Gleiches Geld für gleiche Aufgaben? Bereiten Sie Frauen auf das Thema vor? Vielleicht schon im Vorfeld durch Berufsfelder, die Sie vermitteln?
Das ist auf jeden Fall bei den jungen Frauen auch Inhalt in unserer Berufsberatung. Es ist fast das Wichtigste, dass man die Indikationen individueller Kriterien, die junge Menschen haben, erarbeitet. Dazu gehören zum Beispiel Verdienstmöglichkeiten in einem Beruf, Aufstiegsmöglichkeiten und auch Möglichkeiten einer Führungsaufgabe, gerade wenn man beispielsweise mit Abitur in eine duale Berufsausbildung geht. Wenn die jungen Menschen das so gar nicht als Kriterien selber einbringen, bringen wir das aus der Beratung ein.
Wenn Sie gezielt auf die Frauen gucken?
Das ist eine große Falle beim Equal Pay: Wenn Frauen nachher in den Berufen in Teilzeit arbeiten gibt es riesige Unterschiede. Wenn ich mich von vornherein in der Berufswahl gut aufstelle, verdiene ich vielleicht nachher mit einer 30-Stunden-Stelle oder mit einer 20-Stunden-Stelle so viel, wie ich in einem anderen Beruf in Vollzeit verdient hätte. Insofern ist die Verdienstmöglichkeit ein unabdingbares Berufswahlkriterium.
Gibt es hierfür Informationsmöglichkeiten?
Auf unserer Plattform „Berufenet“ aktualisiert unser Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung alle Zahlen Daten, Fakten rund um Berufe. Das ist also immer auf neuestem Stand. Das setzen wir zum Beispiel in der Berufsorientierung an Schulen viel ein. Natürlich können auch extra Plattformen genutzt werden, wie „Lohnspiegel“ oder ähnliches. Hier finden sich auch die Weiterentwicklungsmöglichkeiten in einem Beruf und die Veränderungen in den Berufsbildern. Heute ist das Thema Transformation bei der Berufswahl ein sehr wichtiges Kriterium.

Was verstehen Sie unter „Transformation“ in Bezug auf den Beruf?
Transformation bedeutet die Veränderung in der Arbeitswelt durch neue Technologien im Zuge der Digitalisierung. Es spielt eben eine große Rolle, ob ich mich auch gegenüber modernen Berufen und Tätigkeiten öffnen möchte. Um ein praktisches Beispiel zu nehmen: Früher musste eine Frau im Lagerbereich ein „körperlicher Typ“ sein. Heute wird für die gleiche Arbeit die Steuerung von Robotoren in großen Lagerräumen genutzt. Das können Frauen genauso gut und manchmal besser als Männer. Ebenso ist es in der Pflege: Wofür früher Körperkraft notwendig war, gibt es mittlerweile Pflegerobotoren. Und das wird sich alles noch viel mehr weiterentwickeln. Und um mal gar nicht von den MINT-Berufen zu sprechen! Wir sind hier in einer MINT-Region, schon bedingt durch RWTH, FH, auch die FH in Jülich. Aber die Zahl der Mädchen, die im MINT-Bereich eine Ausbildung machen, ist verschwindend gering. Und in den MINT-Berufen spielen Transformation, Digitalisierung und Technikentwicklung eine große Rolle.
Ein Blick in die Praxis: Warum ist die Forderung von Frauen für „Gleichbezahlung“ oder der Einstieg in Berufe, die finanziell attraktiver sind, auch heute noch nicht selbstverständlich?
Für Frauen spielt nach wie vor, auch bei junge Frauen, der Sicherheitsgedanke eine große Rolle. Das gilt weniger für Frauen, bei denen beide Elternteile Ingenieure sind, wohl aber dort, wo die Frau etwa aus einem ländlichen Umfeld oder Betrieb kommen. Die Eltern wollen nur das Beste. Da hört man Sätze wie: „Wenn Du so gut Mathematik und Naturwissenschaften bist, dann studier doch wenigstens auf Lehramt.“ Wir als Arbeitsagentur haben einen großen Arbeitsschwerpunkt in „klischeefreie Berufsberatung“. Dahin kommen auch Beratungsfachkräfte zu Schulungen, weil wir eben schnell auch selber in diese Fallen tappen.
Wie können Bewerber sich selber vorbereiten?
Auch dafür gibt es Angebote, etwa am Montag, 10. März. Es ist eine Online-Veranstaltung am Abend. Teilnehmen können also auch Frauen, die im Beruf stehen, aber unzufrieden sind oder lange nicht mehr nach einer Erhöhung des Gehaltes gefragt haben. Titel der Veranstaltung ist „Gehaltsverhandlung und Selbstpräsentation“. Dieses Angebot gibt es mehrmals im Jahr. Dabei geht es um Körpersprache, Mimik und ähnliches. Und auch um die Frage: Was habe ich denn zu bieten?

Können Sie das an Beispielen erläutern?
Ich habe in meinem Leben tausende von Auswahlverfahren in der Wirtschaft und auch in der Behörde erlebt. Da gibt es immer noch einen großen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Ein Beispiel: Wenn jetzt in der Stellenausschreibung stehen würde, dass ich auch für die Pressearbeit zuständig bin, muss ich sichtbar machen, dass ich das kann. Ich bin zwar noch nie Pressesprecherin gewesen, habe aber in meinem Leben schon viel Pressearbeit gemacht. Auch wenn ich keine Tickets, keine Zertifikate habe, würde ich mir selber ein Profil schreiben, in dem steht, was ich an praktischer Erfahrung aus der Pressearbeit mitbringe. Das ist bei der Gehaltsverhandlung ganz, ganz wichtig. „Frau“ fragt dann eher – um mal die Wirklichkeit zu bedienen – „Könnte ich so einen Social Media Kurs nochmal machen?“. Und der Arbeitgeber versteht: „Ach, die kann das doch nicht.“ Da muss Frau noch eine ganze Menge lernen im Sinne von „Ich kann das und ich kann auch mit einem gesunden Selbstbewusstsein auftreten. Es steht mir auch zu. Das ist kein Betteln für etwas. Wenn ich gut bin, bin ich gut und dann möchte ich dafür auch bezahlt werden. Ausrufezeichen!
Ein anderes Thema: Zusatzaufgaben. Die übernehmen Frauen oft selbstverständlich. Ich habe die Erfahrung, dass Männer ganz schnell frage: „Was bekomme ich dafür mehr?“ Und sie sagen auch schon mal „nein“, wenn es nichts dafür gibt. Wenn ich keine Entlastung von anderen Aufgaben bekomme, muss es ja irgendeinen Mehrwert für mich haben.
Gilt das auch für den öffentlichen Dienst?
Weil es im öffentlichen Dienst Tarifierungen gibt, denken viele, dass es gar keinen Unterschied gibt. Das ist nicht so. Denn es gibt überall im öffentlichen Dienst Entwicklungsstufen. Verhandelbar ist etwa, auf welcher Stufe ich beginne, wenn ich einen neuen Posten antrete. Und es gibt Funktionszulagen. Wer zum Beispiel eine Fachbetreuung von einem bestimmten System übernimmt, bekommt zusätzlich Geld. Das ist einfach etwas Strategisches.
Was ist zu tun, wenn ich feststelle, dass ich für denselben Arbeitsbereich, den der Kollege neben mir ausübt, ein anderes Gehalt bekomme?
Wenn es große Unternehmen sind, die eine Gleichstellungsstelle haben und auch einen Personalrat oder Betriebsrat, sind das immer gute Ansprechpartner und -Partnerinnen. Weil sie eine sehr gute Übersicht haben. Sie kenne auch alle Tricks und Kniffe und kennen auch ihre Führungskräfte. Wenn es jetzt wie bei Equal Pay Day insbesondere um Frauen geht, sind natürlich die Gleichstellungsbeauftragten ja ganz fantastische Ansprechpartner. Man kann sich auch an sie wenden, wenn man bei „übergreifenden Arbeitgebern“, etwa Krankenhäusern, die in städtischer Führung sind, arbeitet. Dann kann man auch die städtischen oder Kreis-Gleichstellungsbeauftragten einschalten.

Stichwort Equal Pay Day. In diesem Jahr steht das Entgelt-Transparenz-Gesetz im Mittelpunkt. Was beinhaltet es?
Das Entgelt-Transparenz-Gesetz gibt es seit 2017. Es geht um ein Auskunftsrecht, das Mitarbeitende haben. In der Privatwirtschaft haben es 17 Prozent genutzt, im öffentlichen Dienst 10 Prozent. Bislang gilt das Entgelttransparenzgesetz nur für Betriebe ab 200 Mitarbeitern. Im Kreis Düren bei 6000 Betrieben also nicht einmal für 1000 Betriebe. Das ist aber ein bisschen wie ein zahnloser Tiger – weil es keine Sanktionen gibt. Und weil viele, die betroffen sind, gar nichts von dem Gesetz wissen. 2023 ist eine neue EU-Richtlinie verabschiedet worden, die bis 7. Juli 2026 auch in Deutschland umgesetzt werden muss. Mit der neuen Richtlinie gilt das Gesetz dann für alle. Und es werden Sanktionen hinterlegt. So wie jetzt der öffentliche Dienst jedes Jahr einen Gleichstellungsbericht vorlegen muss, müssen Betriebe dann zu der Bezahlung einen Bericht machen.
Kann man sich auch an die Agentur für Arbeit wenden?
Unser Team bietet Berufsberatung im Erwerbsleben. Wir beraten vor allen Dingen Erwerbstätige. Vor zehn Jahren waren wir konzentriert auf Arbeitslose. Jetzt liegt der Fokus vielmehr auch auf Beschäftigten. Die Kollegen können auch direkt Termine ausmachen, zu denen man relativ kurzfristig Gespräche bekommt, etwa wenn jemand sich verändern möchte und eine fachliche Beratung braucht – inklusive auch der Gehaltsverhandlung. Ich habe speziell mit vielen Frauen Vorstellungsgespräche vorbereitet – als Coach. Wenn in Jülich vor Ort Bedarf wäre und es würden – ich sage jetzt mal – acht Frauen anrufen, die an dem Thema interessiert wären, würde ich auch einen Termin in Jülich vor Ort machen. Wir haben vor Ort ja auch Räumlichkeiten.
Interessierte können mit Andrea Hilger Kontakt aufnehmen Telefon 0241 / 897-1547
oder per Mail [email protected]
Weitere Veranstaltungen zum Thema gibt es hier