammeln der Zünsler. Foto: Helga Conzen
Beliebte Methode: Das Einsammeln der Zünsler. Foto: Helga Conzen

Methode Nummer 1: Jäger und Sammler haben Saison
Absammeln und töten. Ja, das ist ekelig, arbeitsaufwendig, aber auf lange Sicht wirkungsvoll. Wie denn töten? Entweder zerdrücken oder mit kochendem Wasser in einem Gefäß übergießen. Beides geht Sekunden schnell. Böse, die No-No-Variante: Lebend in die Tonne oder Toilette.

Methode Nummer 2: Der Hochdruckreiniger
Also, ich kann, frei nach Loriot, meine Buchsbäume mit dem nassen Bruder vom „Heinzelmann“ konfrontieren, muss aber dabei aufpassen, dass ich die Raupen runter bekomme ohne die Blätter zu zerfetzen. Das ist eine Dosier-Übung, für Grobmotoriker nicht so sehr geeignet. Der Wasser-Impuls nimmt mit dem Quadrat der Entfernung von der Düse zur Pflanze ab, schätz´ ich mal. Mit dem Abstand kann ich also hübsch meine Gewalt dosieren. Tot sind die Raupen danach nicht unbedingt. Sie liegen nur unten. Und alles Gute kommt wieder, wenn ich nicht vorher eine Auffang-Folie ausgebreitet habe und tatkräftig zur Ernte schreite. Wenn man die wenigsten frittieren könnte …

Methode Nummer 3: Hitzeschock
Bei Sonne einen schwarzen Müllsack über die Buchsbaum-Pflanze stülpen. Die Raupe macht schlapp und stirbt. Zwei Sachen können dabei schief laufen: Die Raupe stirbt doch nicht, ätsch! Dem Buchsbaum-Zweiglein wird es doch zu heiß und stirbt ab, böhp, Pech gehabt.

Methode Nummer 4: Pheromonfalle
Man muss auch an die Zukunft denken. Jeder Zünsler in Schmetterlingform legt irgendwann Eier und daraus entstehen die Nimmersatt-Raupen. Die Pheromonfalle ist die Entscheidung für eine biologische Kriegsführung mit Sexuallockstoffen. Also kaufe ich mir eine Pheromonfalle im Gartenfachbetrieb und das Pheromon dazu. Damit fange ich dann die Falter und „falte sie zusammen“, für immer. In der Zwischenzeit fressen mir die schon geschlüpften Raupen den Buchsbaum leer. Nice to have, aber als Begleitprogramm.

Methode Nummer 5 Biologische Bekämpfung
Die biologische Bekämpfung der Larven auf Basis des Nützling schonenden Bacillus thuringiensis zeigte in einem Versuch der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) gute Wirkung. Präparate gibt es im Landwirtschafts- und Gartenfachhandel.

Eigentlich hatte sich die Pflanze seit dem Befall Ende April ganz gut erholt. Das Absammeln der Raupen und die Chemiekeule hatten in Tateinheit geholfen. Auch die Stauhitze der einen Sonnentag lang übergestülpten schwarzen Mülltüte tötete Raupen, aber leider doch auch einige Triebe, die sich gelb färbten. Nach einer Kampf-Pause kamen die Raupen nun im Juli heimlich zurück und  fressen lautlos weiter. Foto: Peer Kling
Eigentlich hatte sich die Pflanze seit dem Befall Ende April ganz gut erholt. Das Absammeln der Raupen und die Chemiekeule hatten in Tateinheit geholfen. Auch die Stauhitze der einen Sonnentag lang übergestülpten schwarzen Mülltüte tötete Raupen, aber leider doch auch einige Triebe, die sich gelb färbten. Nach einer Kampf-Pause kamen die Raupen nun im Juli heimlich zurück und fressen lautlos weiter. Foto: Peer Kling

Methode Nummer 6: Gift
Brennnessel-Jauche & Co. haben nicht genug K.O.-Kriterien parat und sind gegen den Zünsler wirkungslos. Es muss schon etwas sein, was Bayer und Konsorten glücklich macht. Das macht aber oft das Ökosystem unglücklich. Der übliche Spagat ist, dass diese Wirkstoffe eben oft auch für Fische, das Trinkwasser oder für Bienen und andere Insekten schädlich sind.
Gegen den Zünsler wirksam sind einige Stoffe aus der Klasse der Neonicotinoide. Diese hochwirksamen Insektizide sind synthetisch hergestellte Wirkstoffe, die an den Nikotinischen Acetylcholinrezeptor (nAChR) von Nervenzellen binden und so die Weiterleitung von Nervenreizen stören. Neonicotinoide sind selektive Nervengifte, die auf die Nervenzellen von Insekten weit stärker als auf die Nerven von Wirbeltieren wirken. Der Unterschied in der Wirkung gegen den Zünsler und gegen Bienen ist aber eher gering. Der Wirkstoff Thiacloprid, ein von Bayer unter dem Handelsnamen Lizetan vertriebenes Neonicotinoid ist wirkungsvoll gegen den Zünsler. Die akute Giftigkeit von Thiacloprid für Bienen (LD50) ist mit 14,6 µg/Biene jedoch NICHT unbedenklich.
(LD50 bezeichnet die letale Dosis, bei der 50 % der dem Stoff ausgesetzten Tiere sterben) Bei einer typischen Körpermasse einer Arbeitsbiene von 120 mg entspricht das etwa einem Zehntausendstel des Eigengewichts der Biene.

Wie oft?
In China schafft der Zünsler bis zu fünf Generationen pro Jahr, in Deutschland sind es zwei.

„Giftzwerg“
Der Buchsbaum betreibt mit rund 70 verschiedenen Giftstoffen eine Art interne Chemiefabrik der Selbstverteidigung. Chemisch gesehen handelt es sich um dibasische Triterpene oder um Alkaloide. Andere Schädlinge kommen damit nicht klar, der „Künstler“ dagegen, vermag sie entweder zu verstoffwechseln oder steckt sie einfach weg, kapselt sie einfach ein. Schad´ nix, fertig. Damit wird der Zünsler aber selbst zur Gift-Bombe. Die jungen Raupen bevorzugen gar die älteren Blätter im Inneren des Busches, welche einen höheren Gift-Gehalt aufweisen. Damit werden gerade die kleineren Raupen für potentielle Fressfeinde geschmacklich unattraktiv und auch giftig. Zu Beginn der Epidemie hatte der Buchsbaumzünsler in Deutschland kaum natürliche Feinde. Mittlerweile wird vermehrt beobachtet, dass heimische Vogelarten wie Stare, Spatzen, Meisen, und Buchfinken die „Giftzwerge“ die Raupen dennoch verzehren. Auch Wespen können den Schädlingen den Garaus bereiten.

Vorbeugen
Einige Hobbygärtner berichten, dass sie durch Zuhängen ihrer Buchsbäume mit Vogelschutznetzen mit 10 mm Maschenweite schlüpfende Falter vom Abfliegen und eierlegende Falter vom Eindringen in den Buchsbaum abhalten konnten. „Ma kann och alles öwerdriewe.“

Für geometrisch angelegte Gärten sind Buchsbaumhecken essentiell, wie die Gartenanlage von Schloss Linderhof in Bayern zeigt. König Ludwig II hatte noch keine Probleme mit dem Buchsbaumzünsler als 1878 Schloss und Park vollendet wurden. Denn die kleine Raupe Nimmersatt und auch der zugehörige Kleinschmetterling, der Buchsbaumzünsler höchstselbst konnten damals noch nicht über den Tellerrand ihrer ostasiatischen Heimat hinaus blicken. Erst durch Pflanzenimporte kam der Vielfraß mit dem spezifischen Geschmack als blinder Passagier zu uns nach Deutschland. Foto: privat
Für geometrisch angelegte Gärten sind Buchsbaumhecken essentiell, wie die Gartenanlage von Schloss  Linderhof in Bayern zeigt. König Ludwig II hatte noch keine Probleme mit dem Buchsbaumzünsler als 1878 Schloss und Park vollendet wurden. Denn die kleine Raupe Nimmersatt und auch der zugehörige Kleinschmetterling, der Buchsbaumzünsler höchstselbst konnten damals noch nicht über den Tellerrand ihrer ostasiatischen Heimat hinausblicken. Erst durch Pflanzenimporte kam der Vielfraß mit dem spezifischen Geschmack als blinder Passagier zu uns nach Deutschland. Foto: privat

Können die Schädlinge überwintern?
Ja, locker. Die Raupen der letzten Eiablage des Jahres überwintern in Kokons zwischen den Blättern oder in Ritzen in der Nähe der Pflanzen. Die Raupen halten sich zum Schutz in Kammern auf, die durch Formen und Verkleben von Blättern entstehen. Eigens hierzu kann die Raupe klebrige Fäden erzeugen.

Fazit
Eine regelmäßige Kontrolle der Buchsbäume von März bis Oktober erlaubt eine frühzeitige Befallserkennung. Die Bekämpfung durch Absammeln oder zusätzlich mit Spritzmitteln sollte möglichst direkt erfolgen, so dass die Schäden an der Pflanze nicht zu groß sind und sie sich regenerieren kann. Einen Chemie-Einsatz ohne Gewissensbisse gibt es gewiss nicht. Denn es existiert keine Chemie-Keule ohne Kollateralschäden.

Dank
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Peer Kling
Peer Kling, typisches "KFA-Kind", nicht aus der Retorte, aber in der zweiten Volksschulklasse nach Jülich zugezogen, weil der Vater die Stelle als der erste Öffentlichkeitsarbeiter "auf dem Atom" bekam. Peer interessiert sich für fast alles, insbesondere für Kunst, Kino, Katzen, Küche, Komik, Chemie, Chor und Theater. Jährlich eine kleine Urlaubsreise mit M & M, mit Motorrad und Martin.

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